Es war kein einfacher Start – als Mannschaftskapitän vom Zweitligakonkurrenten Jahn Regensburg gekommen, fand sich Benedikt Gimber beim FCH zunächst in der Reservistenrolle wieder, schaffte es an den ersten zehn Spieltagen der vergangenen Bundesligarunde zum Teil nicht einmal in den Spieltagskader.
Wendepunkt Gladbach
Die Wende kam in Mönchengladbach, allerdings nicht im Bundesligaduell am 28. Oktober 2023, sondern drei Tage später in der zweiten Runde des DFB-Pokals, zu der die Heidenheimer kurioserweise ebenfalls im Borussia-Park antreten mussten. Nachdem der FCH im Duell um Punkte mit 1:2 den Kürzeren gezogen hatte, lag die Mannschaft von Frank Schmidt im Pokal schon zur Halbzeit 0:3 zurück. Der sicherlich nicht erfreute FCH-Coach reagierte mit einem Vierfach-Wechsel zur Pause, unter anderem kam Gimber für Tim Siersleben in der Innenverteidigung.
„Es war etwas schwieriger, weil es schon 0:3 stand, aber wir wollten die zweite Halbzeit für uns entscheiden, das ist uns ja dann auch gelungen“, erinnert sich der 27-Jährige und blickt mit gemischten Gefühlen auf das 1:3. „Wir haben uns sehr über das Ausscheiden geärgert, gleichzeitig waren es aber meine ersten Pflichtspielminuten für den FCH, das vergisst man natürlich nicht“, sagt Gimber.
Schlüsselszene gegen VfB
Denn es blieben nicht die letzten, von da an verpasste Gimber nur noch eine Partie. „Lustigerweise auch gegen Gladbach, im Rückspiel war ich nach der fünften gelben Karte gesperrt“, berichtet der FCHler. Und schon das nächste Spiel war ein besonderes, mit einem völlig unerwarteten 2:0 über den VfB Stuttgart beendete der FCH seine Serie von vier Niederlagen und verschaffte sich in der Tabelle wieder Luft.
In diesem Spiel wäre es wohl anders gekommen, wenn Silas in der siebten Minute die Führung für die Gäste erzielt hätte. Der VfB-Stürmer war nach einem Steilpass schon an FCH-Keeper Kevin Müller vorbei, doch Gimber kam irgendwie noch im Rücken des Stuttgarters an diesem vorbei und spitzelte den Ball ins Aus. „Solche Momente braucht man auch, die zeigen einem, dass man mithalten kann“, sagt Gimber.
Mit ihm in der Innenverteidigung verloren die Heidenheimer an den 24 letzten Spieltagen der Saison nur noch sechs Partien (10 Unentschieden, 8 Siege), schafften nicht nur komfortabel den Klassenerhalt, sondern sogar die Qualifikation für die Conference League.
Nur noch ein Spiel versäumt
„Es war ein sehr intensives Jahr, das für den Verein, aber auch für mich gut gelaufen ist“, sagt Gimber, für den die etwas längere Anlaufzeit in Heidenheim letztlich normal war. „Das gehört als Fußballer einfach dazu, gerade wenn man neu zu einem Verein kommt, darf man sich da nicht so unter Druck setzen. Der Fußball hier ist einfach sehr intensiv, das musste ich mich aus erst einmal daran gewöhnen. Wichtig ist, dass man da immer dran bleibt und wenn man gebraucht wird, die Chance nützt.“
Der Spieler ist aber auch so ehrlich, zu sagen, dass so eine Phase an einem nagt. „Das ist ganz normal, aber ich wusste, das ist die 1. Bundesliga und eine wahnsinnige Chance für mich. Dem wollte ich alles unterordnen und auch nicht so schnell aufgeben“, betont der Defensivmann. Ebenso wie dessen Leistung verblüffte viele der Rollenwechsel, denn Gimber kam eigentlich als „Sechser“ aus Regensburg.
Die Innenverteidiger-Rolle war nicht neu
Also als Notnagel zur 1a-Lösung? Mitnichten. „Bis auf Regensburg habe ich immer Innenverteidigung gespielt, auch die ganze Jugend in Hoffenheim“, erklärt Gimber, der in seiner Zeit beim Nachwuchs der Kraichgauer übrigens vom jetzigen Nationaltrainer Julian Nagelsmann trainiert wurde. Für Deutschland lief Gimber auch schon auf, kommt auf 44 Spiele in DFB-Nachwuchsmannschaften, war in der U17 und U19 sogar Kapitän.
Die Rückkehr in die Innenverteidigung war also nicht verwunderlich und für Gimber ist es auch die bevorzugte Position. Was aber macht einen guten Defensivspieler in der Zentrale aus? „Ganz wichtig ist, dass man als Verteidiger den absoluten Fokus hat, man darf sich keine Nachlässigkeiten erlauben. Und natürlich für die Gegner unangenehm zu agieren, eine gewisse Präsenz zeigen“, sagt der FCHler.
Dabei kommt in der Bundesliga so mancher Stürmer auf ihn zu, der vom Marktwert her im 100-Millionen-Bereich liegt. Doch das sorgt nicht für Lähmung. „Im Spiel ist einem das gar nicht so bewusst, weil man so fokussiert ist. Aber wenn man es dann Revue passieren lässt, ist es schon verrückt, gegen wen man so gespielt hat“, sagt Gimber.
Jedes Spiel wie ein Endspiel
Von den Erfolgen der vergangenen Saison können sich die Heidenheimer nichts mehr kaufen, nach den hochkarätigen Abgängen prophezeiten viele dem FCH erneut einen harten Kampf um den Klassenerhalt. „Auch wenn wir die Abgänge nicht gehabt hätte, war allen klar, dass wir wieder maximal performen müssen. Klar haben uns gute Spieler verlassen, aber wir haben auch gute dazubekommen“, sagt Gimber, der nach den ersten sechs Begegnungen noch keine Prognose wagt, aber ganz klar sagt: „Wir müssen jedes Spiel wie ein Endspiel angehen.“
Auch am Samstag bei der Borussia. „Das ist sicher ein Gegner, der vom Etat und der Vereinsgröße über uns anzusiedeln ist, aber wir fahren trotzdem nach Gladbach, um was mitzunehmen“, so Gimber. Als Verteidiger wird er es mit seinem Ex-Teamkollegen und Neu-Nationalspieler Tim Kleindienst zu tun bekommen. „Tim ist natürlich ein exzellenter Stürmer, weil er eine extreme Physis hat, aber klar wollen wir ihn in Schach halten und dafür sorgen, dass er kein Tor schießt“, sagt Gimber, der zudem noch einen anderen Plan hat, nämlich seine Trefferausbeute für den FCH zu verdoppeln – dazu würde schon ein Tor reichen.
Auftakt zu anstrengenden Wochen
Das Spiel in Gladbach ist für den FCH der Auftakt zu einer ganzen Reihe von „englischen Wochen“, schon am Donnerstag tritt die Schmidt-Truppe auf Zypern bei Pafos FC an. „Es ist ein wahnsinnig voller Terminkalender. Aber als Kind träumt man davon, Bundesliga und sogar international spielen zu dürfen, deshalb ist das nichts, was uns belastet“, sagt Gimber. So genießt der die Zeit und hat den Schritt nach Heidenheim, wo er noch 2028 Vertrag hat, nie bereut. „Es war eine bewusste Entscheidung, auch weil ich mich hier mit meiner Familie wohlfühle“, sagt Familienmensch Gimber, der mittlerweile mit Frau, Tochter und Hund hier lebt und sich freut, auch den Bruder immer wieder im Stadion begrüßen zu können.
600 FCH-Fans gehen mit auf die Reise
Zum Spiel bei Borussia Mönchengladbach werden den 1. FC Heidenheim rund 600 Anhänger begleiten – die bisher geringste Zahl bei den Auswärtsfahrten in dieser Saison. Insgesamt liegt der Verein mit einem Schnitt von 2333 Auswärtsfahrern immerhin noch auf Rang 14, in der ersten Bundesligasaison waren es über 34 Spiele im Schnitt 2500 Fans, die mit zu den Auswärtsspielen kamen.