Der Wahnsinn wiederholt sich: Der 1. FC Heidenheim ringt dem achtfachen deutschen Meister Borussia Dortmund ein Unentschieden ab. Ist nicht das nicht eine Sensation? Ist es nach dem Spielverlauf nicht. Beim 0:0 bewegte sich der FCH über 90 Minuten auf Augenhöhe mit dem Topklub aus dem Ruhrgebiet und war dem Sieg sogar näher als die Gäste. „Wir müssen uns vor Augen führen, wer hier heute war, das war mit Borussia Dortmund ein Champions-League-Teilnehmer. Deshalb muss man da immer von einem gewonnenen Punkt sprechen“, sagte Kapitän Patrick Mainka. Bei dem Abwehrchef folgte – wie bei weiteren FCH-Spielern - nach der ersten Einschätzung ein „aber“.
„Für die Stimmung ist es gut, dass du nicht verloren hast, aber wir müssen auch wieder ein Ergebnis setzten“, sagte Mainka und fügt an: „Bei drei Punkten ist die Stimmung noch besser.“ Das stellt sich die zweite Frage: Heben die Heidenheimer jetzt ab? Damit solche Gedanken gar nicht aufkommen, trat Frank Schmidt trat mit seinen Worten bei der Pressekonferenz auf die Bremse. „Wir dürfen nicht so vermessen sein und davon zu reden, dass wir uns grämen, das Spiel nicht gewonnen zu haben.“ Damit schließt sich die dritte Frage an. Wer hat nun recht? Beide. Eine gewisse Euphorie darf bei den Heidenheimern aufkommen. Aber nicht wegen eines Punktgewinns gegen den BVB, sondern weil das Remis eine weitere Etappe auf dem erfolgreichen Weg durch die Bundesliga bedeutet, was diese drei Erkenntnisse unterstreichen:
1. Auch gegen die Großen in der Bundesliga klappt es
Im ersten Aufeinandertreffen mit Borussia Dortmund war dem FCH der Respekt vor dem Gegner vor allem in der ersten Halbzeit. Diesen hat der Aufsteiger nicht gänzlich abgelegt. Der Glaube daran, auch gegen die Topteams zu bestehen, ist aber deutlich gewachsen. Lagen die Heidenheimer in Dortmund bereits früh mit 0:2 zurück, bot das Rückspiel den Gegenentwurf. In der ersten halben Stunde war der FCH die tonangebende Mannschaft in der Voith-Arena, Tim Kleindienst hätte die Gastgeber gleich zweimal in Führung schießen können. Stefan Schimmer fehlten in der Nachspielzeit nur einige Zentimeter für den Siegtreffer. Und zittern musste der FCH nur ein paar Momente, bis Schiedsrichter Bastian Dankert den Führungstreffer des BVB wegen einer Abseitsstellung von Donyell Malen wieder einkassierte.
Die Wiederholung des Remis hat bewiesen, dass der erste Punktgewinn gegen die Borussia kein Zufall war. Nach dem 2:0-Heimspiel gegen den VfB Stuttgart und dem 2:2 im Hinspiel beim BVB gelang es nun zum dritten Mal, gegen eine Mannschaft aus den Top-5 der Liga zu punkten.
2. Die Null steht beim 1. FC Heidenheim nicht zufällig
Natürlich hatte auch Torhüter Kevin Müller seinen Anteil daran, dass der FCH zum fünften Mal ohne Gegentor blieb. Wie schon in den Spielen zuvor schaffte es FCH, dem Gegner seine Offensivstärke weitgehend zu nehmen. Abgesehen von dem Abseitstreffer blieb ein Distanzschuss von Niclas Füllkrug das gefährlichste, was in Richtung des Heidenheimer Tores flog. Durch eine geschlossene Defensivarbeit und eine gute Raumbesetzung habe der FCH den BVB am Freitagabend in Schach gehalten, erklärte Mittelfeldspieler Jan Schöppner. „Wir haben es mutig verteidigt und es war jeder für jeden da, das zeichnet uns gegen die großen Mannschaften aus“, sagte er.
3. Die Ausschläge nach unten bleiben beim Bundesliga-Aufsteiger aus
Vielleicht haben die FCH-Spieler bei den Eigenheiten der Jahreszeiten nicht so ganz aufgepasst. Vom Gefühl eines Winterschlafs ist die Schmidt-Elf meilenweit entfernt. Doch während Eichhörnchen und andere Nager sich ihre Fettpolster und Futterlager im Sommer und Herbst füllen, macht das der Aufsteiger in den kalten Monaten. Die 24 Punkte nach 20 Spielen sorgen dafür, dass in den kalten Wintertagen keine trübe Stimmung aufkommt. Trotzdem drücken die Heidenheimer nach nun vier Unentschieden in Serie weiter aufs Tempo. „Es sind gemischte Gefühle, man nimmt einen Punkt mit – aber nur einen Punkt“, sagte Jan Schöppner, „Es wird Zeit, dass wir uns mal wieder vornehmen, einen Dreier einzufahren.“ Noch klarer wurde Kapitän Patrick Mainka: „Nur Unentschieden helfen uns nicht weiter, wir müssen die nötigen Punkte für den Klassenerhalt sammeln, deswegen wäre ein Sieg mal wieder wichtig.“
Die Lust auf das Siegen kommt wohl auch daher, dass das Gefühl des Verlierens schon länger nicht ertragen werden musste. Der letzte punktlose Auftritt des FCH datiert von 2. Dezember, als beim 1:2 gegen den RB Leipzig. Die Konstanz zeigt der FCH dabei vor allem zu Hause, nur zwei von zehn Spielen auf dem Schlossberg hat der Bundesliga-Aufsteiger in dieser Saison verloren. Dadurch wächst nicht nur das Punktkonto, sondern auch das Selbstbewusstsein weiter.
Vielleicht klappt der erhoffte Sieg ja schon im Auswärtsspiel bei Werder Bremen an diesem Samstag, 10. Februar (15.30 Uhr). FCH-Torhüter Kevin Müller will an der Weser zumindest die Serie von sieben Partien ohne Niederlage fortsetzen: „Für uns ist wichtig, kontinuierlich zu punkten, da dies immer etwas Rückenwind gibt.“ Aus den Aussagen des Keepers lässt sich schließen, dass die Gefahr, der FCH könnte abheben, nicht gerade groß ist. „Klar wäre ein Dreier auch mal wieder schön“, sagte der 32-Jährige mit dem Zusatz: „Aber nicht zu verlieren, ist auch cool.“