Jede Serie hat mal ein Ende: Nach fünf Bundesligaspielen mit jeweils einem Treffer blieb Tim Kleindienst bei der 0:3-Niederlage gegen den FC Augsburg torlos. Im Mittelpunkt stand der Angreifer von Borussia Mönchengladbach nach der Partie aber trotzdem. In den sozialen Medien setzte er eine Nachricht ab und bemängelte den Umstand, dass zahlreiche Fans angesichts der sich anbahnenden Niederlage frühzeitig das Gladbacher Stadion verlassen hatten. „Das haben wir als Mannschaft, selbst bei so einer Leistung, meiner Meinung nach nicht verdient“, schrieb Kleindienst bei „Instagram“.
Das haben wir als Mannschaft, selbst bei so einer Leistung, meiner Meinung nach nicht verdient.
Tim Kleindienst, Stürmer bei Borussia Mönchengladbach
Mit seiner Meinung stand er nicht allein da: Fast 15.000 Nutzer der Plattform versahen den Beitrag mit einem zustimmenden „Like“. Und in den Kommentaren wurde er für seine Aussage gefeiert. Die Botschaften reichten von „Er hat so recht“ bis „Kleindienst als Kapitän“. Ein Fan lehnte sich weit aus dem Fenster und forderte: „Tim Kleindienst Bundeskanzler“.
Die Rolle des Regierungschefs mag etwas hoch gegriffen sein, die Bezeichnung als Chef der Kabine hat sich Kleindienst binnen weniger Monate aber verdient. Der Angreifer ist seit seinem Wechsel zur Borussia im vergangenen Sommer zur absoluten Identifikationsfigur aufgestiegen. Auch an diesem Samstag, 1. März, werden in der Voith-Arena alle Augen auf die Nummer 11 der Borussia gerichtet sein, wenn Tim Kleindienst erstmals seit seinem Abschied als Spieler nach Heidenheim zurückkehrt. Dem beeindruckenden Start am Niederrhein steht ein großer Schatten gegenüber, den der Publikumsliebling beim FCH hinterlassen hat.
Tim hat genau die Erwartungen erfüllt, die wir an ihn hatten. ein super Stürmer, aber auch ein super Typ.
Rolan Virkus, Borussia-Sportchef
Jetzt schon treffsicherer als beim 1. FC Heidenheim
Mit seiner beendeten Serie bescherte Tim Kleindienst den Gladbachern nicht nur wichtige Punkte, er steigerte sein Torekonto auf bereits 14 Tore – und damit eines mehr als in der gesamten Vorsaison beim FCH. Zusammen mit seinen sechs Vorlagen kommt er auf insgesamt 20 Torbeteiligungen und ist die offensive Lebensversicherung des Tabellenneunten. Sein Anteil an allen 35 Gladbacher Treffern liegt mit 57 Prozent so hoch wie bei keinem anderen Bundesligaspieler. „Tim hat genau die Erwartungen erfüllt, die wir an ihn hatten. Ein super Stürmer, aber auch ein super Typ“, lobte Borussia-Sportchef Roland Virkus seinen Torgaranten im Fußballtalk Doppelpass.

Garantierte Tore gab es bei den Heidenheimern in dieser Saison keine: Die gesamte Offensivabteilung mit Marvin Pieringer (fünf Tore), Mathias Honsak (vier), Leo Scienza (drei) und Maximilian Breunig (zwei) kommt gemeinsam auf die Ausbeute des besten deutschen Angreifers. Angesichts der 47 Gegentreffer – nur Holstein Kiel kassierte mehr – bräuchte der FCH noch einen Tim Kleindienst zusätzlich, um annähernd auf ein ausgeglichenes Torverhältnis zu kommen.
Fixpunkt in der deutschen Nationalmannschaft
Dank des reibungslosen Starts in Mönchengladbach folgte der steile Aufstieg im Nationaltrikot. Dabei wurde Kleindienst aber auch zum Nutznießer. Weil mit Niclas Füllkrug der Mittelstürmer Nummer eins fehlte – und weiterhin fehlt – kam Tim Kleindienst im Oktober letzten Jahres nicht nur zu seinem Debüt für die deutsche Nationalmannschaft, er stand in drei seiner vier Einsätze in der Startelf. Mit seinen beiden Treffern im Nations-League-Heimspiel gegen Bosnien und Herzegowina schoss sich Kleindienst vollends in die Herzen der deutschen Fans. Und wenn Trainer Julian Nagelsmann im März sein Aufgebot für die beiden Länderspiele gegen Italien bekannt gibt, dürfte eine Nominierung des Gladbachers eine gefühlte Selbstverständlichkeit sein.
Bei mir ist aktuell bei jeder Berufung zu Hause noch Party angesagt.
Stürmer bei Borrusia Mönchengladbach
Als selbstverständlich sieht Kleindienst eine erneute Berufung nicht an. Dass er im Herbst erstmals eingeladen wurde, sei nur wegen der Verletzung seines Konkurrenten geschehen, so Kleindienst, der sich beim Thema DFB-Auswahl keinen Druck machen will. „Wenn ich das täte, würde ich verkopfen und könnte die Lehrgänge bei der Nationalelf nicht mehr genießen“, sagte Kleindienst jüngst im Interview mit der Zeitschrift 11 Freunde. „Bei mir ist aktuell bei jeder Berufung zu Hause noch Party angesagt.“
Starke Werte und starke Worte: Kleindienst wurde schnell zum Gesicht von Borussia Mönchengladbach
Seine erste Chance bei der Nationalmannschaft und seine mediale Präsenz gehen aber nicht nur auf seine Auftritte seit Saisonbeginn zurück. Trotz des Wechsels ins Rheinland ist seine Verbundenheit zum Schlossberg noch da und die Dankbarkeit groß. Die Ruhe und das Vertrauen in Heidenheim nach seinem missglückten Wechsel nach Belgien seien die Grundlage für seine Entwicklung und den Startpunkt für seinen kometenhaften Aufstieg in dieser Saison gewesen. Deshalb hob er Frank Schmidt als wichtigsten Trainer seiner Karriere hervor. „Zweifellos. Er gab mir die Sicherheit“, so Kleindienst.

Mit der Sicherheit und dem Glauben an seine Fähigkeiten hat sich der 29-Jährige – wie schon beim FCH – zum absoluten Führungsspieler entwickelt. „Er hat einen immensen Impact auf die Mannschaft, nicht nur was die Torquote angeht. Er arbeitet immens gegen den Ball, zieht die Jungs im Anlaufen mit“, betonte Roland Virkus. Und auch am Mikrofon ist Kleindienst nicht nur wegen seiner Tore Dauergast. Seine Worte haben Gewicht bei den Gladbachern, die in ihrem Mannschaftsgefüge in den vergangenen Jahren mit Lars Stindl, Tony Jantschke und Christoph Kramer wichtige Gesichter des Vereins verloren haben. „Tim kann wieder so ein Gesicht werden, und er ist es momentan“, so Virkus.
Er hat einen immensen Impact auf die Mannschaft, nicht nur was die Torquote angeht. Er arbeitet immens gegen den Ball, zieht die Jungs im Anlaufen mit.
Rolan Virkus, Borussia-Sportchef
Bei seiner Rückkehr auf den Schlossberg werden ihn auch viele Heidenheimer Fans freundlich begrüßen. Und sollte Kleindienst – anders als im Hinspiel, als er beim 3:2-Sieg der Borussia doppelt traf – torlos bleiben, wäre die Wiedersehensfreude sicherlich noch ein bisschen größer.