„Mü“ im Interview

FCH-Torhüter Kevin Müller spricht über Vertragsverhandlungen, USA-Träume und den Abstiegskampf

Kevin Müllers Vertragsverlängerung beim FCH war ein starkes Zeichen in nicht einfachen Zeiten. Was bedeutet Heidenheim für den 33-Jährigen, der nun schon seit fast zehn Jahren beim Verein vom Schlossberg zwischen den Pfosten steht?

Wenn Sie vor Anpfiff der Bundesligaspiele zu Ihrem Tor laufen, ertönt stets das langgezogene „Müüüü“ der Fans. Seit wann ist das so und was ist das für ein Gefühl?

Kevin Müller: Das ist schon ein schönes Gefühl, keine Frage. Das macht einen stolz, es ist eine Anerkennung der Fans. Da bin ich sehr dankbar dafür und versuche, Woche für Woche das mit Leistung zurückzugeben. Wann sich das entwickelt hat, weiß ich gar nicht. Bei meinen vorigen Stationen war ich einfach der Kevin (lacht).

Sie haben vor kurzem das Angebot des FCH zur Vertragsverlängerung angenommen und bleiben zwei weitere Jahre. Wie kann man sich die Entscheidungsfindung vorstellen?

Ich denke, es war ein handelsüblicher Prozess. Beide Seiten versuchen, genau abzuwägen und die Situation auszuloten, was vollkommen legitim ist. Und natürlich beschäftigen sich auch beide Seiten damit, was ist, wenn man nicht zu einer Einigung kommt. Deshalb ist das ganz normal, dass auch das eine oder andere Gerücht die Runde macht. Am Ende ist – wie auf dem Platz – das Ergebnis wichtig. Die Gespräche waren am Ende so positiv, dass es für mich auch eine klare Entscheidung war, hier weiterzumachen.

Was für Gedanken gehen einem in so einer Phase durch den Kopf?

Man geht in ein auslaufendes Vertragsjahr, man merkt, die Gespräche sind intensiv. Ich bin 33, aber ich habe das Gefühl, mein Körper gibt noch genug her, ich bin Gott sei Dank ohne große Verletzung geblieben.

Gab es vielleicht auch mal den Wunsch, etwas anderes zu sehen?

Das eine sind die Wünsche. Ich konnte mir einen Auslandsaufenthalt immer gut vorstellen. Ich denke, das ist auch nicht verwerflich. Aber das andere ist die Realität. Das wäre schon eine extreme Umstellung für die Familie. Wenn mein Sohn vielleicht schon 16, 17 Jahre alt wäre, wäre es unter Umständen etwas anderes, aber mit 13, 14 Jahren ist das schwer. Er kennt ja nichts anderes als Heidenheim, ging hier schon in den Kindergarten.

Angebote hätte es gegeben?

Ein halbes Jahr vor Vertragsende ist es ganz normal, dass man sich umhört. Natürlich hat man sich mit dem einen oder anderen unterhalten, so wie es der Verein vermutlich auch gemacht hat. Der Verein hat ja eine Verantwortung für die Mannschaft, ich habe eine Verantwortung gegenüber meiner Familie. Ich ordne auch das als handelsüblich ein.    

Wäre etwas Reizvolles dabei gewesen?

Ich höre mir natürlich nur Sachen an, die mich reizen würde. Darum geht es am Ende des Tages aber nicht. Es zählt, was man unter vier Augen oder sechs Augen bespricht und wo man sich die Hand drauf gibt. Ich bin ehrlich, es war keine einfache Situation. Mit einer falschen Entscheidung jetzt kann ich im schlimmsten Fall im Sommer meine Karriere beenden.

Kevin Müller ist auch bei den Fans äußerst beliebt. Eibner-Pressefoto/Sascha Walther

Was sprach dann für den FCH?

Wir haben eine sehr lange, sehr erfolgreiche Zusammenarbeit. Und dann ist da die Kontinuität mit Holger Sanwald und Trainer Frank Schmidt an der Spitze. Als Spieler lernst du so etwas erst zu schätzen, wenn du es nicht mehr hast. Du kannst dich darauf verlassen, dass hier im Verein immer Ruhe herrscht. Auch das Sportliche spricht für den FCH. Die Zusammenarbeit mit Torwarttrainer Bernd Weng ist sehr gut. Wir versuchen auch in meinem Alter immer noch Sachen zu finden, wo Potenziale sind, wo ich mich weiterentwickeln kann. Und die Familie ist ein großer Punkt, ich bin ja keine 22 mehr und entscheide nicht mehr für mich allein.

Ihr Sohn ist in der Jugend ja auch Torwart und es kam schon der Gedanke auf, wie es wäre, mal gemeinsam in einer Mannschaft zu stehen…

Das ist natürlich ein ganz smarter Gedanke. Das wäre schon cool und ist theoretisch gar nicht so weit weg. Aber erst einmal müsste ich so lange durchhalten, dann müsste der Verein mit mir weiter arbeiten wollen und dann muss er es am Ende ja schaffen. Ich weiß nicht, ob ich ihn diesem Druck aussetzen möchte. Der Spagat zwischen Schule und Sport ist schon schwierig genug.

Und wenn ihr tatsächlich mal beide im Kader des FCH stehen würdet, wer wäre dann auf dem Platz und wer Ersatzmann?

(lacht) Das müsste dann der Trainer entscheiden, da könnte sich mein Sohn auf jeden Fall darauf einstellen, dass ich nicht einfach einen Schritt zurücktreten würde.

Eine reizvolle Möglichkeit wäre ja ein Engagement in den USA und College-Fußball für Ihren Sohn?

Ich denke, was das Thema Fußball angeht, ist er in Deutschland oder Europa schon sehr gut aufgehoben.

Aber Ihre Begeisterung für die USA ist ungebrochen?

Das eine hat ja nichts mit dem anderen zu tun. Die Begeisterung für Amerika ist da – nicht politisch, das muss ich betonen. Aber ich bin einfach ein Freund vom Leben dort, hatte schon sehr schöne Begegnungen mit Menschen und ich mag einfach den Sport dort. Deshalb ist es immer ein Urlaubsziel, vielleicht werde ich nach meiner Karriere auch ein paar Jahre dort leben.

Gehen wir wieder zurück über den großen Teich und schauen auf die Bundesliga. Was muss passieren, damit der FCH in der Bundesliga bleibt?

Wir müssen erst einmal mehr Punkte holen. Die Leistungen sind im Vergleich zu den Wochen vor Weihnachten deutlich besser, aber das ist halt keine Garantie, dass du punktest. In Augsburg machen wir kein schlechtes Spiel, sodass du fast schon sagen würdest, ein Punkt ist zu wenig und dann bekommst du in der letzten Aktion noch das 1:2. Die Zeit des großen Erzählens, dieses woran liegt’s und was müssen wir machen, ist vorbei. Das erste halbe Jahr dieser Saison war nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben, das haben wir im Winter-Trainingslager klar angesprochen. Jetzt müssen wir einfach machen.

Will die Mannschaft auch ein Stück weit in Ruhe gelassen werden?

Es ist ganz normal, dass die Leute Fragen stellen. Du musst dich aber auch hinstellen und es erklären, wenn es mal nicht so läuft. Es gibt nicht die eine einfache Antwort darauf, woran es liegt. Es sind viele Kleinigkeiten, die sich summieren. Aber das ist kein Problem, ich sehe uns als Mannschaft so gefestigt, dass wir das schaffen werden.

Im ersten Jahr in der Bundesliga gab es sicher für alle viele große Fragezeichen, ob man auf diesem Niveau mithalten kann – auch für Sie als Torhüter. Es gab dann aber sehr gute Bewertungen. Wie haben Sie das erlebt?

Die erste Saison war herausragend von uns allen. Viele haben nach dem Aufstieg wahrscheinlich mit so einer Saison gerechnet, wie wir sie aktuell haben. Mir geht es gar nicht so sehr um mich selbst oder wie meine Leistung wahrgenommen wird. Ich mache mir Gedanken, wie ich der Mannschaft helfen kann. Natürlich ist es schön, wenn man positiv gesehen wird, aber im Endeffekt ist das nichts wert, wenn wir als Mannschaft nicht erfolgreich sind. Es gibt nur eine wichtige Statistik, das ist die Tabelle.

Ihr nun verlängerter Vertrag gilt auch für die 2. Liga, würden Sie ihn auch beim FCH erfüllen?

Mein Vertrag gilt auch für die 2. Liga und hat eine dementsprechende Bindung für mich. Man sollte im Fußball aber grundsätzlich natürlich auch niemals nie sagen. Nach so einer langen Zusammenarbeit zählt für mich ohnehin das gesprochene Wort mehr als das, was auf dem Papier steht. Aber all diese Konjunktive interessieren mich nicht, weil wir die Klasse halten werden!

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