Der Anfang einer Erfolgsgeschichte ist oft unspektakulär. So beschreibt auch Karl Heinz Gerkowski, von allen nur Charly genannt, den Tag, an dem er an seine besondere Dauerkarte gekommen ist. Zur Saison 2007/08 hatte der FCH mit dem Dauerkartenverkauf begonnen. Damals spielten die Heidenheimer noch in der Oberliga. Der Giengener, der in seiner Jugend für den VfL Heidenheim an der Clichystraße (vorher Turnstraße) gespielt hatte, besuchte seit Ende der 1970er Jahre regelmäßig Heimspiele des HSB. Er war auch in der Landes- und der Verbandsliga dabei, als die Heidenheimer peu à peu ihren sportlichen Weg nach oben gingen.
Vor dem 2. Spieltag der Oberligasaison 2007/08, einem Heimspiel gegen den SC Freiburg II, stand Charly Gerkowski am 18. August 2007 ganz vorne in der Schlange. Und erhielt die Dauerkarte mit der Nummer 00001. „Die Nummer ist mir gar nicht aufgefallen, bis mich jemand darauf aufmerksam gemacht hat“, sagt er über seine Dauerkarte, die 110 Euro gekostet hat. Auch kann er sich an den 2:0-Sieg des HSB noch genau erinnern. „Michael Urban und Christian Gmünder haben die Tore erzielt, Trainer war Dieter Merkle, sein Co war Frank Schmidt“, so Gerkowski über den unspektakulären Tag, der im Nachhinein doch einzigartig ist.
„Damals hat auch niemand damit gerechnet, dass es sich in diese Richtung entwickelt“, so der FCH-Fan über den steilen Aufstieg der Heidenheimer Kicker, die am Ende der Oberligasaison sich über den Sprung in die Regionalliga freuen durften. „Ich war bei jedem Aufstiegsspiel dabei“, freut sich Gerkowski, der natürlich auch den Bundesligaaufstieg in Regensburg am letzten Spieltag der Saison 2022/23 hautnah miterlebt hatte. „Ich stand direkt hinter dem Regensburger Tor und habe den Treffer von Tim Kleindienst in aller Deutlichkeit gesehen“, erzählt der 65-Jährige.
Inzwischen verkauft der FCH natürlich sehr viele Dauerkarten – und diese erhalten auch keine fortlaufenden Nummern mehr. In der ersten Bundesligasaison 2023/24 waren es 9.000 Dauerkarten. Auch für die Spielzeit 2024/25 werden es 9.000 sein. In beiden Saisons hätten es mehr sein können. Der Heidenheimer Verein macht bei 9.000 Karten aber Schluss, damit Tickets für einzelne Heimspiele den Mitgliedern ohne Dauerkarte angeboten werden können. Erst danach würden sie in den öffentlichen Verkauf gehen. In der Premierensaison in der Bundesliga (2023/24) waren alle 17 Heimspiele des FCH offiziell ausverkauft (in die Voith-Arena passen 15.000 Zuschauer).
Früher kamen 500 Zuschauer ins Stadion, da hast du fast jeden persönlich gekannt.
Charly Gerkowski über die Entwicklung des 1. FC Heidenheim
Die Fußballleidenschaft von Charly Gerkowski, der beim FCH die Mitgliedsnummer 124 hat, entwickelte sich früh. Bei Heimspielen in der Voith-Arena sitzt er seit dem 25. Juli 2009 (erste Saison in der 3. Liga) zudem auf einem besonderen Platz. Natürlich auf der Südtribüne (der ehemaligen Haupttribüne des Albstadions): Block A, Reihe 13, Platz eins. Genau in Blickrichtung der FCH-Trainerbank. Ein Platz mit einer großen Geschichte. Denn hier saß einst Frank Schmidts Vater, erzählt Gerkowski.
Überhaupt habe sich einiges getan. „Früher kamen 500 Zuschauer ins Stadion, da hast du fast jeden persönlich gekannt und es ist aufgefallen, wenn mal einer nicht da war. 1000 Zuschauer waren dann eine tolle Kulisse. Heute sind’s 15.000 Zuschauer. Aber es gibt auch viel drumherum, ich möchte mich lieber aufs Spiel konzentrieren“, erzählt Charly Gerkowski. Und dann gibt es die Tage, an denen er gefragt werde, ob er denn schon länger dabei sei. Das nehme er mit Humor. Weniger komisch finde er aber, wenn Stadionbesucher nichts mit dem VfL Heidenheim (und damit der Geschichte des Heidenheimer Fußballs) anfangen können, merkt Gerkowski kritisch an.
Viele Jahre war der Giengener Lkw-Fahrer bei der Firma „Wölpert“, so hatte er unter anderem Lieferungen für die Häuser von Holger Sanwald oder Frank Schmidt – eine besondere Ehre für Gerkowski, der über sich selbst sagt: „Jeder weiß, dass ich FCH-verrückt bin.“ Seit zwei Jahren ist er Rentner und fährt nun als passionierter Motorradfahrer auf seiner Suzuki Intruder. Ein weiteres Markenzeichen: seine Sonnenbrille, die er selbst beim Fotoshooting mit der HZ nicht abnehmen wollte.
Gerkowski sammelt nicht nur Dauerkarten, sondern auch FCH-Trikots. Eben seit der Oberligasaison 2007/08. Bei der Frage, ob er ein Lieblingstrikot hat, muss er kurz nachdenken. Seine Wahl fällt auf den blauen Dress aus der Zweitliga-Spielzeit 2016/17. Wobei eine seiner Lieblingserinnerungen nichts mit einem FCH-Trikot zu tun hat. In Brisbane (Australien) hatte er einst ein Fußballspiel gesehen, mit dabei war auch ein gewisser Ben Halloran, der einige Jahre später im Sommer 2015 von Fortuna Düsseldorf zum FCH wechselte. „Ich hatte noch ein Trikot der Brisbane Roars und bin bei einem Testspiel des FCH in Schnaitheim damit auf Ben zugelaufen“, erzählt Gerkowski. Halloran (mittlerweile zurück bei den Brisbane Roars) wiederum habe ganz schön verwundert geschaut.
Einen der emotionalsten Momente erlebte Charly Gerkowski in der ersten Zweitligasaison des FCH (2014/15). „Beim FC St. Pauli wurde am Millerntor die FCH-Hymne gespielt. Da dachte ich: Wow, dass ich das erleben darf! Diese mitreißende Atmosphäre – und dann haben wir auch noch 3:0 gewonnen“, erinnert er sich zurück.
In der kommenden Saison möchte Gerkowski wieder mehr Auswärtsspiele des FCH sehen. So verpasste er in der vergangenen Spielzeit aufgrund einer Erkrankung die Partie in Dortmund. Auch auf die Alte Försterei beim 1. FC Union Berlin freut er sich schon. Und auf die Qualifikation zur Conference League. „Wenn es nicht zu weit ist, würde ich gerne dabei sein“, sagt Charly Gerkowski. „Ich war in der Bezirksliga als Fan dabei. Nun sind wir international dabei. Eigentlich kaum vorstellbar.“
Die Eltern von Charly Gerkowski kommen aus Danzig
Für einen Schwaben hat Charly Gerkowski einen ungewöhnlichen Nachnamen. Seine Eltern kamen aus Danzig über Sankt Peter-Ording in Schleswig-Holstein nach Heidenheim, wo Charly Gerkowski 1958 geboren wurde (deswegen auch der polnische Nachname, von seiner Mutter). Im August 2024 feiert er seinen 66. Geburtstag alt.