Interview

„Wieder in der Außenseiterrolle“: Warum Trainerlegende Helmut Dietterle fest an den Klassenerhalt des FCH glaubt

Helmut Dietterle kennt den 1. FC Heidenheim und dessen Trainer gut. Als Coach war er selbst beim HSB an der Seitenlinie, trat mit anderen Vereinen gegen den FCH an und ist heute interessierter Fußballbeobachter. Der 73-Jährige glaubt im Abstiegskampf der Bundesliga an die Qualitäten von Frank Schmidt und erklärt, warum die Heidenheimer gute Chancen auf den Klassenerhalt haben.

Den Abstiegskampf hat Helmut Dietterle selbst in verschiedenen Rollen am eigenen Leib erlebt. Als Spieler stieg der heute 73-Jährige mit dem VfB Stuttgart 1975 aus der Bundesliga ab. Bei seiner prägendsten Trainerstation – den Sportfreunden Dorfmerkingen – kämpfte er 47 Jahre später in der Oberliga um den Klassenverbleib. Nicht nur, weil er selbst ein Jahr in Heidenheim auf der Trainerbank saß, beobachtet Dietterle die aktuelle Situation des FCH in der Bundesliga ganz genau. Die Heidenheimer sieht er trotz der vielen Rückschläge als Außenseiter im Abstiegskampf in einer guten Position.

Vor zwei Jahren haben Sie Ihren Trainerjob an den Nagel gehängt. Welche Rolle spielt der Fußball bei Ihnen noch? Schauen Sie auch mal in Richtung Heidenheim?

Fußball interessiert mich nach wie vor und ja, auch den FCH habe ich weiterhin im Auge. Ich beobachte mit Spannung, was da passiert. Meistens schaue ich die Spiele im Fernsehen. Am sechsten Spieltag war ich beim Heimspiel gegen RB Leipzig im Stadion, es war eine unglückliche 0:1-Niederlage. 

In der Saison 2003/04 waren Sie Trainer beim HSB, wie eng sind Ihre Verbindungen noch nach Heidenheim?

Ja, das war ein interessantes Jahr. Damals sind wir aus der Verbandsliga in die Oberliga aufgestiegen, Frank Schmidt war noch Spieler. Mit ihm bin ich noch lose in Kontakt. Ich kenne aus dieser Zeit aber einige Leute, die heute noch auf der Bank sitzen. Torwarttrainer Bernd Weng und Alexander Raaf waren damals schon da – und Holger Sanwald natürlich auch. Es war jedoch alles noch etwas kleiner.

Helmut Dietterle kennt die Außenseiterrolle: Mit den Sportfreunden Dorfmerkingen gewann er 2017 überraschend den WFV-Pokal. Foto: Baur/Eibner

Es war eine schwierige Saison, die dennoch ein glückliches Ende genommen hat.

Wir waren in der Tabelle eigentlich schon abgeschlagen und haben es dann noch in die Relegation geschafft. In den Relegationsspielen gegen Offenburg haben wir zweimal gewonnen, und das war dann der Aufstieg in die Oberliga.

Der FCH steckt ebenfalls in einer schwierigen Saison, wie blicken Sie auf die Situation auf dem Schlossberg?

Ich beobachte es mit großer Spannung, muss ich sagen. Ich war aber nicht überrascht. Ich glaube, dass die Verantwortlichen schon von Anfang an wussten, was in diesem Jahr auf sie zukommt. Diese Herausforderung des Klassenerhalts ist nicht erst seit Kurzem ein Thema, sondern seit dem ersten Spieltag.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Heidenheimer im Abstiegskampf ein?

Sie haben neun der 15 Punkte in den ersten Spielen geholt. Die Bilanz danach ist abstiegsreif. Die internationalen Erfolge haben das ein bisschen übertüncht. Jetzt geht es in die entscheidende Phase. Sie befinden sich jetzt in der Außenseiterrolle. Aber der FCH hat alle seine großen Erfolge aus dieser Position des Außenseiters erreicht, sei es der Aufstieg in die zweite und erste Liga oder die Qualifikation für Europa. Wenn sie diese Rolle erneut annehmen, dann werden sie es auch schaffen. Davon bin ich überzeugt.

Vor mehr als 20 Jahren: Helmut Dietterle stand in der Spielzeit 2003/04 als Trainer des HSB in Heidenheim an der Seitenlinie und coachte unter anderem Frank Schmidt. Foto: HZ-Archiv

Sie wissen aus eigener Erfahrung, wie es ist, als Außenseiter einen großen Erfolg zu feiern.

Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Mit Dorfmerkingen haben wir den WFV-Pokal gewonnen. Wir haben als Landesligist gegen die Stuttgarter Kickers in deren Stadion gespielt. Wir haben uns gesagt: Jetzt sind wir so weit gekommen, jetzt wollen wir dieses Spiel auch gewinnen. Und es hat geklappt. Beim FCH ist das ähnlich. Sie sind so weit gekommen und wissen, wie schön es ist, in der Bundesliga zu spielen. Sie werden alles reinhauen, ich bin optimistisch, dass es gelingt. Ich drücke alle Daumen.

Als Trainer waren Sie 2022 mit Dorfmerkingen ebenfalls im Abstiegskampf. Wie wirkt sich das auf die Beteiligten im Verein aus?

Das lässt sich schwer vergleichen. Aber es macht sehr viel mit einem. Das beschäftigt dich Tag und Nacht. Ich kann mir gut vorstellen, was in den Köpfen der Beteiligten vorgeht. Bei den Profis hängen auch Existenzen und Zukunftsperspektiven davon ab. Im Amateurfußball ist das nicht dasselbe. In Dorfmerkingen waren wir in der Oberliga weit über unseren Verhältnissen unterwegs.

In der Bundesliga ist der Druck dadurch deutlich höher. Wird Frank Schmidt in den kommenden Wochen die richtigen Hebel finden?

Daran glaube ich fest. Frank Schmidt ist ein Trainer-Naturtalent, das weiß, was zu tun ist. Wenn er unbeirrt seinen Weg weitergeht, werden sie auch wieder herausfinden aus der Geschichte. Sie haben zwei wichtige Spiele vor sich. Dann können sie in der Länderspielpause noch einmal Kräfte sammeln für einen erfolgreichen Endspurt.

Hätten Sie noch einen Tipp parat für Frank Schmidt im Abstiegskampf?

Er braucht keine Tipps von mir. Es wäre auch vermessen, ihm von außen Ratschläge zu geben.

Erst Profi in Stuttgart, dann Trainer auf der Ostalb

Den Abstiegskampf in der Bundesliga hat Helmut Dietterle als Spieler selbst erlebt. Sechs Jahre spielte er beim VfB Stuttgart (1974–1980). Mit den Stuttgartern stieg er 1975 in die zweite Liga ab, um dann zwei Spielzeiten später den Wiederaufstieg zu schaffen. Nach seinem Karriereende unterstützte er VfB-Coach Jürgen Sundermann als Co-Trainer. Danach machte er sich vor allem im Amateurfußball einen Namen. Beim heutigen Oberligisten VfR Aalen arbeitete Dietterle als Trainer und sportlicher Leiter. Zudem stand er beim TSV Crailsheim, Normannia Gmünd und dem TSV Essingen an der Seitenlinie. Sein Engagement beim Heidenheimer SB (2003/2004) endete mit dem Aufstieg in die Oberliga. Insgesamt verbrachte er 14 Jahre bei den Sportfreunden Dorfmerkingen, mit denen er zahlreiche Aufstiege feierte und 2017 den WFV-Pokal gewann.

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