Das 0:3 gegen Gladbach und der Sturz ans Tabellenende vor zwei Wochen war der Tiefpunkt und ließ manche Fans schon den Glauben an den Klassenerhalt verlieren – was antworten Sie diesen?
Schmidt: Ich finde es nicht verwerflich, wenn manche Leute sagen, sie glauben nicht mehr an uns. Wir müssen ehrlich sein: Wir sind derzeit die schlechteste Mannschaft der Liga, es ist Gefahr im Verzug, und zwar richtig. Im Übrigen habe ich vor der Saison und auch nach unserer Tabellenführung am zweiten Spieltag gesagt, dass es ein knallharter Existenzkampf wird.
Nun gab es bei der TSG Hoffenheim zumindest ein Unentschieden, aber der Rückstand auf den Relegationsplatz ist auf vier Punkte angewachsen. Der eine Punkt war eigentlich zu wenig.
Schmidt: Das wissen wir nicht, vielleicht ist es der eine Punkt, der uns am Ende retten wird. Aber ja, die Spiele werden weniger und eigentlich, mit Blick auf die Tabelle, war der Punkt zu wenig. Auf der anderen Seite, wenn man die Leistung der Mannschaft sieht, war es genau das, was wir brauchen. Weg vom möglichst schön spielen und hin zum knallharten Existenzkampf. Wir werden sehen, ob das nun noch einmal diese Initialzündung war, die wir auch brauchen. Gegen Kiel stehen wir nun vor dem bisher wichtigsten Spiel der Saison und bei einem Sieg war der Punkt von Hoffenheim dann doch richtig was wert.
Wir müssen ehrlich sein: Wir sind derzeit die schlechteste Mannschaft der Liga, es ist Gefahr im Verzug, und zwar richtig.
FCH-Trainer Frank Schmidt
Auf was ist die prekäre Situation zurückzuführen?
Sanwald: Natürlich sind es immer mehrere Dinge, die eine Rolle spielen, aber für mich gibt es zwei Hauptfaktoren. Wenn ein kleiner Verein wie der 1. FC Heidenheim für Furore sorgt, sensationell Achter in der Bundesliga wird, ist es ganz normal, dass die deutlich finanzkräftigere Konkurrenz – auch die europäische – sagt: In Heidenheim gibt es günstige Spieler, die versuchen wir zu holen. Du kannst die Leistungsträger dann nicht halten, das geht auch anderen Clubs auf unserem Level so, deshalb scheitern auch viele Vereine im zweiten Bundesliga-Jahr und steigen wieder ab.
Diesen Umbruch zu meistern, ist eine Herausforderung. Das war uns auch klar, aber dann kam noch ein zweiter Faktor dazu, die Teilnahme an der UEFA Conference League. Die hat viel mehr mit uns gemacht, als wir vorher gedacht haben. Was die Rotation bedeuten kann, hat man beispielsweise vergangenes Wochenende in der Bundesliga gesehen, als alle Vereine, die unter der Woche international gespielt haben, gegen vermeintlich schwächere Gegner als Verlierer vom Platz gingen. Und wir haben, auf Grund des Europapokals, zehn Spiele mehr in den Knochen als unsere direkte Konkurrenz.
Dann hätte sich der FCH im Nachhinein lieber nicht für den internationalen Wettbewerb qualifiziert?
Sanwald: Nein, wir werden immer die Herausforderung annehmen. Ich möchte es nicht missen, es waren tolle Spiele, ein Traum für jeden FCH-Fan. Von diesen Erfahrungen und der besonderen Wahrnehmung werden wir noch lange profitieren. Aber wir zahlen auch einen hohen Preis dafür.
Schmidt: Wenn wir nicht immer den Antrieb gehabt hätten, das Unmögliche möglich zu machen, dann würden wir heute nicht in der Bundesliga spielen.
Die Conference League ist nun für den FCH vorbei…
Sanwald: So bitter das Ausscheiden in der Verlängerung gegen Kopenhagen jetzt war, haben wir dadurch die Chance, zu unserer FCH-DNA zurückzukehren, bei der sich jeder Woche für Woche einen Platz in der Startelf erarbeiten muss und man nicht automatisch aufgrund der Rotation spielt. Deshalb glaube ich auch, dass wir definitiv noch Chancen haben, den Klassenerhalt zu schaffen. Eben weil die Doppelbelastung weg ist, weil die Spieler verstehen, was unsere DNA ist und weil es Gott sei Dank noch einige Spiele sind. Für mich ist, im Wesentlichen durch die Teilnahme an der UEFA Conference League, bildlich gesprochen der FCH-Zug so ein bisschen von der Spur gekommen. Mein Gefühl ist aber, dass wir jetzt wieder aufs Gleis kommen.
Wo liegen aus Sicht des Trainers die Gründe für den Saisonverlauf?
Schmidt: Obwohl wir Achter waren – Fluch und Segen zugleich – sind wir ja nicht als achtbestes Team in die neue Saison gegangen, sondern nominell wieder als eine der letzten drei Mannschaften. Selbst wenn wir unsere Leistungsträger Tim Kleindienst, Niklas Beste und Eren Dinkci hätten halten können, wäre es keine Garantie gewesen, dass wir in der Bundesliga bleiben. Nach dem Aufstieg 2023 war es mir extrem wichtig, dass alle unsere Leistungsträger bleiben, weil ich wusste, dass wir dann mit der Euphorie eine Chance haben, die Klasse zu halten. Mir war aber schon auch klar, was im Sommer danach passieren wird.
Der personelle Umbruch war aber nicht der einzige Faktor?
Schmidt: Dann haben wir vor dieser Saison alle Spiele in der Vorbereitung gewonnen, sind im DFB-Pokal weitergekommen, qualifizieren uns für die Conference League mit zwei Siegen gegen BK Häcken und gewinnen die ersten beiden Spiele in der Bundesliga. Das hat uns in der Retroperspektive nicht unbedingt gutgetan. Dann kam die Belastung mit einer englischen Woche nach der anderen dazu, diese Erlebnisse drumherum. Da wachst du in Istanbul auf und denkst, wo bist du eigentlich, was ist heute für ein Tag und gegen wen spielen wir am Wochenende? Dann kam noch dazu, dass wir einige enge Spielen verloren haben. Jetzt, nach dem Aus im Europapokal, haben wir wieder mehr Zeit für Training und eine größere Konkurrenzsituation, die natürlich durch die Rotation ein bisschen ausgehebelt war, so ehrlich muss man sein.

Gab es Momente, in denen sie enttäuscht waren?
Schmidt: Beim Spiel in Istanbul war ich entsetzt, wie wir uns präsentiert haben. Weil ich weiß, das nimmst du ja auch mit in die kommenden Aufgaben. Und zuletzt das Gladbach-Spiel zu Hause hatten wir uns natürlich auch ganz anders vorgestellt.
Haben Sie selbst das Gefühl, im Trainerteam Fehler gemacht zu haben?
Schmidt: Um es gleich zu sagen: Dass beim Thema Rotation, wenn es nicht so läuft, jeder von außen mitspricht, ist klar, aber ich würde es wieder so machen. Wir haben immer die Mannschaft unterstützt, aber wir haben natürlich nicht immer nur gestreichelt. Und wir haben wirklich fast alles ausgereizt. Was ich mich am meisten ärgert, ist, dass ich gegen Kopenhagen eine gut funktionierende Viererkette am Ende aufgelöst habe.
Wie ist es als Trainer, nach so vielen erfolgreichen Jahren nun so eine Saison zu erleben?
Schmidt: Dass man da mal zweifelt, ist ganz normal, solche Niederlagenserien gehen natürlich nicht spurlos an einem vorbei. Ich muss auch akzeptieren, dass es Zweifler und Kritiker gibt, das ist ganz normal.
Sie würden es also verstehen, wenn Außenstehende sagen: Frank Schmidt ist nicht mehr der richtige Mann für diesen Posten?
Schmidt: Ja klar, so ehrlich muss man doch sein, bei anderen Vereinen hätte bei diesen Ergebnissen nicht nur ein Trainerwechsel stattgefunden, sondern wahrscheinlich schon zwei.
Sanwald: Aber genau das macht uns doch aus, dass wir uns nicht von Stimmen von außen leiten lassen. Ich habe noch zu Drittligazeiten mal einen Brief von wichtigen Heidenheimer Persönlichkeiten bekommen, in dem mir gesagt wurde, dass ich doch diesen Trainer entlassen soll. Ich war anderer Meinung, weil ich weiß, wie Frank jeden Tag arbeitet und sich mit unserem Verein identifiziert. Es gibt keinen besseren Trainer für den 1. FC Heidenheim – ohne Frank wären wir heute nicht in der Bundesliga.
Andere Vereine sagen, wir machen dem Trainer keinen Vorwurf, aber wir mussten einfach ein Zeichen setzen.
Sanwald: Genau da habe ich jedes Mal den Kopf geschüttelt. Da dachte ich immer, schaut doch mal ein Training an, schaut wie der Trainer mit der Mannschaft arbeitet, das ist doch das entscheidende. Wir brauchen keine Zeichen, wir brauchen gute Arbeit. Dann kommen auch die Siege wieder.

Wurden bei der Zusammenstellung des Kaders Fehler gemacht?
Sanwald: Ich glaube, diese Frage kann man erst abschließend beantworten, wenn die Saison vorbei ist. Ich glaube an unsere Mannschaft und nach wie vor daran, dass wir alle Möglichkeiten haben, die Klasse zu halten. Wenn wir das schaffen, wäre das in der Gesamtbetrachtung dieser Europapokal-Saison eine großartige Leistung, wenn nicht, dann müssen wir uns der Kritik stellen.
Aber das Geld für Kleindienst und Beste wurde reinvestiert oder war das nicht möglich?
Sanwald: Wir sind, was die wirtschaftliche Machbarkeit betrifft, in Sachen Transfers an die Grenze unseres möglichen gegangen. Aber die Bundesliga ist nun mal kein homogenes Gefüge. Es gibt einen gehörigen Unterschied zwischen den Topteams, dem Mittelfeld und – ich drücke es zugespitzt aus – dem Armenhaus der Liga, zu dem wir zählen. Wir haben das schon vor der Saison gesagt. Wer ist mit uns vom Budget auf Augenhöhe? Das sind zwei, drei Mannschaften. Da ist klar, dass es eng wird.
Immerhin haben Sie einen Paul Wanner bekommen. War klar, dass er als junger Spieler vielleicht Schwankungen haben wird?
Schmidt: Das haben wir in Elversberg gesehen und wussten, dass solche Schwankungen bei jungen Spielern dazugehören. Dennoch haben wir das großartige Potenzial gesehen, das in ihm steckt. Ich bin nie davon ausgegangen, dass er eine Saison komplett Stammspieler sein wird wie ein Niklas Beste. Für ihn wäre es sicherlich einfacher gewesen, nicht bei einer Mannschaft zu spielen, die im erbitterten Abstiegskampf ist. Dennoch gefällt mir wie er seine Rolle jetzt annimmt. Was auf ihn eingeprasselt ist, dass kann kein 18-, 19-Jähriger so leicht wegstecken, da ging es ja zeitweise medial nur noch darum, bei welchem Champions-League-Club er nächstes Jahr spielt.
Ich glaube an unsere Mannschaft und nach wie vor daran, dass wir alle Möglichkeiten haben, die Klasse zu halten.
Vereinschef Holger Sanwald
Im Winter gab es einen hochkarätigen Abgang – war mit Lennard Maloney keine Einigung zu erzielen?
Sanwald: Wir haben im vergangenen Sommer früh gesagt, Lenny ist ein wichtiger Teil unseres Erfolges der letzten zwei Jahre, lass uns über eine vorzeitige Vertragsverlängerung sprechen. Aber das Angebot war nicht ausreichend gut für ihn. Und wir haben uns wirklich angestrengt – im Rahmen unserer Möglichkeiten, denn bei uns gilt: Bei allem sportlichen Erfolg bringt es uns nichts, wenn wir über unsere Verhältnisse leben.
Frank Schmidt machte ihn dann zum Vizekapitän, wenige Wochen später kam er zu uns und sagte, dass er zu Mainz 05 wechseln möchte, weil er ein attraktives Angebot erhalten hatte. Wir wollten ihn aber damals nicht ziehen lassen, weil wir als absoluten Leistungsträger auf ihn gebaut haben und der personelle Umbruch im Kader ohnehin schon sehr groß war. Im Dezember rief dann sein Berater wieder an und sagte, dass Lenny noch im Winter wechseln will.
Schmidt: Er war Vizekapitän, er sollte Führungsspieler sein. Ich bin nun mal ein Mensch, für den es in so einem Moment nur 100 Prozent oder gar nichts gibt. Aber Lenny sagte mir, dass er wechseln will. Da waren es noch drei wichtige Spiele vor Weihnachten. Ich musste überlegen, wer sieht seine Zukunft hier, wer ist zu 100 Prozent in diesen wichtigen Spielen mit Haut und Haaren dabei. Daraufhin habe ich mich entschieden, ihn in diesen Spielen nicht mehr in den Kader zu nehmen. Im Trainingslager haben wir daraufhin nochmal miteinander gesprochen. Die Tür für ihn war wieder auf, aber er wollte nicht mehr, er wollte weg.
Konsequenz war wohl auch das Stichwort bei Leo Scienza, der vergangenes Wochenende aus dem Kader flog…
Schmidt: Das ist schon wieder ausgeräumt. Sein Verhalten im Abschlusstraining nach einer Entscheidung von mir war nicht so professionell, wie es die Mannschaft von sich selbst gefordert hat. Da muss ich als Trainer dann auch konsequent sein, so leid es mir tut. Da bleibt auch nichts hängen, wir setzen auf ihn.
Insgesamt ist herauszuhören, dass Sie sehr optimistisch bleiben…
Sanwald: Ja, das ist auch nicht gespielt. Wenn wir mal zwei Jahre zurückblicken: In der 92. Minute in Regensburg sprach damals auch nicht so viel dafür, dass der FCH in die Bundesliga aufsteigt, jemals aufsteigt. Dann haben wir in sechs Minuten die Fußballwelt auf den Kopf gestellt und mit zwei Toren das Spiel gedreht. Im Fußball ist immer alles möglich.
Und sollten wir es doch nicht schaffen: Wir haben als Verein unsere Hausaufgaben gemacht, alle Leistungsträger bis auf Paul Wanner und Frans Krätzig, die ausgeliehen sind, haben ligaunabhängig auch für die nächste Saison Vertrag. Das ist ein ganz großer Unterschied zu dem, was andere Mannschaften in dieser Situation haben. Jeder Einzelne spielt jetzt in den letzten Spielen um seine Existenz, denn dass in den Verträgen für die 2. Liga finanziell etwas anderes drinsteht, als in der Bundesliga ist ja klar.
Das heißt, wenn es am Ende doch nicht klappt, geht’s beim 1. FC Heidenheim weiter?
Sanwald: Ja! Entweder wir halten die Klasse und spielen unser drittes Bundesliga-Jahr in Folge, dann ist ohnehin alles gut. Wenn das nicht gelingt, dann haben wir nächste Saison in der 2. Liga eine gute Mannschaft oder entsprechend Transfererlöse und können reinvestieren. Dass wir absteigen, pleite sind und durchrauschen wird nicht passieren, da kann ich alle Fans beruhigen. Unserem Verein und unseren Fans muss vor der Zukunft also so oder so nicht bange sein.
Die Lizenz für 1. und 2. Liga wurden beantragt?
Sanwald: Ja, das haben wir auch immer so gemacht.