Lesung im Fanprojekt

Wie Autor Christoph Ruf der Fanszene des 1. FC Heidenheim aus der Seele spricht

Christoph Ruf hat keine Lust mehr auf den Profifußball. Bei seinem Besuch im FCH-Fanprojekt in Heidenheim las der Journalist und Autor aus seinem neuen Buch, in dem er dessen Kommerzialisierung verurteilt. Was genau er kritisiert, welches Fazit er zieht und worüber im Anschluss diskutiert wurde.

Normalerweise richten in Heidenheim meist Bibliotheken oder Buchgeschäfte Autorenlesungen aus. Auch in den Kirchen bekommen die Gäste eine Form der Lesung zu hören. Im vergangenen Sommer gab es sogar einen Vortrag am Beckenrand des Waldbads. Autor Christoph Ruf fand bei seinem Auftritt in Heidenheim nichts dergleichen vor. Der Ort: der Treff der FCH-Fanszene. Das Buch: „Genug geredet! Die Irrwege der Bundesliga und die Inkonsequenz der Fans“.

Als sich der Gast des Tages auf der kleinen Bühne vor dem Albstadion-Graffiti niederließ, wurde es im Szene-Treff ruhig. Gut 20 gespannte Zuhörerinnen und Zuhörer hatten es sich auf wenigen Stühlen und fünf Bierbänken so gemütlich wie möglich gemacht. Mit FCH-Stickern übersäte Wände und Regale voller Material für Choreografien machten das rot-blaue Bild perfekt.

Impuls: Corona

Christoph Ruf ist Journalist durch und durch. Sein Spezialgebiet ist der Sport, besonders der Fußball und am liebsten fanpolitische Themen. Neben unzähligen Zeitungsartikeln hat er bereits acht Bücher rund um die beliebteste Sportart der Welt geschrieben. Den Impuls für sein Neuntes gab ihm Corona: „Ich fand es krass, wie sich der Fußball vom Rest der Gesellschaft entfernt hat.“ Er habe die Pandemie als große Zäsur in Erinnerung behalten. „Man hatte den Eindruck, dass die Vereine ausblenden, was im Rest der Gesellschaft stattfindet“, beschreibt Ruf. „Einigermaßen schockierend“ fand er nicht nur das, sondern auch, wie schnell der Profifußball wieder zur Normalität zurückkehrte. Versprechen, man wolle künftig nachhaltiger wirtschaften und die eigene weltfremde Blase verlassen, seien verpufft.

Buchvortrag im Fantreff: Gut 20 Zuhörerinnen und Zuhörer im Heidenheimer Fanprojekt hingen interessiert an Rufs Lippen. Rudi Penk

Der 52-Jährige hat keine Lust mehr auf den Profifußball. Das ständige Streben nach dem maximalen wirtschaftlichen Erfolg nervt ihn. „Es geht immer weniger um den Stadionzuschauer“, lautet einer der Hauptkritikpunkte in seinem Buch. Dass es den Fanszenen durch wochenlangen Protest gelungen ist, den Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußballliga (DFL) zu verhindern, sieht er als „grandiosen Erfolg“. Auch die Heidenheimer Fanszene hatte sich unter dem deutschlandweiten Motto „Wir werden kein Teil eures Deals sein“ an der Gegenbewegung beteiligt. Ruf spricht den Anwesenden aus der Seele. Die gebannte Stille und das zustimmende Nicken einiger Zuhörer ließen das unschwer erkennen.

Rundumschlag gegen die Kommerzialisierung des Fußballs

Indem Ruf in seinem Buch die „Irrwege der Bundesliga“ beschreibt, holt er zum Rundumschlag gegen die Entwicklungen im modernen Fußball aus. Er befürchtet, dass die DFL in zehn Jahren einen Investor hat und die 50+1-Regel abgeschafft wird. Nicht nur die FCH-Fanszene fordert immer wieder den Erhalt der Abmachung, die den Einfluss von Investoren in den Vereinen begrenzt. Dass sich Klubs mit der Einführung von „E-Tickets und Pommesgabeln aus Holz“ brüsten, aber über kurze Distanzen das Flugzeug nehmen und riesige energiefressende Rasenheizungen betreiben, verurteilt der Karlsruher als Greenwashing. Steigende Ticketpreise und Spielergehälter in Rekordhöhe missfallen ihm ebenso. Auch Überlegungen im Hintergrund, den Fußball durch „künstliche Aufreger“ spannender zu machen, bereiten Ruf Sorgen. Aufzuhalten sei die Kommerzialisierung des Profifußballs nicht: „Ich glaube, der Fußball ist nicht reformierbar“, lautet sein Fazit.

Wie also damit umgehen? Um diese Frage drehte sich die anschließende Diskussion im Fanprojekt. Sollten sich Fans in die Aufsichtsräte der Klubs wählen lassen, um mitentscheiden zu können? Ein Zuhörer erklärte, dass es in Heidenheim zwar einen Fanbeirat gebe, der jedoch nicht voll besetzt und nur beratend tätig sei. Ein Anderer brachte die Möglichkeit, sich komplett vom Profifußball abzukehren, zur Sprache. Eine wirkliche Chance, in die Entwicklungen einzugreifen, sah niemand. Einige Gäste waren sich einig, es gehe vor allem darum, die Fankultur zu leben und im Heidenheimer Stadion oder bei Auswärtsfahrten eine gute, gemeinsame Zeit zu haben. „Das Ziel ist, lokal eine Wohlfühl-Oase zu schaffen“, sagte einer von ihnen. Für Ruf ist klar: „Es ist ein Riesendilemma“.

Der Autor: Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Journalist, Autor und Moderator. Der 52-Jährige schreibt für diverse Zeitungen, darunter die Süddeutsche Zeitung, der Stern und Zeit Online. Dafür ist er fast jedes Wochenende in den Fußballstadien der Republik unterwegs. Sein Buch „Ist doch ein geiler Verein – Reisen in die Fußballprovinz“ wurde 2008 als Fußballbuch des Jahres ausgezeichnet. Die Lesung in Heidenheim war die zweite Station auf seiner Deutschland-Tour mit „Genug geredet! Die Irrwege der Bundesliga und die Inkonsequenz der Fans.“

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