Ehemaliger Top-Schiedsrichter

Wie der Nattheimer Klaus Bodmer von Diego Maradona ein Trikot geschenkt bekam

Klaus Bodmer ist eine Schiedsrichter-Legende aus dem Landkreis Heidenheim mit Zweitliga-Erfahrung und internationalen Einsätzen. Der Nattheimer erzählt von Anrufen von Torhüter Uli Stein, einem Weißwurst-Essen mit Uli Hoeneß und einem Wortgefecht mit Fernsehreporter Fritz von Thurn und Taxis:

Die Behauptung, Fußball-Torhüter hätten nicht selten einen Sprung in der Schüssel, erhielt Ende der 1980er-Jahre neue Nahrung. Der Kölner Toni Schumacher plauderte in seinem autobiografischen Werk „Anpfiff“ so intensiv aus dem Nähkästchen, dass seine Nationalmannschaftskarriere abrupt einen Abpfiff erfuhr. Der Hamburger Uli Stein, designierter Kronprinz für die nationale Nummer eins, hatte sich zuvor schon ins Abseits geredet, als er seinen Teamchef Franz Beckenbauer bei der WM 1986 in Mexiko als „Suppenkasper“ bezeichnete und vorzeitig abreisen musste.

Gepflegte Ausdrucksformen waren eben nicht die Spezialität des Herrn Stein. Das erfuhr im selben Jahr auch der in Nattheim wohnende und für den PSV Heidenheim pfeifende Schiedsrichter Klaus Bodmer. Im DFB-Pokalspiel des Hamburger SV beim FC Augsburg am 24. Oktober 1986 entschied Bodmer auf Strafstoß für die Augsburger. Zwei ganz und gar nicht jugendfreie Schimpfworte schleuderte der HSV-Schlussmann dem Unparteiischen dafür entgegen – und sah rot!

24. Oktober 1986: Klaus Bodmer (verdeckt) verweist Hamburgs Torwart Uli Stein des Feldes. Foto: Imago

Der einzige Promi-Platzverweis in Bodmers langer Schiri-Karriere hatte ein mediales Nachspiel erstaunlichen Ausmaßes. Zunächst einmal, so erinnert sich der heute 77-Jährige, suchten HSV-Trainer Ernst Happel und Manager Felix Magath nach dem Spiel den Schiedsrichter auf und wollten wortgenau wissen, was Stein gesagt hat. Bodmer gab das fäkale Vokabular ungeniert und wahrheitsgetreu wieder, worauf Happel empört bemerkte, dann habe ihn „der Stein gerade angelogen“.

Großer Medienrummel wegen der roten Karte gegen Uli Stein

Einen Tag später klingelte im Hause Bodmer unentwegt das Telefon. Im Sog der unwürdigen Wortakrobatik des damals wohl besten deutschen Keepers geriet plötzlich auch der Heidenheimer Vorzeige-Schiedsrichter zum gefragten Mann und wurde von Pressevertretern aller Couleur gebeten, die rote Karte zu begründen. Im Schlagzeilen-Hagel des Boulevards musste der böse Bube Uli Stein zurückrudern. Er beendete den Medienrummel mit einer persönlichen Entschuldigung bei Klaus Bodmer.

Kurios dabei: Der Rotsünder rief bei der Firma Voith an, wo der Unparteiische als Zahnradfräser sein Geld verdiente. Was er gesagt habe, täte ihm leid, erklärte Stein. Der „große Uli“ musste sich bei Voith bis zu Klaus Bodmer weiterverbinden lassen – eine Art telefonischer Canossa-Gang. Es wird vermutet, dass der „Happel-Ernstl“ seine Nummer eins nötigte, das entstandene Störfeuer auf diese Weise auszutreten.

Interessierter Fußballbeobachter: Klaus Bodmer. Foto: Eibner/Sascha Walther

Stein und die rote Karte: Es ist nur eine von vielen Anekdoten aus der Unparteiischen-Laufbahn Klaus Bodmers. Er startete mit einer Sondergenehmigung, denn er war noch keine 18 Jahre alt (damals das Mindestalter für Fußball-Schiedsrichter), und gleichzeitig auch mit Rückendeckung seines Vaters. Papa Jakob Bodmer war lange Jahre Obmann der Heidenheimer Unparteiischen, kam als Linienrichter in der damals höchsten deutschen Spielklasse, der Oberliga (Gruppe Süd), zum Einsatz.

Klaus Bodmer spielte zusammen mit Horst Blankenburg

Der Junior trat in die erfolgreichen Fußstapfen, obwohl er durchaus auch fußballerisch seinen Weg hätte gehen können. 1964 gehörte er als rechter Verteidiger der legendären A-Jugendmannschaft des VfL Heidenheim an, die mit dem späteren Weltstar im Team, Horst Blankenburg, württembergischer Meister wurde. „Gleichzeitig Schiedsrichter und Spieler zu sein, das ging damals noch nicht. Also musste ich mich entscheiden“, fand sich Bodmer in der Zwickmühle. Und griff schließlich zur Trillerpfeife.

Ein B-Jugendspiel zwischen Steinheim und Bolheim bildete den Startschuss zu insgesamt rund 1600 Spielen, die für den damaligen Nachwuchs-Referee bis 1987 noch folgen sollten. Mit dem Fahrrad fuhr Klaus Bodmer zu seinen Spielen, und einmal ist ihm auf dem Rückweg aus Bächingen der „Trapper kaputtgegangen“, sodass er die Etappe von Hermaringen bis Heidenheim auch noch zu Fuß zurücklegen musste. Auch so gesehen war der Weg nach oben mühselig.

Zusammen mit Roland Baamann und Helmut Lindel in der dritthöchsten Spielklasse

Doch Klaus Bodmer ging ihn zunächst in Siebenmeilenstiefeln. 1967 fuhr er schon mit dem Zug – zu Einsätzen in der 2. Amateurliga. 1970 folgte der Sprung in die 1. Amateurliga. Mit Roland Baamann (FV Burgberg) und Helmut Lindel (SC Giengen) an der Seitenlinie war erstmals ein komplettes Gespann der Schiedsrichter-Gruppe Heidenheim in der damals dritthöchsten Spielklasse im Einsatz.

Freundschaftsspiel zwischen dem VfR Aalen um Kapitän Helmut Dietterle (links) und der israelischen Nationalmannschaft im Jahr 1973: Hinten mit dem Ball ist Klaus Bodmer zu sehen, links Linienrichter Helmut Lindel (SC Giengen) und rechts Linienrichter Karl Schreck (SV Bolheim). Foto: Bartel-Bild

Drei Jahre später pfiff er Regionalliga-Spiele, dann wurde die 2. Liga mit einer Nord- und Südgruppe eingeführt. Auch nach der Schaffung einer eingleisigen 2. Liga gelang es Klaus Bodmer, über viele Jahre zu den 36 besten deutschen Schiedsrichtern zu zählen.

Nur der letzte große Schritt, der Aufstieg in die Bundesliga, blieb ihm verwehrt. Bis heute weiß er nicht, warum. Als er Anfang der 80er-Jahre schon für den Aufstieg vorgesehen war, wurde ihm der Stuttgarter Horst Joos vorgezogen – mit der Begründung, der jüngere Klaus Bodmer habe ja in den Folgejahren noch die Chance zum Aufstieg in die Eliteklasse.

Deshalb habe ich im Zorn aufgehört.

Klaus Bodmer versteht nicht, warum er nie in die Bundesliga aufstieg als Schiedsrichter.

Doch geklappt hat’s nie – trotz bester Bewertungen. Die Beobachtungs-Resultate von damals hat er in seiner Nattheimer Wohnung noch immer schwarz auf weiß in Ordnern aufbewahrt. Noten im Bereich zwischen 8,0 und 9,5 sind dort als Normalfall registriert. Bodmer schaffte sogar mal die Höchstnote 10, was in der 2. Liga nur wenigen gelang.

Jahr für Jahr aber wurden andere vorgezogen. Über Gründe will er nicht mutmaßen, geärgert hat es ihn aber schon. „Deshalb habe ich im Zorn aufgehört“, gibt er unumwunden zu.

Voller Stolz: Klaus Bodmer mit dem Trikot von Diego Maradona. Foto: privat

Für Bitterkeit ist rückblickend dennoch wenig Platz. Denn Bodmer hat als Linienrichter regelmäßig Bundesligaluft geschnuppert und kam einige Male auch international zum Einsatz. Nach dem Uefa-Cup-Spiel zwischen Neapel und Toulouse am 17. September 1986 bat er den großen Diego Maradona um dessen Trikot mit der Nummer 10. Das hellblaue Hemd des argentinischen Weltklasse-Fußballers hat seitdem einen Ehrenplatz in einem Nattheimer Schrank gefunden.

Sammler würden heute dafür sicher mehr bieten als die läppischen 374 Mark Aufwandsentschädigung, die ein Zweitliga-Schiedsrichter in jenen Tagen bekam. Reich geworden ist Bodmer durch die Schiedsrichterei jedenfalls nicht. Einen Großteil dieser „Gage“ habe man mit den Gespann-Kollegen oft schon während der Intercity-Heimfahrt verjubelt, gesteht er. Geblieben ist ihm neben Maradonas Trikot auch eine riesige Sammlung von Vereinsnadeln all der Mannschaften, deren Spiele er leitete.

Berti Vogts prophezeit Klaus Bodmer eine steile Karriere

Und zahlreiche Erinnerungen. Wie ihm der junge Berti Vogts mal eine steile Schiedsrichter-Karriere prophezeite. Wie er von Uli Hoeneß zu Weißwurst und Bier eingeladen wurde, nachdem ein Bayern-Spiel im verschneiten Olympiastadion wegen Lawinen-Gefahr abgesagt worden war. Wie ihm Fernsehreporter Fritz von Thurn und Taxis nach einem Elfmeterpfiff im DFB-Pokalspiel zwischen Burglengenfeld und Werder Bremen im Interview „fehlendes Fingerspitzengefühl“ vorwarf und Klaus Bodmer seinem Gesprächspartner zurückgab, er habe „von Fußball keine Ahnung“. Dafür ließ Thurn und Taxis im Spielbericht dann kein gutes Haar mehr am Schiedsrichter aus Nattheim.

In Stuttgart musste er eines Tages sogar als Zuschauer die Tribüne verlassen und beim Bundesligaspiel zwischen dem VfB und Werder Bremen als Linienrichter einspringen, nachdem sich der Schiedsrichter verletzt hatte. Gab’s das nicht vor Kurzem auch in Heidenheim?

Bodmer galt als sachlich, als ruhiger und souveräner Spielleiter. Selten ist er angeeckt, Personenschutz hat er nie benötigt. Nur zwei seiner zahlreichen Spiele mussten abgebrochen werden. „Beide Mal wegen Nebels.“

Eine stolze Sammlung: Die Vereinsnadeln von allen Vereinen, die Klaus Bodmer pfiff. Foto: tog

Am 8. Mai wird Bodmer 78 Jahre alt. Neben Rainer Domberg, der ebenfalls viele Jahre Zweitliga-Spiele leitete, ist er das Flaggschiff der Heidenheimer Schiedsrichter-Gruppe. Heute sieht man ihn regelmäßig bei Heimspielen des FCH im Stadion. Als Mitarbeiter ist er bei den unerlässlichen Dopingkontrollen im Einsatz.

Ansonsten ärgert er sich bisweilen über die aktuelle Schiedsrichter-Generation in den Profiligen. Seit der Einführung der Video-Überwachung habe sich die Rolle der Referees grundsätzlich geändert. Häufig sei zu beobachten, wie sich Schiedsrichter scheuen, bei strittigen Szenen eine klare Entscheidung zu treffen. „Sie warten lieber ab, bis sich der Videoassistent meldet“, sagt er.

Doch das Rad der Zeit, das weiß auch Klaus Bodmer, lässt sich wohl nicht mehr zurückdrehen …

Klaus Bodmer holte sich die Fitness in den Bergen

Mit regelmäßigen Waldläufen hielt sich Klaus Bodmer als Schiedsrichter fit. Aber auch mit ausgiebigen Bergtouren. Häufig unternahm er Wanderungen in den Alpen, absolvierte unter anderem die Dolomitenwege 1 und 2. Über 20 Jahre organisierte er zudem die Karfreitagswanderung im Heidenheimer Schiedsrichter-Ausschuss.

Die Schiedsrichter-Gruppe Heidenheim leitete Klaus Bodmer als Obmann ebenfalls einige Jahre. Bodmer war auch Referee des letzten Heidenheimer Derbys zwischen dem VfL und dem TSB, ehe beide Vereine zum Heidenheimer Sportbund fusionierten. Anlässlich seines ersten Einsatzes als Unparteiischer vor 60 Jahren ehrte ihn vor Kurzem auch die Schiedsrichter-Gruppe Heidenheim.

undefinedundefined
Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar