Frank Schmidt: Zwei Busse vorm Tor parken werden wir nicht
Es ist auch für Sie als Trainer die erste Vorbereitung auf eine Bundesligasaison – was ist beim FCH in diesem Jahr anders?
Das Fußballspiel ist ja das gleiche, nur die Gegner sind andere. Die Bundesliga wird uns vor neue Aufgaben stellen. Ein Beispiel: Das Tempo wird höher, der Raum- und Zeitdruck wird größer. Wenn wir zu früh die Bälle verlieren, ist es natürlich schlecht. Also versuchen wir, unsere Ballbesitzzeiten zu optimieren. Ohne dabei aber unsere Stärke, das Umschalten, zu vernachlässigen. Das ist die große Herausforderung. Wir trainieren in kleineren Räumen unter mehr Zeitdruck. Und wir variieren das Training dieses Jahr. Das hat auch damit zu tun, dass die Fitnessdaten so gut sind wie noch nie. Deshalb müssen wir nicht noch zusätzlich im athletischen Bereich arbeiten, das integrieren wir ins Mannschaftstraining.
Kann der FCH im Oberhaus ebenso wie in der 2. Liga in Sachen Fitness punkten?
Wir sind in der vergangenen Saison mehr gelaufen als jeder Bundesligist, in dem Bereich müssen wir uns nicht verstecken. Wir hatten mit über 8000 auch die meisten Sprints, der beste Verein in der Bundesliga kommt hier aber auf über 9000.
Muss dabei auch die Taktik umstellt werden?
Die vergangenen Jahre waren erfolgreich, wir haben immer über 50 Punkte geholt, sind mit 67 Punkten Zweitligameister geworden. Man könnte sagen: Wir machen einfach so weiter, das wird schon reichen. Aber das reicht nicht! Es kommen Gegner auf uns zu, bei denen wir wissen: Die sind einfach besser, die verlangen uns viel mehr ab.
Hört sich ein bisschen nach „erst einmal hinten dicht machen“ an.
Auch wenn wir als Abstiegskandidat Nummer eins oder zwei gelten, wollen wir eines in der Bundesliga nicht machen: Nämlich zu sagen, jetzt müssen wir uns auf jeden Fall hinten rein stellen. Ein Abwehrpressing wird es jedenfalls unter meiner Regie nicht geben. Wir wollen unseren Fußball weiterentwickeln und uns treu bleiben. Vermutlich mit der ein oder anderen blutigen Nase mehr – aber die Nase kann man richten.
Also nicht in Ehrfrucht erstarren…
Mein Lieblingsspruch ist ja: Sich vom Kopf her nicht beschränken. Sonst wären wir auch nicht aufgestiegen. Die Worte Mut und Selbstvertrauen fallen oft bei uns. Das ist der Optimismus. Aber: Auch wenn wir unsere beste Leistung bringen, wird es nicht immer reichen. Wir treffen auf übermächtige Gegner, die im zweistelligen Millionenbereich investiert haben. Das ist der Realismus. Was es nicht gibt, ist Pessimismus. Zwei Busse vor dem Tor parken werden wir nicht.
So wie man Sie kennt, glauben Sie fest an den Klassenerhalt.
Man muss immer sehen: Heidenheim in der Bundesliga ist das Außergewöhnliche – gerade wenn man sieht, wer in der 2. und 3. Liga spielt. In der Bundesliga über 34 Spieltage so zu bestehen, dass wir überm Strich stehen, das wäre die noch größere Sensation als Meistertitel und Aufstieg. Und trotzdem – da kommt wieder der Optimist durch – glaube ich daran.
Wie stellt man beispielsweise Innenverteidiger auf Duelle mit internationalen Topstars ein, die im Dribbling ein ganz anderes Niveau haben als man bisher erleben durfte?
Zunächst einmal müssen wir sie über das Training dahin bekommen, dass sie selbst eine große Überzeugung haben, sich trauen, in solche Duelle zu gehen. Aber noch wichtiger ist für uns: Wir müssen das als Mannschaft betrachten. Wenn wir alles im Eins-gegen-eins gegenüberstellen, dann haben wir keine Chance. Und das betrifft sämtliche Bereiche: Etat, Bedingungen, Größe der Stadien und damit auch Fan-Unterstützung, individuelle Qualität. Es gibt viele Vereine, mit denen können wir nicht in Konkurrenz treten können, so ehrlich muss man sein. Also bedeutet das für uns: Das Kollektiv muss viele Dinge auffangen, muss sich dagegen stellen.
Stehen derzeit alle Spieler zur Verfügung?
Stefan Schimmer war krank, trainiert jetzt aber wieder trainiert und Denis Thomalla ist jetzt zum Ende des Trainingslagers ebenfalls krank gewesen. Wenn man überlegt, was wir alles trainiert haben, ist das wirklich gut. Nicht vergessen möchte ich natürlich Elidon Qenaj, der nochmals operiert werden musste und sich jetzt wieder in der Reha befindet.
Wie ist der Stand nach vier Wochen Vorbereitung und zwei Trainingslagern?
Insgesamt positiv, aber ich sehe noch genügend Dinge, die wir verbessern müssen. Im Test gegen Empoli hat man beispielsweise gesehen, was passiert, sobald du den roten Faden verlierst. Ich weiß, dass wir uns noch stabilisieren müssen. Die Fehlerquote muss geringer werden, das wird in der Bundesliga ganz anders bestraft. Aber: Das Positive überwiegt.
Auch was die Neuzugänge betrifft?
Alle sind engagiert, man sieht die Entwicklung. Manche sind weiter, andere müssen die Konkurrenzsituation noch mehr annehmen. Aber ich möchte das noch nicht abschließend beurteilen. Entscheidend war für mich, dass wir frisches Blut bekommen, dass die Konkurrenzsituation höher wird, dass wir Spieler bekommen, die eine Stammformation noch stärker machen.
Und wer könnte in dieser Stammformation rücken?
Ohne Namen zu nennen: Eineinhalb bis zwei sind eng dran, bei den anderen muss man noch sehen.
Wird sich jetzt noch etwas im Kader verändern?
Wir haben in der Offensive viele Optionen, vielleicht zu viele, da werde ich Spieler enttäuschen müssen. Wenn wir noch Bedarf haben, dann in der Defensive.
Ernsthafte Befürchtungen, dass Leistungsträger noch gehen, gibt es aber nicht?
Nein, alle haben Vertrag, alle Leistungsträger sollen bleiben. Da gibt es für mich keine Fragezeichen mehr. Aber dass sich der ein oder andere Spieler im Kader noch verändern will, weil für ihn hier die Chancen eher gering sind, möchte ich nicht ausschließen. Das muss jeder Spieler für sich beurteilen.
Es hat sich im Umfeld einiges verändert, ein Medieninteresse in dieser Art ist sicher auch eine Herausforderung für euch?
Was medial gerade passiert, ist unglaublich. Bisher konnten wir immer fern von Beobachtung unser Ding durchziehen, das ist jetzt nicht mehr möglich. Aber das war uns klar und alles was wir im Sportlichen machen, bekommen wir gut hin. Ich glaube, dass auch die Stadt und die Region von diesem Interesse sehr profitieren.
Wird das auch beim Interesse der Fans deutlich?
Ich denke, auch eine ausgebaute Voith-Arena wäre immer voll. Man muss nur sehen: 9000 Dauerkarten waren nach drei Stunden weg. An dem Montag, an dem es los ging , sind wir um 12 Uhr zum Mittagessen, da war die Schlange immer noch lang und Menschen kamen trauernd ins Albstüble, weil sie keine Dauerkarte mehr bekommen haben. Ich habe Briefe bekommen, Leute haben bei mir zu Hause geklingelt. Aber ich kann da auch nichts machen. Erstens bin ich keine Vorverkaufsstelle, zweitens hatten eben FCH-Mitglieder und die bisherigen Dauerkarteninhaber das Vorkaufsrecht.
Der Aufstieg war eine Sensation, die Art und Weise auch. Daran sollte man aber wohl keine Gedanken mehr verschwenden?
Wenn wir da noch in Erinnerungen schwelgen, holt uns das ganz schnell ein. So schön es war. Das wird etwas für die Ewigkeit bleiben, davon wird man in Heidenheim noch in Generationen sprechen. Aber eine unserer Stärken ist es, den Fokus auf das zu legen, was du beeinflussen kannst. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass in der Mannschaft groß drüber gesprochen wird.
Ist es dem Trainer möglich, den Blick weiter zu richten, zu überlegen, wo der FCH in vier, fünf Jahren steht?
Das habe ich nur insofern gemacht, dass mit mir ganz klar die Zielsetzung bis zu meinem Vertragsende 2027 abgesteckt war. Und die lautete: Etablierter Zweitligist, Transfererlöse erzielen, neue Spieler entwickeln. Jetzt haben wir aber etwas geschafft, was so nicht eingeplant war und im ersten Moment auch nicht realistisch war.
Für mich gilt es jetzt, kurzfristig zu denken. Was können wir tun, um in dieser 1. Liga so viele Punkte zu holen, dass es uns vergönnt ist, dort länger zu spielen. Alles andere muss untergeordnet werden.. Wir wissen nicht, was uns erwartet, wir haben noch nie 1. Liga gespielt, ich habe noch nie 1. Liga trainiert. Aber jetzt zu überlegen: Was ist wenn wir wieder absteigen? Das macht für mich als Trainer keinen Sinn und raubt nur unnötig Energie.
Bewährtes Kapitänstrio
Knapp zwei Wochen vor dem Pflichtspielauftakt im DFB-Pokal am 13. August (13 Uhr) beim Rostocker FC ) steht fest: Auch in der Saison 2023/24 heißt der Kapitän beim 1. FC Heidenheim Patrick Mainka. Der 28-jährige Innenverteidiger, der in seine dritte Amtszeit als Kapitän geht, wurde von Frank Schmidt ebenso berufen wie die beiden Stellvertreter Tim Kleindienst und Norman Theuerkauf.
„Unser Kapitäns-Trio, das die Mannschaft schon beim Aufstieg angeführt hat, verfügt über unheimlich viel Erfahrung und hat unsere Werte, für die wir beim FCH stehen, seit Jahren absolut verinnerlicht. All das wird bei den neuen Herausforderungen wichtig sein, die in unserer ersten Bundesliga-Saison auf uns zukommen werden. Ich freue mich umso mehr, dass alle drei Spieler diese Verantwortung weiter übernehmen wollen“, erklärt FCH Cheftrainer dazu. Mitglied im von den FCH Profis gewählten Mannschaftsrat bleiben die beiden langjährigen Torhüter Kevin Müller und Vitus Eicher.