Ein Fußballstadion lebt nicht nur vom Spiel auf dem Rasen, es lebt durch die Emotionen auf den Rängen. Sicherlich trägt zu einer schönen Stadionatmosphäre eine ansprechende Choreografie bei. Einen Einblick hinter die Kulissen der aktiven Fanszene ist jedoch nicht einfach. Sowohl in Heidenheim als auch an anderen Orten in Deutschland sind die Ultras den Medien eher abgeneigt. Das Kollektiv 1846 e.V. bietet im Gespräch mit der Heidenheimer Zeitung einen Überblick, was es heißt, für eine „bunte Tribüne“ an Spieltagen des 1. FC Heidenheim zu sorgen.
Was ist eine Choreografie?
„Man sieht im Stadion immer nur die zwei Minuten der Choreo. Bis diese aber erst im Stadion präsentiert werden kann, stecken teils Wochen aufopfernder Arbeit dahinter“, sagt Kollektiv-Vorstand Vale, der nur mit seinem Spitznamen genannt werden möchte. Doch was ist überhaupt eine Choreo? Unter Choreo versteht die organisierte Fanszene Bilder und Darstellungen, die zumeist auf der Osttribüne der Voith-Arena von den Fans gezeigt werden. Diese werden auf unterschiedlichste Art und Weise abgebildet: „Sei es mit Papptafeln, einem Fahnenmeer, Blockfahnen oder Bildern, die mithilfe eines Seilzuges hochgezogen werden“, erklärt Vale.
Eine Choreografie dient der Fanszene zu vielen Zwecken. Der häufigste davon ist das Motivieren und Nachvornetreiben der eigenen Mannschaft, da die Choreos häufig zu Spielbeginn gezeigt werden. Andererseits werden auch öfters Jubiläums-Choreografien von Fangruppen oder für Mitwirkende im Verein gezeigt. Als Beispiele nennt der Vorstand die Jubiläums-Choreo für Frank Schmidt und die Abschieds-Choreo von Marc Schnatterer.
Weiter Weg vom Laden bis in die Kurve
„Dafür opfern viele Menschen große Teile ihrer Freizeit“, sagt Vorstand Vale. Eine Choreo entsteht in den meisten Fällen am Computer. „Zuerst muss eine Idee auch erstmal designt werden“, sagt Vale. Aus Erfahrungswerten dauert der Schritt von einer Idee bis zu einer visualisierten Darstellung oftmals Tage bis Wochen. Anschließend geht es an die Materialbeschaffung, die von den Fans komplett aus eigener Tasche bezahlt wird und nicht günstig ist. Eine Choreo kostet je nach Größe und Umsetzung mehrere hundert bis tausend Euro.
Dafür opfern viele Menschen große Teile ihrer Freizeit.
Vale, Vorstand Kollektiv 1846.
Sind die Materialien besorgt, wird auf Folie oder Stoff das Design vorgezeichnet. Dabei ist besonderes Feingefühl hinsichtlich der Konturen und dann auch beim Auftragen der Farben vonnöten. Anschließend heißt es erstmal abwarten: Die Farbe und der Stoff muss trocknen und im Stadion auch noch ordnungsgemäß angebracht werden. Je nachdem an welchem Austragungsort die Choreografie gezeigt wird, muss man sich bei der Herstellung an verschiedene Regularien halten, wie beispielsweise Brandschutzmittel oder Größe von Stoffstücken.
Rolle des Kollektivs
Doch welche Rolle spielt das Kollektiv 1846 bei den Choreos? Vorstand Vale beschreibt das Kollektiv als Choreoförderverein. Egal welcher Fanclub eine Choreo organisieren möchte, kann sich dieser an das Kollektiv wenden und dort einen Teil der Ausgaben für diese Choreo einfordern. Das heißt: Kommt ein Antrag an das Kollektiv, besprechen die Mitglieder über eine Zustimmung der finanziellen Unterstützung der Choreo. Dabei ist vor allem wichtig, wie viele Mitwirkende des Fanclubs Mitglied beim Kollektiv sind.
Denn: Das Kollektiv ist ein eingetragener Verein und kann durch eine Mitgliedschaft unterstützt werden. Auch dadurch wird die aktive Fankultur in Heidenheim weiterhin erhalten und weiterentwickelt. Das Kollektiv stellt sich zusammen aus einem Querschnitt der Fanszene, von Ultras bis regulären Fanclubs. Das sorgt bei Abstimmungen über Choreos für eine Diversität, die Demokratie erlaubt und keine Monopolstellung einer Gruppe bevorzugt. Auch FCH-Verantwortliche sind im Kollektiv 1846 Mitglied.
Nicht nur Choreos werden unterstützt: Das Kollektiv kommt für viele weitere notwendige Anschaffungen der organisierten Fanszene auf. Megafone, Trommeln oder eine neue Mikroanlage auf der Osttribüne standen bereits auf dem Einkaufszettel der Fanszene. Das Kollektiv kommt dabei, wie bei Choreos, für bis zu 50 Prozent der angefallenen Kosten auf und finanziert sich selbst von den Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Pfandsammelaktionen bei FCH-Heimspielen kommen in den meisten Fällen dem Kollektiv als Spende zu.
Wird Kriminalität unterstützt?
„Das Kollektiv finanziert ausschließlich Anträge von Fans und Fangruppen, die allgemein als positive Fankultur angesehen werden“, sagt Vorstand Vale auf die Frage, ob Strafen, die Personen aufgrund von Gewalt oder dem Gebrauch von Pyrotechnik erhalten haben, auch übernommen werden. „Das ist dann das Problem der Leute, die sich solche Strafen abholen. So etwas unterstützen wir als Kollektiv nicht“, sagt der Vorstand.
Wie kann man Mitglied werden?
Um ein Teil des Erhalts der positiven Fankultur und damit Mitglied im Kollektiv 1846 zu werden, kann ein Formular ausgefüllt werden, das bei jedem Heimspiel im „Fan-Container“ vor der Osttribüne ausliegt. Zudem kann das Beitrittsformular auch im Fan- und Ticketshop oder Online eingesehen oder ausgefüllt werden. Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich auf 18,46 Euro im Jahr. Menschen, die keinem Verein beitreten, aber durch Geldspenden unterstützen möchten, können Bargeldspenden ebenfalls am „Fan-Container“ abgeben oder einen Briefumschlag in den Briefkasten des Kollektivs im Fan- und Ticketshop an der Voith-Arena einwerfen.