Weiterer Rückschlag im Kampf um Klassenerhalt

Warum spielt der 1. FC Heidenheim nicht gleich mutig nach vorn?

Der 1. FC Heidenheim kann, aber nicht immer! Bei der 1:2-Niederlage gegen Borussia Dortmund zeigte der FCH zwei unterschiedliche Gesichter. Dies ist nicht leicht zu erklären. Was die Heidenheimer aus der Niederlage ziehen können und welche Verstärkungen es geben wird:

Die Voraussetzungen waren total unterschiedlich, ohne Frage. Der Kaderwert von Borussia Dortmund ist knapp siebenmal so hoch (452 Millionen Euro) wie der des 1. FC Heidenheim (65). Und die Gäste leisteten sich den Luxus, mit Karim Adeyemi einen 35-Millionen-Euro-Spieler (über die Hälfte des Marktwertes aller FCH-Spieler) erst ein- und dann wieder auszuwechseln. Aufgrund einer unbefriedigenden Leistung aus Sicht des Gästetrainers, Mike Tullberg.

Doch die Dortmunder kamen aus einer schlechten Phase, ein Punkt gegen den kriselnden Revierclub wäre für den FCH sicherlich machbar gewesen. Wie groß die Erleichterung auf der Gästeseite war, zeigten die überschwänglichen Reaktionen der Spieler auf dem Rasen nach dem Schlusspfiff. Die Dortmunder wankten in der zweiten Halbzeit durchaus, der FCH verpasste aber den entscheidenden Schlag. Dabei stellt sich die Frage: Warum trat der FCH nicht gleich so auf, wie im zweiten Durchgang?

Es war nicht das erste Mal in dieser Saison, dass die Heidenheimer in einem Spiel über weite Strecken mutlos agierten, unabhängig von der spielerischen Klasse des Gegners. Erst nach dem Seitenwechsel zeigten die Gastgeber ihr wahres Gesicht und ließen – wie Frank Schmidt es gerne formuliert – ihr Herz auf dem Platz.

Wir sind viel getrabt und mussten viel hinterher arbeiten, aber so richtig ins Pressing sind wir nicht gekommen.

Frank Schmidt, Trainer des 1. FC Heidenheim

Auf die Frage, warum es so zwei unterschiedliche Halbzeiten gab, hatte der FCH-Trainer auf Anhieb keine wirkliche Antwort parat. „Wir sind viel getrabt und mussten viel hinterher arbeiten, aber so richtig ins Pressing sind wir nicht gekommen. Wir müssen uns anschauen, warum das nicht funktioniert hat“, sagte Schmidt.

Zu Beginn der ersten Halbzeit hatte der 1. FC Heidenheim ganze 12 Prozent Ballbesitz. Und das als Heimmannschaft. So passiv habe der FCH nicht auftreten wollen, sagte Jan Schöppner. „Wir haben nicht so den Zugriff und keinen Druck auf den Ball bekommen“, erklärte der 25-Jährige. Frans Krätzig bedauerte, dass der FCH sich zu Beginn „zu wenig zugetraut“ habe und Mathias Honsak sprach gar von Angsthasenfußball: „Wir sind viel zu tief gestanden und waren überhaupt nicht mutig. Die Wege nach vorn waren weit“, so der Torschütze des 1:2.

Da ist es passiert: Borussia Dortmund geht durch einen Treffer von Serhou Guirassy (rechts) gegen den 1. FC Heidenheim in Führung. Foto: Eibner/Roger Bürke

Aus dem Spiel heraus ließen die Heidenheimer nicht viele Chancen der Gäste zu – der erste Gegentreffer fiel allerdings nach einem Standard. FCH-Coach Schmidt ärgerte es, dass sein Team „wieder nach einem Eckball in Rückstand“ geriet – und zuvor den Ball mehrmals hätte klären können. Beim 1:2 in Augsburg eine Woche zuvor fielen beide Gegentore jeweils nach einer Ecke des Gegners. In München waren die Heidenheimer bei ihrer 2:4-Niederlage ebenfalls nach einem Eckball in Rückstand geraten. Beim 0:1 in Kiel fiel das Tor des Spiels nach einem Freistoß der Gastgeber (Kopfballtreffer von Patrick Erras). Gegen Dortmund versuchte es der FCH bei Eckbällen mit einer Raumverteidigung, erklärte Jan Schöppner, der es aber folgendermaßen auf den Punkt brachte: „Letztendlich gilt es, dass man in die Bälle reinfliegen muss. Wir müssen konsequenter und handlungsschneller sein.“

Der 1. FC Heidenheim traut sich mehr zu

Heidenheim schafft es jedoch immer wieder, sich in der zweiten Halbzeit neu einzustellen. Der FCH lief nun höher an, wodurch die Stürmer auch mehr Unterstützung erhielten. „Wir sind auch mehr in die Eins-gegen-eins-Duelle gegangen und konnten dadurch mehr Druck draufkriegen und hatten bessere Balleroberungen“, so Jan Schöppner.

„Da hatten wir schon unsere Probleme damit“, räumte Mike Tullberg im Hinblick auf die Phase nach dem Seitenwechsel ein. Jetzt war es ein komplett anderes Spiel. Auch wenn das 2:0 von Maximilian Beier in der 63. Minute die Heidenheimer Fans kurz verstummen ließ („Da haben viele gedacht, das war’s“, beschrieb Frank Schmidt die folgenden Sekunden), schlugen die Gastgeber durch den Treffer des erst kurz zuvor gekommenen Mathias Honsak eine Minute später zurück. Einwechselspieler brachten auch wieder neuen Schwung. Aus FCH-Sicht erfreulicherweise nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Allerdings schlagen nicht alle gleich ein, so manch einer benötigt sicherlich noch etwas Zeit, um dem Verein eine größere Stütze sein zu können.

Zum aus der Haut fahren: Trainer Frank Schmidt litt am Spielfeldrand mit dem 1. FC Heidenheim mit. Foto: Eibner/Michael Weber

Der FCH drängte zwar auf den Ausgleich, verpasste es aber, hochkarätige Torchancen herauszuspielen. Frank Schmidt betonte aber, dass sein Team so wie über weite Phasen der zweiten Halbzeit spielen müsse. „So will ich meine Mannschaft sehen. Das hat nichts mit Taktik zu tun. Das hat mit Kommunikation zu tun, mit der Abstimmung untereinander und vor allem mit Energie“, so der FCH-Trainer. Und: „Wenn wir kontrollierter spielen, kommen wir zu ein, zwei Chancen mehr. So hat sich Dortmund den Sieg erarbeitet.“

Ähnlich sah es Sebastian Kehl. Den Sieg habe sich Dortmund hart erarbeitet, sagte der BVB-Sportdirektor, der allerdings auch anmerkte: „Ich finde die zweite Halbzeit nicht gut. Es ist die Frage, ob alle Spieler, die auf dem Platz standen, das abgerufen haben, was sie können und es auch in allen Phasen gezeigt haben.“ Ein weiterer Hinweis darauf, dass für den FCH gegen die kriselnden Dortmunder an diesem Tag zumindest ein Unentschieden möglich gewesen wäre.

Auf der Art und Weise, wie wir in der zweiten Halbzeit gespielt haben, können wir aufbauen.

Mathias Honsak

So wird der 1. FC Heidenheim sich zumindest moralisch auf die zweite Halbzeit stützen müssen. Mathias Honsak, der nach überstandenem Muskelfaserriss sein Comeback gefeiert hatte, sieht es auch so: „Auf die Art und Weise, wie wir in der zweiten Halbzeit gespielt haben, können wir aufbauen. Da waren wir mutig, da haben wir nach vorne gespielt und haben uns nicht hinten reindrücken lassen.“

Keine Neuzugänge mehr beim 1. FC Heidenheim

Mathias Honsak ist zurück, Niklas Dorsch (Reha nach Innenbandverletzung im Knie) wird beim FCH noch schmerzlich vermisst, soll aber in den kommenden Wochen zurückkehren. Und auch Julian Niehues (nach Kreuzbandriss) könnte im Laufe der Rückrunde eine weitere Alternative sein. Externe Neuzugänge wird es aller Voraussicht nach nicht mehr geben. Die Transferperiode endet am Montag (3. Februar) um 18 Uhr. Nur bei einer besonderen Konstellation würden die Heidenheimer noch einmal auf dem Transfermarkt zuschlagen. Dem aktuellen Kader trauen die Verantwortlichen also den Klassenerhalt zu. Wobei die Mission aller Wahrscheinlichkeit nach spannend und gar dramatisch verlaufen wird.