Warum Robert Strauß lieber beim 1. FC Heidenheim als bei Real Madrid arbeitet
Wie geht es weiter nach der Karriere? Dieser Frage müssen sich die Fußballer spätestens stellen, wenn sie in den Dreißigern sind. Ein direkter Einstieg in die Zeit ohne Fuß am Ball gelingt nicht immer reibungslos. Bei Robert Strauß stellte sich die Zukunftsfrage nicht. Der Außenverteidiger, der acht Jahre das Trikot des 1. FC Heidenheim trug, stellte bereits in seiner aktiven Zeit die Weichen für seine zweite berufliche Laufbahn. Auf eine zweijährige Heranführung als Assistent des Vorstands folgte im Sommer 2022 die Beförderung zum Bereichsleiter Sport beim Bundesliga-Aufsteiger. Wie er den Übergang empfunden, welche Aufgaben er zu bewältigen hat und ob der der FCH mehr Spieler als nur einen Innerverteidiger verpflichtet? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt der 37-Jährige vor dem Heimspiel am Sonntag, 26. November, gegen den VfL Bochum im Interview.
Der FCH empfängt am Sonntag den VfL Bochum. Da gab es mal ein Spiel vor gut neun Jahren, bei dem Sie auch auf dem Feld standen. Kommen da Erinnerungen hoch?
5:0. Es ist schon lange her, Peter Neururer war bei Bochum Trainer. Es war unsere erste Saison in der der 2. Liga, da wurden wir noch unterschätzt. Die Atmosphäre in der Voith-Arena kam dazu und zur Halbzeit haben wir schon mit 4:0 geführt. Eine schöne Erinnerung, aber die liegt schon lange zurück.
Ihr Karriereende ist auch schon etwas zurück, es folgte der Schritt ins Management. Warum ging es nicht auf die Trainerbank?
Zum Ende meiner Karriere habe ich offene Gespräche mit Holger Sanwald und Frank Schmidt geführt über die Zukunft. Die Abmachung war: Solange ich der Mannschaft helfen kann, darf ich das auch als Spieler tun. Man hat aber auch jedes Jahr darüber gesprochen, dass es eine Toplösung für alle Beteiligten wäre, wenn ich danach ins Management einsteige. Ich habe kein schlechtes Abitur gemacht, kann mit Zahlen ganz gut umgehen und Organisation ist auch keine Schwäche von mir. Trainer zu werden, war nie meine Überlegung.
Wie war denn der Übergang von der Kabine hin zum Schreibtisch?
Wir haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, dass wir Jahr für Jahr bewerten, ob ich der Mannschaft auf dem Platz noch helfen kann oder nun der Schritt ins Management zu wechseln, gekommen ist. Irgendwann kam der Zeitpunkt, die Karriere auf dem Platz zu beenden. Für mich war das sehr sehr gut so, es war kein abruptes Karriereende. Ich habe mich langsam vom Fußball verabschieden können. Ich habe jedes Jahr alles gegeben, aber auch gewusst, der Zeitpunkt kommt bald.
Dann hieß es ab Juli 2020 zu 100 Prozent im Management des Vereins, was hat sich verändert?
Es war eine Umstellung. Ich habe schon als Spieler über den Tellerrand hinausgeschaut und war mir meiner Verantwortung auf dem Platz bewusst. Ich habe mir da vielleicht auch manchmal zu viele Gedanken gemacht. Aber dadurch habe ich mich schon darauf vorbereitet, was danach kommt. Dass es im Fußball aber so viele Arbeitsfelder neben dem Platz gibt, war mir in dieser Dimension nicht bewusst.
Sie waren erst Assistent des Vorstands, seit eineinhalb Jahren sind sie Bereichsleiter Sport beim FCH. Das klingt nach einem breiten Aufgabenfeld, welche sind die Themen ihrer täglichen Arbeit?
Meine Aufgaben umfassen beispielsweise die Kaderplanung, Scouting, Themen im Hartmann-NLZ, Vertragswesen und Gespräche mit Spielerberatern. Ich mache mir auch schon jetzt Gedanken, wie es im nächsten Jahr aussieht. Als Spieler ist man auf dem Platz gestanden und hat mit dem Abpfiff einen Haken gemacht. Danach wieder fünf Tage trainieren und das nächste Spiel. Jetzt muss ich über Wochen, Monate und Jahre denken und strategisch arbeiten.
Derzeit gibt es aber auch aktuelle Themen - wie eine Verpflichtung eines neuen Innenverteidigers.
Mit der Verletzung von Thomas Keller haben wir uns Gedanken gemacht, ob wir da Bedarf haben. Da haben sich dann jede Menge Berater bei uns gemeldet. Wir verfolgen aber weiter unseren Ansatz, dass wir bevorzugt junge, entwicklungsfähige und deutschsprachige Spieler suchen. Du bekommst aber plötzlich Anfragen aus Brasilien und Asien. Das ist jedoch nicht unser Weg. Ich bin froh, dass wir den Ansatz aktiv wählen und nach unserem Plan selbst sondieren und nicht auf die Berater angewiesen sind, die uns Spieler anbieten.
Dann schauen wir auf den Kader. Wie sind Sie mit den Sommerneuzugängen zufrieden?
Unsere drei Eigengewächse aus dem NLZ muss man vielleicht etwas ausklammern. Eine Beurteilung zum jetzigen Zeitpunkt käme noch zu früh. Der Sprung ist schon riesig in die Bundesliga, sie brauchen noch Zeit. Wenn man die anderen fünf Neuzugänge betrachtet, kann man sagen, dass sie uns alle schon geholfen haben.
Am 1. Januar öffnet das Transferfenster wieder. Gibt es auch in anderen Mannschaftteilen Bedarf nachzubessern?
Wir haben durch die Verletzung von Thomas Keller nur drei Innenverteidiger. Es gibt zwar einige weitere Spieler in unserem Kader, die diese Position spielen können, aber rein aus diesem Gesichtspunkt ist der Bedarf da, dass wir uns damit beschäftigen müssen. Ob dann wirklich etwas realisiert wird, hängt dann nicht nur von unserem Bestreben ab. Wir müssen schauen, ob es finanziell machbar ist und ob der Spieler in die Mannschaft passt. Der Spieler sollte uns zudem sofort weiterhelfen können. Aktuell konzentrieren wir uns voll und ganz auf den Jahresendspurt noch mit fünf Spielen bis Weihnachten. Auch davon wird abhängig sein, ob wir auf dem Transfermarkt im Winter noch aktiv werden oder nicht.
Als Spieler wird man an Toren, Siegen und Punkten gemessen, wie lässt sich der Erfolg in ihrer Position messen?
Nach elf Spielen können wir sagen, dass wir im ersten Jahr Bundesliga, mit dem - im Vergleich zu unseren Mitbewerbern - kleinsten Etat konkurrenzfähig sind und das ist gut. Wenn wir jetzt nur einen Punkt hätten, dann hätten wir wohl Fehler in der Kaderplanung gemacht. Aber das finale Urteil kann man nur am Ende der Saison ziehen. In meinem ersten Jahr sind wir direkt aufgestiegen. Da kann man sagen: Ich habe den Erfolg nicht verhindert (lacht). Spaß beiseite. Ich bin nicht der Typ, der sich einen Anteil am Erfolg selbst zuschreibt. Der FCH ist ein großes Gemeinschaftswerk.
Gibt es in ihrem Arbeitsfeld noch ein Traumziel wie ein großer Verein, bei dem Sie irgendwann mal arbeiten möchten?
Mein Ziel ist es, dass sich der FCH längerfristig in der Bundesliga etabliert und dass wir uns Schritt für Schritt weiterentwickeln. Meine Familie wohnt 40 Kilometer entfernt, meine Kinder gehen dort in den Kindergarten, meine Eltern und Brüder leben da. Mit anderen Vereinen beschäftige ich mich überhaupt nicht. Den Wunsch zu Bayern, Dortmund oder Real Madrid zu gehen, gibt es nicht. Der FCH ist der Verein, der zu mir passt. Ich will so lange wie möglich hier erfolgreich sein.
Zurück zur Aktualität: Am Sonntag geht es gegen Bochum, was ist möglich für den FCH?
Es wird ein 50:50-Spiel. Bochum hat zweimal den Klassenerhalt geschafft. Sie werden nicht überrascht sein, wenn sie hier ankommen und werden uns von der ersten Minute an bearbeiten und uns das Leben schwermachen. Ich glaube, dass beide Mannschaften relativ gleichwertig sind. Mit der Unterstützung unserer Fans und unserer besonderen Voith-Arena-Atmosphäre hoffe ich, dass wir das Pendel in unsere Richtung ziehen können.