Heidekopf spielte 24 Jahre für Deutschland

Simon Gühring über seinen Abschied aus der Nationalmannschaft

Der Heidenheimer Baseballer Simon Gühring erklärt im Interview, warum er nach sage und schreibe 24 Jahren Nationalmannschaft nicht mehr für Deutschland spielen wird und was er noch vor hat.

Simon Gühring über seinen Abschied aus der Nationalmannschaft

Simon Gühring gehört zu den ganz Großen des deutschen Baseballsports und ist nicht nur wegen seiner Leistungen auf dem Feld allseits anerkannt: Nun hat der Heidenheimer nach mehr als zwei Jahrzehnten sein Karriereende in der Nationalmannschaft bekanntgegeben. Für die Heideköpfe wird Gühring, dem man seine 40 Jahre in keiner Weise ansieht, aber weiter die Keule schwingen und hat für diese Saison ein klares Ziel.

Sie können auf eine unglaubliche Karriere in der deutschen Nationalmannschaft zurückblicken – wie kam es nun zum Karriereende?

Simon Gühring: Da fließen mehrere Dinge ineinander, ich war schon nach dem letzten Turnier im vergangenen Jahr, der Qualifikation zu den World Baseball Classics, nicht ganz sicher, ob ich weiter mache. Ich bin jetzt 40 Jahre alt, das spürt man natürlich. Zudem setzt der Deutsche Baseballverband mit einem neuen Bundestrainer auch auf einen Neuanfang und plant mit jungen Spielern. Und schließlich ist es ein sehr hoher zeitlicher und körperlicher Aufwand. Von daher denke ist, dass es ein guter Zeitpunkt ist das Kapitel Nationalmannschaft zu schließen.

Wann begann ihre Karriere in der Nationalmannschaft?

Ich kam mit 16 Jahren in die Juniorennationalmannschaft, hab dann seit 2001 – da war die Europameisterschaft in Bonn – in der Herren-Nationalmannschaft gespielt. Von 2004 an war ich auch Teamcaptain. Ich bin sehr dankbar, dass ich trotz einiger Verletzungen kein einziges großes Turnier verpassen musste.

Welche Verletzungen waren das?

Ich habe 2009 kurz nach einer Operation meines Syndesmosebandriss gespielt, 2019 mit Kreuzbandriss bei der EM in Italien, vergangenes Jahr mit einem Bandscheibenvorfall. Da habe ich meinem Körper nicht immer das Beste angetan, aber es war einfach immer eine riesige Ehre, für Deutschland auf dem Platz zu stehen.

Diese Nationalmannschaftskarriere klingt ziemlich rekordverdächtig...

Vielleicht gab es in den 1960er Jahren einen  Spieler, der länger dabei war, aber ich kenne keinen. Ich denke auch, dass ich nach Spielen vorn liege, wobei ich die genaue Zahl nicht kenne.

Was waren die schönsten Erlebnisse für Sie in all den Jahren?

Das ist schwer zu sagen. Es war eine sehr coole Zeit, ich habe viel erlebt. Ein besonderes Erlebnis war es, 2009 bei der Weltmeisterschaft in Regensburg vor den heimischen Fans zu spielen, dann die EM 2010 in Heidenheim und Stuttgart. Dort haben wir mit der Bronzemedaille auch das beste Ergebnis geholt. Bei der Vorbereitung auf die WM 2009 haben wir ein Turnier gegen Kanada gespielt und gegen die USA gewonnen. Das war glaube ich das einzige Mal, dass Deutschland gegen die USA gewinnt und mir ist in dem Spiel sogar ein Homerun gelungen . Großartig war es aber auch, in Taiwan bei der Olympia-Qualifikation vor ca. 30.000 Zuschauern zu spielen.

Gab es auch Ärger oder Enttäuschungen?

Ärger nicht, aber natürlich Enttäuschungen. Immer wenn man auf so hohem Niveau spielt und es nicht läuft, ist man unzufrieden. So beispielsweise im vergangenen Jahr, als wir trotz der wohl stärksten Aufstellung, die wir je hatten, die Qualifikation für die World Classics verpasst haben.

Wie würden Sie die Entwicklung des deutschen Baseballs in dieser ganzen Zeit beschreiben?

Wir sind auf jeden Fall wesentlich weiter als wir 2001 waren. Unter Coach Greg Frady hatten wir eine sehr erfolgreiche Zeit, waren bei drei oder vier Europameisterschaften in Folge immer unter den besten vier. Danach ging es gefühlt ein kleines bisschen abwärts. In der Bundesliga merkt man, dass viele junge Spieler rein drücken, die unter anderem auch in der Deutschen Baseballakademie ausgebildet wurden. Ich denke, dass wir dadurch schon stärker werden. Aber wir sind noch nicht da, wo wir sein sollten.

Was machen andere Nationen da besser?

Beispielsweise haben uns die Tschechen in den letzten Jahren überholt. Bei denen sind die Altersklassen anders eingeteilt, es spielen nur zwei Jahrgänge zusammen. In Deutschland ist der Sprung von den Schülern zur Jugend und von der Jugend zu den Junioren zu groß. Da trifft man dann auf bis zu drei Jahre ältere Kontrahenten und gute Spieler sitzen oft im ersten Jahr auf der Bank. Dadurch geht sicher das ein oder andere Talent verloren. Aber natürlich würde man dann auch mehr Trainer brauchen.

Aus der Nationalmannschaft haben Sie sich verabschiedet, den Heideköpfen bleiben Sie aber erhalten?

Stand jetzt ja. Aber ich merke es natürlich körperlich, es ist nicht mehr so einfach, zu regenerieren, sich nach Verletzungen wieder heran zu kämpfen. Ich möchte schon noch vom Platz runter gehen können und nicht getragen werden müssen. Also in vier, fünf Jahren sehe ich mich nicht mehr auf dem Platz, aber im Moment bin ich auch noch nicht soweit zu sagen: Das war’s. Und eines ist klar, das habe ich schon vor langer Zeit gesagt: In Deutschland werde ich nur für Heidenheim spielen.

Ein Ziel war es ja einmal, zusammen mit ihrem Sohn Samuel in einer Mannschaft zu stehen . . .

Ja (lacht), aber ich weiß nicht, ob ich das noch durchhalte. Er ist jetzt 13, das wären mindestens noch drei Jahre. Es wäre ein schöner Abschluss, aber ich will nichts erzwingen.

Gibt es dann noch ein anderes Ziel mit den Heideköpfen?

Auf jeden Fall, dieses Jahr noch die Meisterschaft zu gewinnen. Ich glaube, wir haben auch das Team dafür, müssen aber besser spielen als vergangenen Samstag. Dann wären wir nächstes Jahr wieder im Champions-Cup. Nachdem ich es da die letzten beiden Male nicht ohne Verletzung geschafft habe, wäre es cool, da mal das ganze Turnier bestreiten zu können.

Um dieses Jahr den Titel zu holen, muss das Halbfinale gegen Regensburg gewonnen werden. Eigentlich hätte dieses vergangenen Sonntag gespielt werden sollen, aber die Legionäre sagten die Spiele ab.

Es war schon dreist und sehr offensichtlich was Regensburg da gemacht hat.. Der Platz wäre bespielbar gewesen. Es ist eigentlich gang und gäbe, dass du alles gibst, um das Feld spielbar zu machen. Dann fängst du zumindest mal an und schaust, wie weit du kommst. In Regensburg wären nicht mal Feldarbeiten nötig gewesen.

Wie beurteilen Sie nun die Chancen?

Es ändert nichts an der Ausgangsposition, dass die uns noch zweimal schlagen müssen. Ich bin sicher, dass wir vergangenen Sonntag Spiel vier gewonnen hätten und wenn nicht, dann ganz sicher das fünfte Spiel. Durch die Absage hat sich Regensburg wieder einen kleinen Vorteil erschlichen, kann wieder auf seine starken Werfer zurückgreifen. Aber wir haben sechs von sieben Spielen gegen sie gewonnen, wenn wir unsere volle Leistung abrufen, besiegen die uns nicht.

Abschließend ein Ausblick: Was plant Simon Gühring nach seiner aktiven Laufbahn?

Baseball begleitet mich quasi schon mein ganzes Leben und ich kann mir nicht vorstellen, nichts mehr zu machen. Es gab auch schon Gespräche mit Manager Klaus Eckle und ich werde sicher den Heideköpfen treu bleiben – ob als Trainer der ersten Mannschaft oder bei der Jugend, wird sich zeigen.

Seit 2001 ein Heidekopf

Simon Gühring wuchs in Leonberg auf und begann dort mit dem Baseballsport, spielte später in Sindelfingen und Herrenberg, ehe er 2001 nach Heidenheim wechselte. Seither trägt er das Dress der Heideköpfe, nur unterbrochen von zwei Jahren Profibaseball in den USA und einer Saison in den Niederlanden.

Nach Heidenheim kam er auch durch seine heutige Frau Sarai, die er schon mit zwölf Jahren bei einem christlichen Jugendcamp kennenlernte. Die drei Kinder der Gührings sind ebenfalls sportlich sehr aktiv. „Sie hat mich die ganze Zeit als Baseballer begleitet, ihr und meiner Familie gilt mein großer Dank. Ohne deren Verständnis und Unterstützung wäre meine sportliche Laufbahn nicht möglich gewesen“, sagt Gühring, der trotz des großen Aufwands für seinen Sport immer Amateur war.  Er ist Geschäftsführer einer kleinen Sportmanagementfirma und trainiert als Personal Trainer  Geschäftsleute in Heidenheim.