Sommerserie „Ganz nebenbei“

Hinter den Kulissen eines Baseball-Spiels: Wie die Heidenheim Heideköpfe ihren eigenen Livestream produzieren

Die Heidenheim Heideköpfe bieten ihren Fans seit mehreren Jahren einen Livestream ihrer Heimspiele an. Doch was steckt eigentlich dahinter? Wer kommentiert, wer führt Regie und wo sitzen die Beteiligten überhaupt? HZ-Volontär Jan Beigelbeck hat das Stream-Team ganz nebenbei begleitet.

Es ist noch nicht viel los, als ich den Ballpark der Heidenheimer Baseballer eine Stunde vor dem ersten Wurf betrete. Einige Heideköpfe-Spieler sitzen gut gelaunt beisammen, beim Getränkeverkauf und im Essenshäuschen laufen die Vorbereitungen und auf dem Feld werfen sich ein paar Spieler der Regensburg Legionäre – der heutige Gegner – locker Bälle zu. Mein Ziel ist eine graue Holzhütte oben am Hang, direkt hinter der Homeplate – das „Reich“ des Heidenheimer Stream-Teams.

Während sich im weißen Container nebenan unter anderem der Sprecher und der DJ um ein tolles Stadionerlebnis bemühen, geht es in der Holzhütte um die Fans vor den Bildschirmen. Die Crew sorgt dafür, dass jedes Bundesliga-Heimspiel der Heideköpfe live und kostenlos auf dem Youtube-Kanal „HeideköpfeTV“ übertragen wird und kümmert sich zudem auch um den Stream der Champions-Cup-Spiele, die wiederum kostenpflichtig auf der Internetseite der World Baseball Softball Confederation zu sehen sind.

Gut zwei Stunden Vorbereitung für den Heideköpfe-Livestream

Im Inneren der Hütte sind Dominik Plitz, heute Regisseur, und Lars Thoröe, heute Kommentator, schon seit über einer Stunde in den Vorbereitungen. Zehn Bildschirme, diverse Tastaturen und Headsets, unzählige Kabel – es braucht seine Zeit, bis der Livestream tatsächlich live gehen kann. Auch vier Kameras, die den Stream-Zuschauern verschiedene Perspektiven auf das Spiel bieten sollen, müssen eingerichtet werden. Eine halbe Stunde vor Spielbeginn bittet Plitz zum Soundcheck. Ist Kommentator Thoröe im Stream gut zu hören? „Klar und deutlich“, bestätigt Plitz und nimmt sein Headset wieder ab.

Während sich im weißen Container alles um die Stadion-Zuschauer dreht, wird in der grauen Holzhütte nebenan der Livestream produziert. Foto: Rudi Penk

Der 22-Jährige muss heute den Überblick behalten. Wenn später die ersten Bälle fliegen, wechselt er zwischen den Kameras, kümmert sich um den Ton und beobachtet, ob der Stream reibungslos läuft. Zwölf Jahre lang hat Plitz selbst auf dem Schlossberg Baseball gespielt, seit einigen Jahren trägt er nun im Stream-Team Verantwortung. Vor die erste Entscheidung stellt ihn wenige Minuten später der Wettergott: Weil es unaufhörlich regnet, muss der Spielbeginn um mindestens eine halbe Stunde verschoben werden. „Wir starten die Übertragung trotzdem“, sagt Plitz und stellt ein Banner mit dem Hinweis „Rain Delay“ ins Bild.

Die Corona-Pandemie als Ausgangspunkt

Die Regenverzögerung gibt uns Zeit, einen Blick auf die Ursprünge der Heideköpfe-Streams zu werfen. Sie liegen im Jahr 2021, als im Ballpark wegen der Corona-Pandemie keine Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen wurden. Wie Susanne Holl, die an Heimspieltagen den organisatorischen Überblick behält, erklärt, legten Verena Heinicke, ihr Mann Florian Heinicke und Thomas Puscher damals den Grundstein und sind noch heute wichtiger Bestandteil der Livestream-Crew. Nicht nur über das Gründer-Trio sagt sie: „Alle haben entweder selber gespielt oder einen ganz engen Bezug zu den Heideköpfen.“

Er hat den Überblick: Der 22-jährige Dominik Plitz hat selbst lange Baseball gespielt und führt nun unter anderem Regie bei den Livestreams der Heideköpfe. Foto: Rudi Penk

Ihre Tochter Katharina Holl, ebenfalls Teil des insgesamt zwölfköpfigen Stream-Teams, erzählt: „Am Anfang saßen wir noch an zwei Biertischen unter einem Pavillon.“ Dass die Crew heute in einer professionell ausgestatteten Stream-Hütte sitzt, hat sie vor allem sich selbst zu verdanken. „Wir haben das alles selfmade aufgebaut“, sagt Plitz stolz und berichtet von einem „Wochenende harte Arbeit“, an dem „bestimmt 20 Mann“ ein 300 Meter langes Kabel von der Hütte unterirdisch bis zur Anzeigetafel auf der anderen Seite des Feldes verlegt haben.

Multitasking und Neutralität

Spätestens als die Spieler dann doch das Feld betreten dürfen, ist die Zeit von Lars Thoröe gekommen. Der 42-Jährige erklärt: „Als Kommentator musst du einfach Multitasking können.“ Ebenfalls besonders wichtig: „Es braucht Euphorie für beide Seiten.“ Für Thoröe, der 1994 bei den Heideköpfen mit Baseball begonnen hat und auch schon in der Bundesliga für sie auflief, keine einfache Aufgabe. Zumal bei den Heidenheimern heute nicht viel zusammenläuft. Immer wieder rauft sich der Kommentator die Haare oder verschränkt die Arme hinter dem Kopf, während er den Zuschauern die Geschehnisse auf dem Feld schildert. Plitz, der zwischenzeitlich als Regisseur abgelöst wird und spontan mehrere Innings gemeinsam mit Thoröe kommentiert, geht das ähnlich.

Lars Thoröe kommentiert erst seit diesem Jahr bei den Heideköpfen. Bei Champions-Cup-Spielen muss er dabei sogar Englisch sprechen. Foto: Rudi Penk

Ein Lob bekommt der 22-Jährige von seiner Freundin. „Er macht das gut und ist neutral“, sagt Sabrina Krauß, die eine unscheinbare, aber keineswegs unwichtige Aufgabe übernimmt. Die 22-Jährige hält den Stand und weitere Spieldaten im Stream aktuell, blendet Spielerinformationen ein und darf sogar einmal das große Banner „Homerun“ aufs Bild bringen. Bevor Krauß mit Plitz zusammenkam, hatte sie mit Baseball nichts am Hut. Schnell wurde ihr jedoch klar: „Entweder ich komme am Wochenende mit zum Baseball, oder wir sehen uns nicht.“ Sie entschied sich für die erste Option und sagt heute auch wegen der familiären Atmosphäre im Ballpark: „Ich komme gerne hier her.“

Rund 200 bis 300 Livestream-Zuschauer gleichzeitig

Im vierten Inning der Partie ist dann auch mein kleiner Moment gekommen. Für ein Inning darf ich mich hinter Krauß' Computer setzen und die von Mitgründer Florian Heinicke programmierte Anwendung bedienen. Die Aufgabe ist machbar, aber weit stressiger als gedacht. Zumal ich im Hinterkopf habe, dass wohl mehrere hundert Stream-Zuschauer jeden kleinen Fehler sehen.

Apropos Zuschauer: Die Live-Übertragungen auf „HeideköpfeTV“ sehen im Schnitt 200 bis 300 Menschen gleichzeitig, etwa 1200 Zuschauer schauen im Laufe einer Partie in den Stream. „Dafür, dass es eine Randsportart ist, ist das echt okay“, findet Krauß, wobei Plitz ergänzt: „Natürlich ist da noch Luft nach oben.“

Selbst ausprobiert: HZ-Volontär Jan Beigelbeck durfte sich für ein Inning um die Spielstandsanzeige im oberen linken Eck des Bildes kümmern. Foto: Rudi Penk

Luft nach oben hat heute auch die Mannschaft der Heideköpfe. Die schwache Leistung ihrer Mannschaft trübt die Stimmung in der Stream-Hütte merklich, doch die Konzentration verliert die Crew nie. Auch nicht, als im letzten Inning auf einmal die Meldung „No Stream On“ auf den Bildschirmen erscheint. Einen Stream-Neustart später ist der kurze Schreckmoment schon wieder überstanden. Als nach knapp vier Stunden die 2:8-Niederlage der Heideköpfe feststeht, packen Krauß, Plitz und Thoröe zügig zusammen. „Night-Games sind etwas Schönes, aber das war schon anstrengend“, fasst der Kommentator zusammen.

Etwas später geht das Licht im Container aus und ich laufe mit der Crew vorbei an den nun ziemlich niedergeschlagenen Spielern zum Ausgang. Sechs Stunden nach meiner Ankunft – es ist gerade Mitternacht – fahre ich vom Ballpark weg und habe gelernt: Ein Livestream bei den Heideköpfen hat mit „Ganz nebenbei“ nichts zu tun.

Was steckt hinter einem Baseball-Spiel im Ballpark?

Um ein Heimspiel der Heidenheim Heideköpfe über die Bühne zu bringen, sind ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unerlässlich. Dabei spielt vor allem die Familie von Coach Klaus Eckle eine große Rolle. Vater Adolf steht an der Eintrittskasse, Mutter Irene verkauft Fan-Artikel und seine Frau Anke Rißmann-Eckle bietet Getränke an. Besonders anstrengend sind Heimspiele für das fünfköpfige Team im Essenshäuschen, das oft erst zwei Stunden nach Spielende Feierabend hat. Noch hinter der Stream-Hütte steht der Container, indem unter anderem der Stadionsprecher und der DJ sitzen. Letztere Aufgabe übernimmt beim Spiel gegen Regensburg der 16-jährige Lukas Plitz. „Ich habe hier nie Freizeit“, sagt der Bruder von Regisseur Dominik und spricht damit wohl allen Helfern aus der Seele.

So sind vermutlich alle Helfer – auch das Stream-Team – bei den nächsten beiden Heimspielen der Heideköpfe wieder im Einsatz. Am Samstag, 31. August, um 18 Uhr steht in den Bundesliga-Playoffs das dritte Spiel der Halbfinal-Serie gegen die Bonn Capitals an. Das vierte Spiel soll am Sonntag, 1. September, um 12 Uhr beginnen.

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