Interview

Wie Frank Schmidt den Balanceakt zwischen Aufmerksamkeit und sportlichem Erfolg schafft

Erfolge, Ehrungen und die Herausforderungen im neuen Fußballjahr: Im Trainingslager im spanischen Algorfa blickte Trainer Frank Schmidt im HZ-Interview auf die ersten emotionalen Monate in der Bundesliga zurück. Zudem spricht der 50-Jährige über sportliche und persönliche Herausforderungen, den Bedarf an Neuzugängen und die DFL.

Aufstiegsrennen, Zweitliga-Meisterschaft und viele spektakuläre Premieren in der Fußball-Bundesliga. Das Fußball-Jahr 2023 war das erfolgreichste und auch emotionalste in der Vereinsgeschichte des 1. FC Heidenheim. Als Vater des Erfolgs wurde FCH-Trainer Frank Schmidt immer wieder in den Mittelpunkt gerückt. Das große Ausmaß an Lob und die Fokussierung auf seine Person erzeugten bei dem jüngst 50 Jahre alt gewordenen Schmidt zunehmend Druck. Vor der ersten Bundesliga-Partie des Jahres am kommenden Samstag, 13. Januar, beim 1. FC Köln erklärt er, wie er mit dem gesteigerten Interesse umgeht und wie er den Aufsteiger zum Klassenerhalt in der Bundesliga führen will.

Guten Tag, Herr Schmidt. Kennen Sie die Städte Nordhausen und Oranienburg?

„Nordhausen, ja. Da kommt Theuer (Norman Theuerkauf, Anm. d. Red.) her. Oranienburg nicht. Das ist wohl auch die Heimat von einem unserer Spieler.“

Nicht ganz. Es sind beides Städte mit etwa 50.000 Einwohnern und einem Fußball-Verbandsligisten. Ähnlich wie Heidenheim vor rund 20 Jahren. Mittlerweile ist Ihr Geburtsort in ganz Deutschland bekannt. Sind Sie stolz darauf, einen Teil dazu beigetragen zu haben?

„Stolz ist vielleicht das falsche Wort. Stolz ist man auf wenige Momente im Leben. Nicht wegen jeder Situation, die in Folge der Arbeit und des Erfolgs eintritt.“

Welches Wort ist passender?

„Ich bin froh, ein Teil davon zu sein. Das Eine ist es, erfolgreich zu sein. Das Andere ist es aber, für Identifikation zu sorgen. Der erste Schritt ist der Erfolg in der Stadt und in der Region. Wir sind aber auch Botschafter des Vereins und der Stadt, wir sind Vorbilder von mittlerweile Tausenden von jungen Menschen, dem muss man auch gerecht werden. Deshalb bin ich froh, dass uns das gelungen ist.“

Es identifizieren sich viel mehr Menschen mit uns und die Euphorie ist riesig.

FCH-Trainer Frank Schmidt

Das halbe Jahr in der Bundesliga ist nicht nur für die jungen Fans in Heidenheim besonders gewesen, sicherlich doch auch für den früheren Fußballer und Trainer Frank Schmidt?

„Definitiv. Das ist etwas Besonderes. Aus meiner Sicht als Spieler, der mit Alemannia Aachen bei einem ehemaligen Bundesliga-Verein mit viel Tradition in der 2. Liga gespielt hat, war das undenkbar. Es ist eine ganz große Sache, dass der 1. FC Heidenheim in der Bundesliga spielt. Das ist unglaublich, aber auch unglaublich schön.“

Vor der letzten Partie gegen den SC Freiburg wollten Sie kein Zwischenfazit ziehen. Jetzt ist die Gelegenheit. Wie lautet das Fazit nach 16 Spielen?

„Man darf nicht nur die 16 Spiele isoliert sehen, sondern muss auch das ganze Drumherum betrachten. Das ist es, was bei uns alles verändert hat. In der 2. Liga war die Wahrnehmung, der Fokus von außen und der Stellenwert bei Weitem nicht so groß. Mit dem Aufstieg hat sich das alles vervielfacht. Und natürlich haben sich auch die sportlichen Anforderungen in der Bundesliga geändert. Wir treffen bei den Gegnern auf eine nochmal ganz andere fußballerische Qualität, auch das Tempo ist deutlich höher.“

Auch der Blick der Menschen auf den FCH ist ein anderer geworden.

„Es will jetzt jeder teilhaben und dabei sein. Es identifizieren sich viel mehr Menschen mit uns und die Euphorie ist riesig. Damit müssen wir auch umgehen.“

Sie haben in den ersten Wochen vom "Lernen müssen" gesprochen. Was musste ihre Mannschaft erst lernen?

„Was ich schon im Vorfeld gesagt hatte, hat sich bewahrheitet. Wir mussten uns darauf einstellen, dass wir unsere beste Leistung bringen und es nicht immer für Punkte reicht. Es gab Spiele wie in München, als wir nach dem 2:2 dachten, es geht noch was. Oder bei den 2:0-Führungen gegen Hoffenheim und Augsburg, da wurde uns trotzdem das Spiel noch entrissen. Wir müssen damit umgehen, dass Negativerlebnisse oder besser gesagt Negativergebnisse dazugehören.“

Sie und Ihr Team haben schnell gelernt. Wie haben Sie es geschafft?

„Du musst weiter entschlossen bleiben, du musst sehr viel Demut mitbringen, darfst aber die Freude und den Spaß nicht verlieren. Das ist die Kunst gewesen in dem halben Jahr, das so hinzubekommen.“

Was haben Sie als Trainer noch dazugelernt?

„Euphorie ist in einem Bundesliga-Spiel ganz schlecht. In München kommst du zurück nach einem 0:2-Rückstand und dann entgleitet uns das Spiel wieder, weil nicht alle ihren Job zu 100 Prozent gemacht haben. Da musste ich lernen, das noch gezielter einzufordern. Und die Spieler zu sensibilisieren, dass Fehler noch viel mehr bestraft werden. Aber ich möchte nicht nur über das Negative reden. Wir haben auch gelernt, dass wir mit unserem Fußball Erfolg haben können.“

Stets im Scheinwerferlicht: Frank Schmidt war ein gern gesehener Interviewgast. Eibner-Pressefoto/Silas Schueller

Mit diesem Fußball hat der FCH schon 20 Punkte geholt.

„Aber trotzdem gibt es keine Garantie, dass wir die Klasse halten. Jeder muss sich bewusstmachen, dass die Rückrunde in der Bundesliga für uns noch schwieriger werden wird. Die Bundesliga kennt den FCH jetzt. Wir haben es in dem halben Jahr geschafft, für etwas zu stehen, akzeptiert zu werden und haben viele Sympathien hinzugewonnen.“

Eine gute Basis für das Erreichen des Saisonziels ist es dennoch?

„Wir haben es geschafft, eine ideale Ausgangsposition für die Rückrunde herzustellen. Man darf nicht vergessen, dass wir nach 13 Spieltagen nur zwei Punkte Vorsprung auf den Abstiegsrelegationsplatz und drei Punkte auf den ersten direkten Abstiegsplatz hatten. Drei Spieltage später waren es dann zehn Punkte auf die Abstiegszone. Das bedeutet: Wenn es so schnell in die eine Richtung geht, kann es auch schnell in die andere gehen. Dessen sind wir uns bewusst.“

Es gab auch schwierige Phasen - wie die beiden Niederlagen gegen Borussia Mönchengladbach.

„Das war enttäuschend. Damals lagen wir sehr eng beieinander in der Tabelle und haben das als Chance gesehen. Die Leistung bei der Niederlage in der Bundesliga war ok. Die Reaktion ein paar Tage später im DFB-Pokal – wo einige andere Spieler die Chance bekommen haben, sich zu zeigen - aber nicht. Wie mutlos wir uns da präsentiert haben, da hat man vor Augen geführt bekommen, dass es so nicht geht. Da war jede Kritik berechtigt.“

Darauf folgte ein für viele überraschendes 2:0 gegen den VfB Stuttgart.

„Ein großes Kompliment an die Mannschaft, gegen den VfB dann so ein Spiel abzuliefern. Danach kam eine Entwicklung und das nicht nur bei den ersten elf Spielern, sondern bei der gesamten Mannschaft.“

Sie haben viel Lob und Auszeichnungen erhalten, wie gehen Sie mit der Aufmerksamkeit um?

„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht freut. Auf der anderen Seite ist mir das fast schon ein bisschen unangenehm gewesen zum Schluss. Das Jahr war schon wahnsinnig intensiv, im Dezember ging das dann über in Unwohlsein. Da war ich froh, dass Weihnachten war und ich mich zurückziehen konnte.“

Das Jahr war schon wahnsinnig intensiv, im Dezember ging das dann über in Unwohlsein.

Frank Schmidt, FCH-Trainer

Mit dem ständigen Fokus entsteht auch Druck.

„In der Nacht vor meinen Geburtstag habe ich überhaupt nicht gut geschlafen, was für mich völlig untypisch ist. Ich wollte nur, dass es endlich vorbei ist und wieder Normalität einkehrt. Man darf das auch nicht falsch verstehen. Ich bedanke mich für den Ehrenring. Und auch die Auszeichnung zur Persönlichkeit des Jahres des Kicker-Sportmagazins ist etwas Besonders. Gerade, dass dabei das Soziale und das Zwischenmenschliche geehrt wurde, freut mich sehr. Alles andere ist Sport und damit Gemeinschaftsarbeit. Weder für den Aufstieg noch für verlorene Spiele bin ich alleine verantwortlich. Deshalb sind es Auszeichnungen für alle.“

Auch als Interview- und Gesprächspartner waren Sie gefragt. Wie haben Sie die Flut an Anfragen bewältigt?

„Ich habe auch viel abgelehnt. Meine Frau sagt immer, wir versuchen an jedem Tag unser Bestes zu geben, das muss reichen. Und damit hat sie vollkommen recht. Das bedeutet aber auch, dass nicht alle Menschen damit einverstanden sind. Ich musste lernen, auch Nein zu sagen, egal was der eine oder andere über mich denkt.“

Manchmal konnten Sie aber nicht Nein sagen. Sie waren in den Podcasts von Ewald Lienen und Toni Kroos zu hören.

„Zu Ewald Lienen besteht schon länger eine Beziehung, da war es schwierig abzusagen (lacht). Und natürlich hat es auch Spaß gemacht, mit Toni Kroos zu sprechen. Das muss man sich vorstellen. Wir sind gerade aufgestiegen, ich bin mit meiner Tochter im Urlaub und sitze im Hotelzimmer auf Gran Canaria, mache einen Podcast mit Toni und Felix Kroos. Toni ist in Madrid und Felix in Berlin. Aber über die Phase der Glückseligkeit und Euphorie bin ich längst hinweg. Deshalb ist es ein klares Anliegen von mir, mich zurückzunehmen, damit ich mich auf das Sportliche konzentrieren kann.“

Zurück zum Sportlichen. Gab es Spiele, die für Sie besonders waren?

„Mit das emotionalste und vielleicht auch wichtigste war das Spiel in Dortmund. Wir sind mit zwei Niederlagen in die Saison gestartet, und dort nach einem 0:2-Halbzeitrückstand vor 80.000 Zuschauern auswärts den ersten Bundesligapunkt unserer Geschichte zu holen, hat uns einen Schub gegeben. Danach folgte gleich der erste Bundesliga-Sieg gegen Bremen.“

Jubel mit Torwarttrainer Bernd Weng: Für Frank Schmidt steht der gemeinsame Erfolg im Mittelpunkt. Eibner/Michael Weber

Und die Treffen mit prominenten Kollegen – wie mit Thomas Tuchel und Xabi Alonso?

„Das reduziert sich bei den Spielen auf wenige Momente mit den Trainerkollegen. Ich weiß aber, wo ich herkomme und was die anderen schon gleistet haben. Die Wertschätzung, der Respekt und die Anerkennung sind definitiv da und ich schaue da auch nach oben. Es geht aber auch darum, meinen Verein und mein Umfeld zu repräsentieren. In diesen Momenten ist man aber extrem dankbar, einer von 18 zu sein, die in der Bundesliga mit dabei sind.“

Weder für den Aufstieg noch für verlorene Spiele bin ich alleine verantwortlich.

Frank Schmidt über den Fokus auf seine Person.

Die Bundesliga hat und wird sich weiter verändern, die Deutsche Fußball Liga steht dafür seit Längerem in der Kritik der Fans. Was denken Sie darüber?

„Was ich dazu sagen kann, ist, dass die DFL versucht, auf alle Bedürfnisse der Vereine und der Trainer einzugehen. Ich bin als Vertreter der Trainer beim Bund Deutscher Fußballlehrer dabei, wir tauschen uns regelmäßig mit der DFL aus. Da gibt es keine Vorgaben, sondern es werden Meinungen abgefragt. Wir Trainer werden mit ins Boot genommen und gehört - das kann auch mal nach außen getragen werden. Was letztlich entschieden wird, steht auf einem anderen Blatt Papier.“

Der Fußball wandelt sich trotzdem. Beeinflusst das Ihre Arbeit?

„Ich werde von meinem Weg und meiner Vorstellung von emotionalem und wertegeprägtem Fußball, der den Fans gehört, nicht abweichen. Außer, es sagt mir jemand, du musst das so und so machen. Dann antworte ich: Es war eine schöne Zeit, ich habe sehr viel Spaß gehabt und ich mache jetzt etwas ganz Anderes.“

Es kommen viele Höhepunkte, aber ich sehe da die große sportliche Herausforderung.

Der FCH-Trainer über die Topspiele in der Rückrunde.

In der Rückrunde warten auf Ihre Mannschaft und die Fans Heimspiele gegen den BVB und den FC Bayern. Ist da schon Vorfreude da?

„Dass viele Fans als erstes an diese Spiele denken, ist verständlich. Für uns stehen zunächst aber der Wiederauftakt in Köln und danach das erste Heimspiel in der Rückrunde gegen den VfL Wolfsburg im Fokus - mit Trainer Niko Kovac und Jonas Wind, der zwei Tore gegen uns gemacht hat. Das ist der Pragmatismus, den wir an den Tag legen müssen. Die Highlights und das Spiel gegen Dortmund sind bei vielen Fans ein großes Thema. Es kommen viele Höhepunkte, aber ich sehe da die große sportliche Herausforderung. Die großen Mannschaften, gegen die wir auswärts nicht gepunktet haben, kommen zu uns. Und wir müssen bei den direkten Konkurrenten spielen, das wird bedeutend schwerer für uns.“

Braucht es für diese Herausforderung noch Verstärkungen? Sie hatten sich im Sommer noch einen Innenverteidiger gewünscht.

„Das war im Sommer.“

Ist das jetzt anders?

„Genau. Mit Benedikt Gimber haben wir einen gefühlten Neuzugang auf dieser Position. Er hatte einen schwierigen Start und war damals noch keine Alternative als Innenverteidiger. Als er gebraucht wurde, hat er seine Chance aber genutzt.“

Sie sehen also keinen Bedarf mehr für Wechsel?

„Ich bin dankbar für die Mannschaft, mit der ich momentan arbeite. Im letzten Jahr war das auch so. In der zweiten Liga gingen wir als Dritter in die Winterpause. Alle Konkurrenten haben ihre Kader nachgebessert, nur ein Verein nicht: der 1. FC Heidenheim. Und wir sind ohne Winter-Transfer Meister geworden.“

Hören Sie im HZ-Podcast, wie die HZ-Sportredaktion die Hinrunde bisher einordnet und bewertet:

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