Bei der Bundesliga-Aufstiegsfeier des 1. FC Heidenheim in der Voith-Arena war Florian Krebs mittendrin. Als DJ heizte der 36-Jährige Fans, Spielern und Verantwortlichen des FCH musikalisch ein. Auch Frank Schmidt versuchte sich an den Turntables. Es war fast schon wie in guten alten Zeiten. „Wir haben schon früher teilweise zusammen aufgelegt“, sagt Krebs über den FCH-Trainer und schiebt nach: „Als man noch unterwegs sein konnte.“
Krebs hatte schon als Spieler des FCH (Juli 2009 bis Januar 2014) die Aufstiegsfeier in die 2. Liga miterlebt. „Es hat mich damals sehr gefreut, dass der FCH mich eingeladen hatte. Ich hatte in der Hinrunde der Saison sieben Einsätze. Auf dem Papier bin ich Zweitligaaufsteiger. Aber ehrlich gesagt, fühle ich mich nicht so. Wenn jemand mich fragen würde: Bist du in die 2. Liga aufgestiegen?, würde ich sagen: Nein.“
Ich hatte aber diese innere Unruhe in mir. Jetzt bin glücklicher als zu meiner aktiven Zeit.
Florian Krebs
Der frühere Innenverteidiger sagt das ohne Wehmut. „Ich hatte eine wunderschöne Zeit, als ich in Heidenheim und später in Ulm war. Rückwirkend kann ich aber sagen: Als ich nach meiner Karriere mein Studium begonnen und als ich es abgeschlossen hatte, war ich wesentlich ruhender in mir und wesentlich glücklicher als zu der Zeit, in der ich nur Fußball gespielt hatte und in Anführungsstrichen viel Zeit und auch kein schlechtes Gehalt hatte. Ich hatte aber diese innere Unruhe in mir. Jetzt bin glücklicher als zu meiner aktiven Zeit.“
Mit 19 Jahren kam Florian Krebs zum 1. FC Heidenheim, der damals gerade in die 3. Liga aufgestiegen war. Die Unterschrift unter seinen Vertrag setzte der „Sunnyboy im weißen Hemd“, wie Krebs beim Blick auf das entsprechende Foto aus dem HZ-Archiv scherzhaft anmerkt, in der schlichten Geschäftsstelle des HSB. „Viele hatten mich damals gefragt: Was willst du in Heidenheim? Ich hatte aber ein gutes Gefühl und habe gespürt: Das sind Leute, die brennen für die Sache. Und Schnatti war ein Jahr zuvor zum FCH gewechselt.“ Die Wege von Marc Schnatterer, später Kapitän des FCH, und Florian Krebs hatten sich beim Karlsruher SC II gekreuzt.
In Heidenheim zählte Krebs ab dem 11. Spieltag der Saison 2009/10 zur Startelf, in der er in der Innenverteidigung neben Tim Göhlert auflief. Und er war DJ – teilweise mit Andreas Spann zusammen. „Ich war nicht der beste Fußballer, auch nicht der schnellste. Aber ich war ein absoluter Teamplayer, habe mich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt und habe mich darum gekümmert, dass das Mannschaftsklima passt, habe zum Beispiel Wiesn- und Wasen-Besuche organisiert. Das sind teilweise weiche Faktoren, die aber ganz wichtig sind, um als Team final erfolgreich zu sein“, erklärt Krebs. „Meine wahre Stärke ist es, Menschen miteinander zu verbinden, sie zu pushen, andere besser zu machen. Heute kann ich sagen: All das, ins normale Berufsleben transferiert, bringt mich wesentlich weiter als ein starker linker Fuß oder ein guter Antritt.“
Sportlich betrachtet kam Krebs in der Rückrunde der darauffolgenden und der Vorrunde der übernächsten Saison kaum mehr zum Einsatz, kämpfte sich aber zurück und war ab dem 18. Spieltag der Drittligasaison 2011/12 wieder in der Startelf. In der Spielzeit 2012/13 durfte er in 15 Spielen von Beginn an ran. Bis die Hinrunde der Saison 2013/14 kam.
Die Verantwortlichen des FCH teilten Krebs mit, dass er nur noch wenig Chancen haben werde, zu spielen. „Das war schon hart“, räumt er ein, schiebt aber nach: „Mir wurde die Situation ganz klar aufgezeigt. Ich hätte auch bleiben können, musste aber damit rechnen, dass ich Innenverteidiger vier oder fünf bin.“
So etwas gibt es im normalen Berufsleben selten. Dieses Auf und Ab und Wechsel von Ortschaften und Lebensräumen.
Florian Krebs über das Leben als Fußballprofi
Was also tun? 24 Stunden vor Ende der betreffenden Winter-Wechselperiode bekam Krebs einen Anruf von Maik Walpurgis, damals Trainer des Heidenheimer Ligakonkurrenten VfL Osnabrück. „Es sagte, dass sie einen Innenverteidiger brauchen. Ich musste über Nacht überlegen, ob ich es machen will, und falls ja, am nächsten Tag nach Osnabrück fahren, um einen Vertrag zu unterschreiben. So etwas gibt es im normalen Berufsleben selten. Dieses Auf und Ab und Wechsel von Ortschaften und Lebensräumen“, hat Krebs einen durchaus distanzierten Blick aufs Fußballgeschäft. „Was man als Fußballer in zehn Jahren mitmacht, ist im normalen Berufsleben gefühlt von Ausbildungsbeginn bis zur Rente. Dieses Kurzlebige, Woche für Woche. Heute ist man der Held, morgen der Depp. Mal stehst du vier Spiele in der Startelf und es heißt von Vereinsseite: Wir wollen mit dir den Vertrag verlängern. Dann ist man verletzt und der Vertrag wird doch nicht verlängert.“
Florian Krebs entschied sich für einen Wechsel nach Osnabrück. Doch so einfach ist es nicht, schließlich war er nicht allein. Krebs kommt aus dem Landkreis Germersheim in Rheinland-Pfalz, genauer gesagt aus der Ortsgemeinde Leimersheim, direkt am Rhein. Seine Frau Sara (damals Freundin) stammt aus der Ortschaft Rülzheim, vier Kilometer entfernt. Sie kennen sich seit der sechsten Klasse und hatten zusammen Abitur am Pamina-Schulzentrum Herxheim gemacht. Schon beim Wechsel von Karlsruhe nach Heidenheim musste doppelt geplant werden. „Es war eine glückliche Fügung. Sara hatte sich bei drei, vier Unis beworben und wurde in Ulm angenommen (Wirtschaftswissenschaften). Also konnten wir zusammen in die Region kommen“, sagt Florian Krebs.
Florian Krebs mit dem VfL Osnabrück gegen den 1. FC Heidenheim
Im Winter 2014 gab’s somit wieder nicht nur den sportlichen Wechsel, dieses Mal von Heidenheim nach Osnabrück. Knapp ein Dreivierteljahr später folgte Sara Florian Krebs nach Osnabrück. Und es kam zum Aufeinandertreffen mit dem FCH, der am vorletzten Spieltag in Osnabrück zu Gast war. Krebs wurde erst in der Schlussviertelstunde eingewechselt. „Ich wollte denen schon zeigen, dass es ein Fehler war, dass sie mich haben gehen lassen“, gesteht er.
Beim VfL hatte Krebs insgesamt betrachtet keine leichte Zeit und kam in einer halben Saison nur auf sechs Einsätze (drei von Beginn an). „Ich bin dort nicht so angekommen, wie ich es mir erhofft hatte.“ Neben Rückenproblemen zog sich Krebs auch einen Bänderriss zu und fiel sechs Wochen aus. „Im ersten Training nach der Verletzungspause hat mir der Trainer mitgeteilt, dass er nächste Saison nicht mehr mit mir plant“, beschreibt er den harten Alltag eines Profis.
Schon drei Tage später ging es für ihn ins Probetraining beim Halleschen FC, es folgte ein weiterer Wechsel. In Halle wollte er noch einmal angreifen. Aber: „Da bin ich mental ein Stück weit in ein Loch gefallen, war ein Stück weit am Boden.“ Die Umzüge waren auch für die Beziehung eine Herausforderung. „Sara lebte in Osnabrück, ich in Halle. Ich habe sie besucht, sie mich. Zwischenzeitlich zog sie in unsere Heimat nach Karlsruhe. Es ist einfach so: In den wenigsten Fällen gibt es in der Fußballwelt diese Frank-Schmidt-Modelle, in denen Trainer oder Spieler sehr viele Jahre bei einem Verein sind oder sogar noch im eigenen Wohnort leben.“
Sollte er es noch ein weiteres Mal probieren? Diese Frage stellte sich für Florian Krebs nach seinem Engagement beim Halleschen FC. „Als Fußballer, gerade in der 3. Liga, ist man in einer Art halbprofessionellem Bereich. Man verdient kein schlechtes Geld, aber man ist nicht im Millionengeschäft unterwegs. Dann muss man immer abwägen: die Umzüge, die Wechsel, das Scheitern – steht das noch im Verhältnis zu dem, was man gibt und was man bekommt? Erfüllt mich das noch?“, beschreibt Krebs seine Gedankengänge.
Ich habe zur richtigen Zeit den Absprung geschafft und mein Berufsleben in die richtigen Bahnen gelenkt.
Florian Krebs
Für ihn war daher schnell klar: „Ich möchte, auch beruflich, sesshaft werden, eine Familie gründen und nicht alle zwei Jahre woanders sein. Als Fußballprofi muss man ja flexibel sein.“ Nach viereinhalb schönen Profijahren, wie Krebs im Hinblick auf seine Zeit beim FCH sagt, beendete er im Sommer 2015 seine Laufbahn als Profi. „Ich habe zur richtigen Zeit den Absprung geschafft und mein Berufsleben in die richtigen Bahnen gelenkt“, sagt Krebs voller Überzeugung.
Der Entschluss stand fest: Es sollte zurück in die Wahlheimat gehen. „Meine Frau hatte in Ulm studiert, ich hatte eine wunderschöne Zeit in Heidenheim.“ Krebs begann ein Duales Studium im Bereich Betriebswirtschaftslehre/Industrie und fing zugleich bei der Firma Schwenk an. „Das war meine Priorität“, betont er. Parallel aber konnte er auch weiter Fußball spielen, beim damaligen Oberligisten SSV Ulm (erst nachdem Studium und Arbeitgeber feststanden, unterschrieb er beim SSV). „Mit Schwenk hatte ich eine super Firma gefunden, die Fußball verstanden hat und mich dahingehend sehr unterstützt hat. Aber, immer wenn ich die Wahl hatte zwischen zum Kicken gehen und ein Buch zu lesen, habe ich mich immer fürs Letztere entschieden. Mir war es wichtig, mit 30 ein abgeschlossenes Studium oder eine Ausbildung zu haben. Ich wollte keiner von denen sein, die irgendwann mal die Fußballschuhe an den Nagel hängen und dann denken: Was mache ich jetzt?“
Letztlich konnte er weiterhin kicken und somit seiner Leidenschaft nachgehen und zusätzlich das duale Studium machen. Florian Krebs streicht aber heraus, wie unterschiedlich beide Bereiche sind: „Fußball ist schon ein oberflächliches Geschäft. Da hat man schon auch Kumpels und Freunde, aber die Themen, über die man sich unterhält, sind ganz andere, als die ich im Studium mit den Kommilitonen hatte oder jetzt im Unternehmen habe. Nach der Uni ins Training zu kommen, da habe ich schon gedacht: Oha, jetzt läuft’s anders“, sagt er – und lacht.
Und wie ist das Image eines Fußballers? „In Bezug auf das Arbeitsleben nicht so positiv. Einige dachten sicherlich, da kommt jetzt einer, der macht ein Studium, kickt und kommt, wie er will. Ich musste hier und da schon zeigen, dass mein Fokus auf dem Studium liegt. Aber es hat sehr gut funktioniert.“
Das macht Florian Krebs bei der Firma Schwenk
Krebs arbeitet bei Schwenk im Vertriebsinnendienst und ist für klassische Vertriebstätigkeiten in Zuarbeit zum Außendienst zuständig. An zwei Tagen in der Woche geht der 36-Jährige dem klassischen Tagesgeschäft nach (Reklamationen bearbeiten, Preisanlagen tätigen, Kontakt mit dem Außendienst, Kontakt zu Kunden, Bürotätigkeit, Sachbearbeitung). An den anderen drei Tagen ist er Teil eines Projekts, in dem er sich um System- und Prozessoptimierung im Vertrieb kümmert.
Mittlerweile spielt Florian Krebs nicht mehr leistungsbezogen Fußball und zählt auf: Rückenprobleme, Leistenprobleme, Sprunggelenksprobleme, Probleme mit Patella. Aber er läuft gerne in der Traditionsmannschaft des FCH auf.
Und einen Aufstieg gab’s mit dem SSV Ulm. Gleich in der ersten Oberligasaison feierten die „Spatzen“ den Einzug in die Regionalliga. „Wir hatten ja eine super Truppe mit Spielern wie Alper Bagceci oder Tim Göhlert, die auch noch in der 3. Liga gespielt hatten. Den Aufstieg hätte es nicht unbedingt gebraucht, aber man ist ja doch Sportler und will maximalen Erfolg“, so Krebs, der auch SSV-Kapitän war und mit Ulm im DFB-Pokal antrat.
Mittlerweile übernimmt er Verantwortung hinter den Kulissen und ist Sportlicher Leiter beim TSV Langenau, dem Fußballverein in dem Ort, in dem er mit seiner Frau Sara und Töchterchen Lea lebt. „Ich bin also nicht ganz vom Fußball weg“, sagt er – und lächelt. Ob er eines Tages Trainer wird wie viele ehemalige Profis? „Vielleicht im Jugendbereich“, so Krebs.
Familie, bodenständiger Beruf – gibt’s einen wehmütigen Blick zurück? „Nein, ich habe keine Gedanken nach dem Motto: Hätte ich doch noch mal. Mit der Zeit als Fußballprofi habe ich komplett abschließen können. Der Fußball hat mich sieben Jahre glücklich gemacht, ich bin während dieser Zeit auch durch ein Tal der Tränen gegangen. Ich bin nicht böse deswegen. Im Gegenteil, im Nachhinein bin ich glücklich, dass es mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin.“
Florian Krebs: achtmal den WFV-Pokal gewonnen
Für den 1. FC Heidenheim hat Florian Krebs 103 Spiele in der 3. Liga bestritten, dazu kommen vier Einsätze im DFB-Pokal (und zwei in der zweiten Mannschaft in der Oberliga). Der Innenverteidiger erzielte vier Tore und bereitete zwei direkt vor.
Florian Krebs ist zudem Seriensieger im WFV-Pokal. Den Wettbewerb des Fußballverbandes Württemberg gewann er achtmal. Jeweils viermal mit dem FCH und viermal mit dem SSV Ulm. „Die einen sagen, du bist der Heidenheimer, andere sagen, du bist der Ulmer. Das ist nicht einfach in der Region. Ich sage: Ich bin nach wie vor FCH- und Ulm-Sympathisant“, so Krebs.
Am stolzesten ist er auf seinen Elfmeter im DFB-Pokal im Oktober 2011gegen Borussia Mönchengladbach gegen Torhüter Marc-André ter Stegen, den er verwandelt hat. Krebs war extra wegen des anstehenden Elfmeterschießens eingewechselt worden. Der FCH musste sich dennoch mit 3:4 im Elfmeterschießen geschlagen geben (nach Verlängerung hatte es 0:0 gestanden).