Welche schweren Vorwürfe gegen Fysam in Steinheim erhoben werden
Was ist bloß los bei Fysam? Vor zwei Jahren protestierten Mitarbeitende vor dem Unternehmenssitz in Steinheim. Sie beklagten schlimme Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung. Die Staatsanwaltschaft in Ellwangen ermittelte wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit. Glaubt man einem Mitarbeiter, der sich nun anonym in einem Schreiben an die HZ gewandt hat, hat sich daran bislang nichts geändert: "Seit der Übernahme unseres Unternehmens durch die chinesische Fuyao Group hat sich die Situation drastisch verschlechtert", behauptet er. Er erzählt von chinesischen Mitarbeitern in Steinheim, die teilweise keine Aufenthaltsgenehmigung hätten, die 28 Tage am Stück und zehn Stunden täglich ohne Pause arbeiten, die ohne gültige Fahrerlaubnis Firmen-Pkw nutzen. "Hier geht es um das Wohl und die Rechte von Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft", so der Autor des Briefes, der seit zweieinhalb Jahren im Unternehmen beschäftigt sein will. "Dies ist nicht nur inhuman, sondern widerspricht auch den geltenden deutschen Gesetzen, die solche Arbeitsbedingungen untersagen."
Staatsanwaltschaft hat Strafbefehl beantragt
Aufgrund von Überprüfungen des Hauptzollamts Ulm leitete die Ellwanger Staatsanwaltschaft 2021 wegen der damals schon laut gewordenen Vorwürfe der Schwarzarbeit Ermittlungsverfahren ein. Auf Nachfrage heißt es nun aus Ellwangen, man habe offiziell gegen zwei Personen aus dem Unternehmen wegen des Vorwurfes der Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt ermittelt. In einem Fall habe man das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Im anderen Fall habe die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht in Heidenheim einen Strafbefehl beantragt. Zum Stand des Verfahrens ist aktuell nichts bekannt.
Martin Purschke ist Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Göppingen und beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit mit der Causa Fysam. Auch an ihn seien ähnlich lautende Vorwürfe bereits mehrfach von Mitarbeitern herangetragen worden. "Das Problem ist, solche Vorwürfe am Ende auch überprüfen oder nachweisen zu können." Was Purschke weiß, ist, dass die Zahl der aus China stammenden Mitarbeiter mittlerweile dreistellig sei und dass der Betriebsrat des Unternehmens erst nach längerer Zeit nun habe durchsetzen können, dass auch dieser Teil der Belegschaft seine Arbeitszeit durch Stempeln erfassen muss. "Ob man sich daran hält, steht auf einem anderen Blatt", sagt der Gewerkschafter.
Kontrollieren, ob man sich im Unternehmen an Regeln und Gesetze hält, muss der Zoll. Und der hatte zumindest 2021 genug Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten gefunden, um Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls weitere juristische Konsequenzen nach sich zu ziehen. Seit 2021 allerdings, so heißt es von Seiten des Hauptzollamtes Ulm, hätten keine neuen Kontrollen mehr vor Ort stattgefunden.
Werk in Laichingen-Feldstetten soll geschlossen werden
Aktuell machen der Belegschaft von Fysam nicht nur die Arbeitsbedingungen an sich Sorgen, sondern auch die Pläne der Geschäftsführung, das Werk 9 in Feldstetten zu schließen. 120 Mitarbeiter sind betroffen. "Es gab in der vergangenen Woche erste Gespräche zwischen Unternehmen, Betriebsrat und Gewerkschaft zu diesem Thema", sagt Martin Purschke von der IG Metall. Ziel des Betriebsrates sei es, ein Konzept zu erarbeiten, mit dem die Schließung des Werks doch noch abgewendet werden kann. "Eine klare Ansage der Geschäftsführung zur Zukunft des Unternehmens wäre endlich einmal angebracht", kritisiert der Gewerkschafter. Gegebenenfalls könnte das die Verunsicherung in den Werken etwas mildern. "Man muss aber leider auch feststellen, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Vertrauen in eine langfristige Führung des Unternehmens schon lange verloren haben."
Bereits 2021 war das Unternehmen mit den Vorwürfen bezüglich der Arbeitsbedingungen in den Fysam-Werken konfrontiert worden. Damals hatte die Geschäftsführung gegenüber der HZ unter anderem versichert, dass Maßnahmen getroffen worden seien, um Verstöße gegen die Arbeitszeitregelungen künftig zu verhindern.
Fysam will sich nicht äußern
Die HZ hat dem Unternehmen auch jetzt einen Katalog mit Fragen geschickt - sowohl zu den aktuellen Vorwürfen als auch zur möglichen Schließung des Werks in Laichingen-Feldstetten. Das Unternehmen lehnt eine Stellungnahme zum aktuellen Zeitpunkt mit dem Verweis auf "laufende Verhandlungen" ab.
Erst Binder, dann SAM, dann Fysam
Die Geschichte des heutigen Unternehmens "Fysam Auto Decorative" ist nicht gerade von Kontinuität geprägt: Seine Wurzeln reichen bis ins Jahr 1955 zurück. Damals gründete Ottmar Binder senior die Binder GbR in Böhmenkirch, die Polier- und Schleifarbeiten für die WMF übernahm. 1989 begann der Wandel zum Automobilzulieferer, 1990 folgte die Umbenennung in Süddeutsche Aluminium Manufaktur. 2016 wurde das Unternehmen schließlich von einer Münchener Unternehmensgruppe übernommen und in SAM Automotive Group umbenannt. 2018 kam es im Böhmenkircher Werk zu einem Großfeuer, infolgedessen Insolvenz angemeldet werden musste. Der Schaden hatte, inklusive des Produktionsausfalls, knapp 30 Millionen Euro betragen. 2019 übernahm der weltweit agierende chinesische Konzern Fuayo das Unternehmen. 2020 kam es erneut zu einem Großbrand in einer Produktionshalle in Böhmenkirch. Schaden: eine Million Euro.