In wenigen Tagen startet Trainer Frank Schmidt in seine 18. Spielzeit als Coach des 1. FC Heidenheim. Zwischen den ersten beiden Saisons in der Bundesliga lag für den 50-Jährigen eine ereignisreiche Sommerpause. Diese vier Herausforderungen erwarteten den dienstältesten Trainer im deutschen Profifußball vor der neuen Spielzeit.
1. Herausforderung: Die Vorbereitung mit Handicap
Spielern nach einer schweren Verletzung Mut zuzusprechen, gehört zum Trainerdasein dazu. Doch wer spricht einem verletzten Trainer Mut zu? Genesungswünsche hat Frank Schmidt nach seiner Knöchel-OP, die wenige Tage vor dem Saisonfinale gegen den 1. FC Köln vorgenommen wurde, zwar viele bekommen, geschmälert haben sie die folgenden Einschränkungen aber nicht. „Die harte Zeit waren die ersten zehn Wochen, in denen ich nichts machen konnte und nur mit Krücken laufen konnte“, sagt der 50-Jährige, der über Monate Schmerzen im linken Knöchel trotzte. Schmerzen, die aus den Spätfolgen einer Verletzung aus seiner Zeit als Spieler entstammen. „Ich musste mich durchquälen“, erzählt Schmidt.
Wie es ihm in manchen Phasen der Vorsaison wirklich gegangen war, habe nur seine Frau gewusst, verrät der Trainer. „Ich kam nach Hause und konnte keinen Meter mehr gehen, es ging viel über den Willen“, blickt er zurück. So war der Eingriff – obwohl zu einem wichtigen Zeitpunkt der Saison – alternativlos und kam einer Erlösung gleich. „So schwer das war, die Aussicht darauf, dass es besser wird, hat mich ständig motiviert“, sagt er.
Und es wurde besser. Langsam, Woche für Woche. Nicht nur die Genesung lief nach Plan, sondern auch die Vorbereitung. In den ersten Wochen saß Schmidt bei den Einheiten am Rand, das Kommando bei Übungsformen übernahm sein Trainerteam. „Es haben alle perfekt gelöst“, blickt er zurück, „es war kein Hindernis in der Vorbereitung.“ Als es im Trainingslager in Tirol um den Feinschliff ging, war der Fußballlehrer dann zurück in seinem Element: zwischen seinen Spielern auf dem Trainingslatz. „Es hat Spaß gemacht, wieder voll da und präsent zu sein“, so Schmidt. Doppelte Vorfreude hat er nun auf das erste Pflichtspiel im DFB-Pokal gegen den FC Villingen. Zum einen geht es um den Sieg und das Weiterkommen, zum anderen wird er wahrscheinlich wieder ohne Krücken am Spielfeldrand stehen können. Zwölf Wochen auf Krücken, so lautete die Prognose seines Operateurs. „Die sind dann vorbei.“
2. Herausforderung: Der Umbruch in der Offensive
Ebenfalls schmerzhaft war für den Trainer des Tabellenachten der Vorsaison, dass einige Spieler, die zu der sportlichen Überraschung beigetragen haben, nicht mehr da sind. „Es ist eine Zäsur in der Offensive“, sagt Schmidt über die Abgänge von Tim Kleindienst, Eren Dinkci, Niklas Beste, Kevin Sessa, Christian Kühlwetter und Florian Pick. Neu ist die Situation für den Trainer aber nicht, weil sie wie der Erfolg in der Geschichte des FCH stetig wiederkehrte. „Wir haben das schon häufiger erlebt, es ist nicht unser Los, eine bestehende Mannschaft weiter zu verstärken“, sagt Schmidt, „Wir sind anders und brauchen andere Ideen.“ Deshalb lautete wie so oft das Motto: akzeptieren, Ärmel hochkrempeln und weitermachen.
Andere Ideen und Lösungen benötigten Schmidt und Vorstandschef Holger Sanwald derweil nicht nur bei der Nachfolgersuche, sie werden auch bei der Taktik auf dem Rasen gefragt sein. „Auf die Spieler, die gekommen und gegangen sind, kann man keine Schablone legen“, so Schmidt, „Die Neuen sind kein Eins-zu-eins-Ersatz, sie sind anders.“ Entsprechend anders könnte auch dieGrundordnung in der Offensive von Spiel zu Spiel sein. „Sie ist nicht starr, es kann sein, dass wir mal mit zwei Spitzen spielen und mal mit einer“, verrät Frank Schmidt, der auf mehr Variabilität und Kreativität setzen will. Unberührt bleibt dabei die Art und Weise, wie beim FCH auch in dieser Saison in der Defensive agiert werden soll. „Da geht es um Automatismen, eine Grundordnung und feste Verhaltensweisen“, sagt Schmidt, der angesichts der sieben Neuen in der Offensive bei der Vermittlung seiner Spielidee einen deutlich größeren Aufwand als in den Jahren zuvor erwartet.
3. Herausforderung: Der Umgang mit der Wahrnehmung
Aufstieg, Platz 8, keine Abstiegssorgen und mindestens zwei Spiele im Europapokal. Die vergangenen 15 Monate sorgten bei den Heidenheimer Fans für ein zuvor noch nicht erreichtes Euphorie-Level. Aus Sicht der Anhänger könnte es mit dem Aufwind gerne so weitergehen. „Wir haben mehr als 7.500 Karten für den Max-Liebhaber-Pokal verkauft, man hat sich einfach schnell an den Erfolg gewöhnt“, sagt Frank Schmidt zu dem anhaltenden Hype in der neuen Saison. Dass die Erfolgskurve weiter einen ähnlichen Verlauf nimmt, glaubt er aber nicht. „Das wird eine brutale Saison für uns“, blickt er voraus. Dabei sieht sich der 50-Jährige nicht in der Rolle des Pessimisten, sondern des Realisten. „Wir dürfen die Vorsaison nicht ins Verhältnis zu Platz 8 setzen“, sagt er. „Der Platz war mit Blick auf die Punktzahl zu gut.“ Doch nicht nur von der geringen Punkteausbeute der Konkurrenz hat der FCH laut Schmidt profitiert, sondern auch von dem Umstand, dass seine Mannschaft „überperformt“ hat. „Drittens ist auch der Überraschungsfaktor nicht mehr da“, ergänzt Schmidt, der sich auf andere Szenarien vorbereitet. Der FCH müsse sich in dieser Saison auf Rückschläge gefasst machen, von denen er sich nicht aus der „Bahn werfen lassen darf“, so der Heidenheimer Trainer. „Wir können das einordnen. Um es zu schaffen, brauchen wir aber auch unsere Fans, Zuschauer und Sponsoren“, sagt der 50-Jährige, der ein Saisonziel formuliert, das deutlich hinter dem Abschneiden der Vorsaison liegt. „Wir wollen wieder überraschen und drei Mannschaften hinter uns lassen“, so Schmidt. Wie das funktionieren soll? Mit typischen Tugenden des FCH: „Das Entscheidende ist das Kollektiv und der Zusammenhalt.“
4. Herausforderung: Der Saisonstart mit Dreifachbelastung
Nach dem Max-Liebhaber-Pokal, um den sich der FCH an diesem Samstag, 10. August, mit Espanyol Barcelona streitet, folgt eine Woche später die erste Pokalrunde – genauso wie in der vergangenen Saison. Was danach kommt, ist komplett neu: Fünf Tage nach der Partie in Villingen geht es zum Play-off-Hinspiel der Conference League nach Estland oder Schweden. Keine 72 Stunden später wartet in der Bundesliga auswärts der FC St. Pauli. In der folgenden Woche steht das gleiche Programm an: donnerstags Europapokal, sonntags das erste Heimspiel in der Liga. Mit sechs Partien binnen 16 Tagen erwartet den FCH nicht nur viel Reisestress, sondern auch ein völlig neuer Spielrhythmus. „Wir haben keine Erfahrung mit so einer Situation“, sagt Frank Schmidt. Um die fehlenden Erfahrungswerte zu kompensieren, setzte der FCH auf seine guten Kontakte zu anderen Vereinen. „Wir haben bei Mannschaften nachgefragt, die es schon kennen, häufig am Mittwoch und Samstag zu spielen“, sagt Schmidt, der sich vor allem in Sachen Belastungssteuerung schlau machte und diese dann gleich selbst umsetzte. So war es kein Zufall, dass zwischen den beiden Testspielen im Trainingslager gegen Parma Calcio und Aris Limassol nur zwei Trainingstage lagen. „Wir wollten den Spielern zeigen, wie sich so ein Spielrhythmus in vier Tagen anfühlt“, sagt er.
Der doppelte Test im Europapokal-Rhythmus ging mit zwei Siegen auf. Und selbst wenn der Saisonstart ähnlich erfolgreich verläuft, werden auf Frank Schmidt und seine Spieler in den folgenden Monaten noch weitere Herausforderungen warten.