Vor sechs Jahren stellte der 1. FC Heidenheim im Zuge einer Machbarkeitsstudie erstmals seine Pläne für einen Ausbau der Voith-Arena auf 25.000 Zuschauer und eine Verbesserung der umliegenden Infrastruktur auf dem Schlossberg vor. Inzwischen spielt der Verein in der Bundesliga und sogar in der europäischen Conference League und hat bald einen internationalen Topklub wie den FC Chelsea zu Gast.
Die Mühlen der Bürokratie mahlen aber weiter gemächlich. Wie ist der Stand bei der Änderung des Bebauungsplans, wann ist mit einem Baubeginn zu rechnen und wie werden die Topspiele bis dahin organisiert? Dazu nehmen die im FCH-Vorstand für Organisation und Lizenzierung zuständige Petra Saretz sowie der Vorstandsvorsitzende Holger Sanwald im Interview Stellung.
Gemessen am schnelllebigen Fußballgeschäft hat der FCH schon vor einer halben Ewigkeit die Änderung des Bebauungsplans beantragt. Wie ist mittlerweile der Stand der Dinge?
Petra Saretz: Anfang des Jahres war die zweite öffentliche Auslegung. Dazu sind Stellungnahmen eingegangen, die die Stadt bearbeitet hat oder in Bearbeitung hat. Parallel muss der übergeordnete Regionalplan angepasst werden. Das erfolgt derzeit beim Regionalverband und das Ziel ist, mit allen Dingen in der Bearbeitung so weit zu sein, dass im Dezember oder spätestens im Januar der Gemeinderat den Satzungsbeschluss für diesen Bebauungsplan und den Flächennutzungsplan fassen kann.
Holger Sanwald: Wenn der Satzungsbeschluss des Gemeinderats vorliegt, sind wir einen Riesenschritt weiter. Für alle FCH-Fans wäre das zu Weihnachten eine super Nachricht.
Und dann könnte es losgehen?
Saretz: Nein, so schnell geht es nicht. Dann kann die Stadt den Plan beim Regierungspräsidium zur Genehmigung einreichen. Das wird vermutlich rund vier Wochen dauern. Dann würde sozusagen unser Leitfaden für einen möglichen Ausbau stehen und wir könnten in die Detailplanung gehen, beziehungsweise diese noch mal neu aufnehmen, weil sich seit 2018 ja die Bedürfnisse verändert haben.
Und dann wird gebaut?
Saretz: Anschließend müssen wir uns mit einem Projektierungsbüro an die Arbeit machen, um eine Ausbauzeitplanung und Kostenschätzung zu erstellen. Das wird uns voraussichtlich im Laufe des Jahres 2025 beschäftigen und ich denke, dass wir dann so weit wären, um Baurecht zu erlangen.
Das ist eigentlich ein Wahnsinn, oder?
Saretz: Ja gut, es ist ein Großprojekt, wir wollen nicht nur eine Fertiggarage bauen. (schmunzelt) Zudem handelt es sich um eine Versammlungsstätte, da gelten andere Vorgaben und es gibt immer noch mal mehr Bürokratie. Und wenn man weiß, was beispielsweise ein Artenschutz-Gutachten an Zeit beansprucht, ist das nicht ungewöhnlich.
Also ist mit einem Baubeginn nicht vor 2026 zu rechnen, das sind dann acht Jahre nur für die Planung …
Sanwald: Sicherlich haben wir uns am Anfang auch einen zeitlich kürzeren Rahmen vorgestellt. Aber wir haben schon gelernt, dass es manchmal gut ist, Geduld zu haben, damit am Ende auch alles wirklich richtig gut wird. Man darf auch nicht vergessen, dass das jetzt schon der dritte Heidenheimer Gemeinderat ist, der sich mit dem Projekt beschäftigt. Das soll entsprechend seriös entschieden werden können.
Sie klingen da ziemlich demütig, ärgert es nicht, dass bei einem ausgebauten Stadion derzeit weitaus mehr Tickets verkauft werden könnten?
Sanwald: Wir würden es uns wünschen, wir leben ja davon, viele Fans mit dem Stadionbesuch in der Voith-Arena zu begeistern. Vielleicht verstehen jetzt auch viele, die keine Tickets bekommen, warum wir das vor sechs Jahren angestoßen haben. Aber momentan ist es so, da hilft auch Jammern nicht, weil das sowieso im Leben nie hilft.
Und so ist die Jagd nach Karten auch ein bisschen ein Glücksspiel?
Sanwald: Wir tun alles dafür, das so gerecht wie möglich zu gestalten. Deshalb haben wir uns auch auf Wunsch zahlreicher Fans für das Bundle-Angebot in der Ligaphase der Conference League entschieden. Wer gegen Ljubljana und St. Gallen kommt, der soll auch Karten für Chelsea bekommen. Im Wissen, dass leider nicht jeder FCH-Fan gegen Chelsea dabei sein kann. Egal für welchen Vergabemodus wir uns entscheiden, es wird immer Kritik geben, da die Nachfrage viel höher als unsere Stadionkapazität ist.
Saretz: Der Zweitmarkt für FCH-Mitglieder ist schon auch wichtig. Beim Spiel gegen Ljubljana wurde dieser schon sehr gut genutzt und viele FCH-Fans konnten noch Karten erhalten – sowohl aus nicht beanspruchten Kontingenten der Uefa als auch aus dem Gästekontingent von Olimpija Ljubljana.
Gab es Gedanken, beispielsweise gegen Chelsea in ein anderes Stadion auszuweichen?
Saretz: Betriebswirtschaftlich wäre es ohnehin mit erheblichen Kosten verbunden gewesen, in ein anderes Stadion zu gehen. Und du musst erst einmal eines bekommen.
Sanwald: Es ist eine Riesenleistung von Petra und unserem gesamten Verein, dass wir nicht in ein Ausweichstadion gehen mussten. Hier in der Voith-Arena unsere internationalen Spiele durchführen zu können, hing am seidenen Faden. In Augsburg oder Stuttgart beispielsweise zu spielen – das wäre nicht das Gleiche.
Kommen wir zurück zur Bundesliga. Der FCH wird also noch auf absehbare Zeit mit einer Sondergenehmigung spielen müssen?
Sanwald: Wir sind froh, dass alle Beteiligten mitmachen. Auch hier muss ich meiner Vorstandskollegin Petra Saretz ein großes Kompliment machen. Sie konnte bei der DFL immer wieder glaubhaft nachweisen, dass wir uns in einem Prozess zur Weiterentwicklung unserer Infrastruktur befinden und es vorwärtsgeht.
Hätte es der Verein im Nachhinein anders gemacht, vielleicht einen anderen Standort gesucht?
Sanwald: Wir sind hundertprozentig davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung ist. Der Schlossberg ist der richtige Standort für den FCH. Alles, was schon an Infrastruktur da ist, an Tradition, an Heimvorteil, spricht dafür. Außerdem hätte an anderen alternativen Standorten auch der Bebauungsplan geändert werden müssen. Wir hätten zeitlich also nichts gewonnen.
Wir lernen also: Gut Ding will Weile haben und ein besonders gutes Ding besonders viel Weile. Aber können wir trotzdem mal einen Blick nach vorn wagen? Wie sind die Pläne?
Sanwald: Wie wir immer gesagt haben, wollen wir von außen nach innen vorgehen. Erste Priorität hat die umliegende Infrastruktur wie zum Beispiel der Bus-Shuttle, um die Spieltags-Abläufe zu verbessern. Der Ausbau auf 25.000 Plätze wäre erst danach der nächste Schritt.
Saretz: Natürlich gibt es noch ganz viele weitere Maßnahmen. Zu dem kommt noch, dass unsere Sicherheitsumfahrung und die Evakuierungsflächen schon zu Zweitligazeiten nicht optimal waren.
Sanwald: Das war der erste Impuls für den Antrag, den Bebauungsplan zu ändern. Dass die Blaulicht-Organisationen uns gesagt haben, dass unsere Infrastruktur derzeit nicht dem entspricht, was wirklich zwingend erforderlich ist.
Zur Infrastruktur zählen der Busbahnhof und die schon viel diskutierten Parkhäuser?
Saretz: Es heißt immer: Der FCH will neue Parkhäuser bauen. Hintergrund ist: Durch den Wegfall des Parkplatzes vor der Osttribüne, der zum Busbahnhof werden soll, und der zusätzlichen Zuschauerkapazität müssen wir neue Parkflächen schaffen – das ist eine Vorgabe durch das Baurecht.
Sanwald: Es ist nicht der FCH, der diese Parkhäuser unbedingt will, das ist ein Ergebnis der erforderlichen Verkehrsplanung des beauftragten Ingenieurbüros. Aber wir sind der Überzeugung, dass davon der ganze Schlossberg profitieren wird – unsere Nachbarvereine HSB und SVM, das Naturtheater, die Opernfestspiele, das Klinikum und auch das Congress-Centrum – letztendlich alle Besucher des Schlossbergs.
Und eine gemeinsame Lösung mit einer Firma kam nicht infrage?
Sanwald: Wir haben alle möglichen Alternativ-Standorte sorgfältig geprüft. Damit Parkflächen gemäß Versammlungsstättenverordnung für die Voith-Arena anrechenbar sind, müssten diese im Grundbuch abgesichert werden. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass dies für keine Firma infrage kommt.
Wie soll das neue Stadion aussehen?
Sanwald: Wir könnten auf maximal 25.000 Plätze ausbauen. Dabei wäre es am sinnvollsten, die Ost-, Süd- und Westtribüne um eine Etage zu erhöhen. Um die Detailplanungen können wir uns aber erst nach Abschluss des Bebauungsplanverfahrens kümmern.
Werden die zusätzlichen 10.000 Plätze alles Sitzplätze?
Sanwald: So ist es im Moment angedacht, aber auch darüber müsste dann noch gesprochen werden.
Mit welcher Bauzeit ist zu rechnen?
Saretz: Da sind wir nicht die geeigneten Ansprechpartner, da brauchen wir dann zu dem Zeitpunkt x eine Projektierungsgesellschaft. Da müssen so viele Dinge parallel laufen.
Wie soll das Ganze finanziert werden?
Sanwald: Zunächst muss vorher die konkrete Planung stehen, damit die entsprechenden Kosten ermittelt werden können. Aber davon unabhängig: Da kommen große Investitionen auf uns zu. Man darf nicht vergessen: Wir sind auf dem Weg, uns in der Bundesliga zu etablieren, schließlich erst ganz am Anfang. Viele Konkurrenten spielen in Stadien, die schon bezahlt sind. Das ist auch ein Grund, warum wir auch in der Zukunft weiter Transfererlöse erzielen müssen. Wenn wir den Stadionumbau über Fremdkapital finanzieren würden, müssten wir den Verein extrem belasten und das finanzielle Risiko erhöhen.
Was gibt es für eine Alternative?
Sanwald: Eine weitere Möglichkeit wäre, den Profifußball in einer Kapitalgesellschaft auszulagern. Unsere Vereinsführung und auch die große Mehrzahl unserer Mitglieder und Fans wünschen sich aber, dass wir unseren Status als einer der wenigen eingetragenen Vereine in der Bundesliga nicht aufgeben. Deshalb ist unser momentan favorisiertes Modell, eine Stadiongesellschaft zu gründen, um den Ausbau mit entsprechenden Partnern zu realisieren. Positive Signale dazu haben wir bereits erhalten.
Wie lange wird gebaut?
Bei Aussagen zur Bauzeit und den Kosten halten sich die FCH-Vorstandsmitglieder verständlicherweise zurück, zu viele Punkte sind noch zu klären. Sicherlich wird ein Umbau aber nicht in einer Sommerpause über die Bühne gehen.
Zum Vergleich: In Stuttgart dauerte nur der Umbau der Haupttribüne und einger Funktionsräume im Vorfeld der Europameisterschaft 2024 knapp zwei Jahre und kostete um die 130 Millionen Euro. In Karlsruhe zog sich der Vollumbau des Wildpark von 2018 bis 2023 und war rund 123 Millionen Euro teuer. So aufwendig würde es in Heidenheim wohl nicht werden.