Spätestens seit der 1. FC Heidenheim in der Bundesliga spielt, sind auch die Heidenheimer Ultras stärker ins Bewusstsein vieler Menschen gerückt. In der meist ausverkauften Voith-Arena und bei den Auswärtsspielen sorgen die organisierten Fans mit ihren Choreografien, Gesängen und Bannern für die richtige Stimmung. In einer Reportage des MDR-Fernsehens spielen sie eine ganz besondere Rolle: Unter dem Titel „Mehr als Gewalt und Pyro? So ticken Fußball-Ultras wirklich!“ sind die Autorinnen Lena Elfers und Friederike Franke der Frage nachgegangen, wie die deutsche Ultra-Szene entstanden ist, welche Vorurteile es über die organisierte Fanszene gibt und wie es tatsächlich in den Fanblöcken der deutschen Stadien zugeht.
Der 30-minütige Film ist in der Reihe „Past Forward“ erschienen. „Das ist eigentlich ein Geschichtsformat“, erläutert Friederike Franke, die im Film auch selbst als Moderatorin und Interviewerin zu sehen ist. Entsprechend sei auch die Perspektive auf das Thema gewesen: Die Autorinnen haben sich nicht aus einer sportlichen Warte angenähert, sondern haben sich mit der Frage beschäftigt, wie es historisch zur Entwicklung der Fanszene gekommen ist und inwiefern diese auch mit der deutschen Geschichte verbunden ist.
Kritik an der Kommerzialisierung ist zentral
Dabei wird der Unterschied zwischen der Hooligan-Bewegung, die in der englischen Arbeiterklasse entstanden ist, und den Ultras, die ihre Vorbilder in Italien haben, erläutert. Und noch ein zeitgeschichtliches Ereignis spielt eine Rolle: Wichtig für das Selbstverständnis vieler ostdeutscher Fußballfans war der Fall der Mauer, der mit dem Absturz vieler erstklassiger ostdeutscher Fußballteams in niedrigere Ligen einherging. Ein weiterer Punkt kommt im Film zur Sprache, der für die Ultra-Bewegung sehr zentral ist: „Die Kritik an der Kommerzialisierung des Fußballs gehört zum Selbstverständnis der Ultras“, so Friederike Franke.
Bereits zu Beginn der Reportage erläutert die Autorin, dass Ultras eigentlich nicht mit Journalisten sprechen, diese aber unbedingt im Film zu Wort kommen sollten. Deutschlandweit habe Lena Elfers, die sich um Gesprächspartner für den Film gekümmert hat, Anfragen an Ultra-Gruppierungen gestellt. Vorgespräche habe es viele gegeben, erzählt Friederike Franke, aber vor die Kamera wollte lange niemand. Bis nach drei Monaten Arbeit an dem Film schließlich ein positives Signal aus Heidenheim kam: Die Fanatico Boys, die seit 16 Jahren als organisierte Gruppe den FCH supporten, erklärten sich zum Gespräch bereit.
Vor der Sommerpause in Heidenheim gedreht
Drei Heidenheimer Ultras standen der Moderatorin vor der Kamera Rede und Antwort, nannten auch ihre Vornamen. Bedingung war jedoch, dass sie nicht erkannt werden wollten, weshalb die Gesichter der jungen Männer nicht gezeigt werden. Am letzten Spieltag vor der Sommerpause war Friederike Franke in Heidenheim und begleitete die Vorbereitungen zum Spiel gegen den 1. FC Köln.
„Ich hatte durchaus ein mulmiges Gefühl vor dem Dreh, weil wir so lange darauf hingearbeitet hatten, Ultras zu treffen“, berichtet Friederike Franke. Für sie sei dies „der wesentliche Knackpunkt im Film“ gewesen. Das Gefühl, so die Journalistin, sei aber unbegründet gewesen: „Wir hatten ein Gespräch, das von Anfang an auf Augenhöhe war“, sagt sie. In entspannter Atmosphäre seien alle ihre Fragen beantwortet worden, auch die kritischen.
Die Heidenheimer Ultras kommen dabei aber auch gut weg: Sie vertreten eine antirassistische und antisexistische Haltung: „Jeder soll sich wohlfühlen, jeder ist erwünscht“, erläutert einer der Fans. Dies ist nicht bei allen Ultras so: Viele dulden explizit keine Frauen in ihren Reihen, auch rechtsextreme Tendenzen gibt es in manchen Fanszenen. Nicht so in Heidenheim: „Wir sind fanatisch und wir machen auch Sachen, die nicht erlaubt sind“, so einer der Ultras im Film „Aber es geht uns um die Gemeinschaft und darum, unseren Verein zu unterstützen“, berichtet der Heidenheimer. Auch das soziale Engagement der Ultras kommt zur Sprache, das sich in der Initiative „rot-blaues Herz“ zeigt.
undefinedundefinedWieso haben sich die Heidenheimer Ultras dazu entschlossen, bei der Reportage mitzumachen? Auch diese Frage beantworten sie vor der Kamera: „Wir sehen das als Chance, den Menschen ein anderes Bild der Ultras zu vermitteln.“ Das ist den Autorinnen des Films gelungen, ohne negative Aspekte wie verbotene Pyrotechnik oder Gewalt in Stadien auszuklammern.
Hier kann man die Reportage sehen
Der 30-minütige Fernsehbeitrag "Mehr als Gewalt und Pyro? So ticken Fußball-Ultras wirklich" ist in der ARD-Mediathek abrufbar.