Unter dem Schlagwort „Kuriositätenkiste“ stellt die Heidenheimer Zeitung zu den jeweiligen Bundesliga-Heimspielen des 1. FC Heidenheim Anekdoten vor, die mit dem jeweiligen Gegner zu tun haben. Den Auftakt macht eine Begebenheit mit Augsburgs Fußball-Legende Helmut Haller. (Der FCA ist am Sonntag, 1. September, zu Gast beim FCH/Voith-Arena, 15.30 Uhr.)
Lange bevor der FC Augsburg im Jahre 2011 in die Bundesliga aufstieg, gab es schon bekannte Spielerpersönlichkeiten aus der Fuggerstadt, die international Karriere machten. Bernd Schuster beispielsweise oder Helmut Haller. Letztgenannter gehörte zu den ersten deutschen Kickern, die im Ausland ihr Geld verdienten (FC Bologna und Juventus Turin). Doch bekannt geworden ist der schmächtige Haller, den sie im bayerischen Schwaben seiner spindeldürren Figur wegen „Hemad“ (Hemd) nannten, auch durch eine Randepisode des WM-Finales von 1966.
Haller hatte die deutsche Mannschaft gegen Gastgeber England zwar in Führung geschossen, gehörte am Ende aber zu den Verlierern. Nicht zuletzt deshalb, weil ein gewisser Geoff Hurst mit dem sogenannten „Wembley-Tor“ die Entscheidung zugunsten Englands in der Verlängerung einleitete.
Wenn es schon keinen Pokal geben sollte, dann wollte sich Haller aber wenigstens ein anderes Souvenir sichern. Also schnappte er sich nach dem Abpfiff den Ball. Damals wurde das Spielgerät noch nicht nach jeder Unterbrechung ausgetauscht. Stattdessen rollte ein- und dieselbe Kugel die gesamten 120 Minuten lang über den „heiligen Rasen“.
Normalerweise trägt der Schiedsrichter nach Abpfiff den Ball vom Feld. Doch Haller überzeugte den Schweizer Unparteiischen Gottfried Dienst, dass das Spielgerät nach deutscher Tradition dem Verlierer des Finales zustehe. Mit dem malträtierten Objekt der Herstellermarke Slazenger unter dem Arm marschierte der Augsburger auf die Ehrentribüne und verbeugte sich vor der Queen – fast so, als wollte er „Dankeschön“ sagen.
Auch die siegestrunkenen Engländer machten Haller den Ball nicht mehr streitig. Beim WM-Abschlussfest ließ „HH“ noch Fußball-Prominenz wie Pele oder Bobby Moore auf seinem Souvenir unterschreiben und schenkte ihn dann nach der Heimkehr seinem Sohn Jürgen zum fünften Geburtstag.
Es dauerte eine Weile, bis die Engländer kapierten, welch fußball-historisches Utensil ihnen da durch die Lappen ging. Der dreifache Final-Torschütze Geoff Hurst fragte als Erster nach dessen Verbleib, nachdem er Fotos von Haller mit dem Ball unterm Arm gesehen hatte. Der Augsburger war auch diesmal nicht auf den Mund gefallen: Einer weiteren deutschen Tradition gemäß stehe der Ball dem Schützen des ersten Tores im Finale zu, wehrte er die Rückgabe-Forderung ab.
Erst als im Vorfeld der EM 1996 in England die mächtigen Boulevard-Blätter „The Sun“ und „Daily Mirror“ die Herausgabe des Balles forderten, hatte Haller keine passende Ausrede mehr parat. Für das medienwirksame Abliefern der braunen Lederkugel, die auf einem Extrasitz im Flugzeug nach London gebracht wurde, soll Haller-Sohn Jürgen als Überbringer 80.000 britische Pfund erhalten haben, von denen er dem Vernehmen nach 20.000 an Kinderkrebskliniken spendete.
Heute kann der Ball, der einst so spektakulär von der Latte des deutschen Tores auf, vor oder hinter die Linie sprang, im National Football Museum in Manchester besichtigt werden. Das Geheimnis, ob Tor oder kein Tor, wird er dem Besucher aber sicher auch dort nicht verraten …