Für den Termin mit der Heidenheimer Zeitung hat Kalle Linkert noch einmal seinen Rucksack mit der schweren Kamera gepackt. Im Ballpark, der Heimstätte der Heidenheim Heideköpfe, kommt er gleich mit Mike Bolsenbroek ins Gespräch. Der niederländische Werfer der Heidenheimer möchte wissen, wie es Linkert geht – und ob er noch fotografiert.
Wie viele Fotos er von den Heideköpfen gemacht hat, weiß Kalle Linkert nicht mehr so genau. Pro Heimspiel seien es zwischen 250 und 350 gewesen. Auf jeden Fall war er aber schon beim Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft 2009 dabei. Und das mehr oder weniger durch Zufall. Kalle Linkert kommt nämlich aus dem kulturellen Bereich, früh fotografierte er bei Musikveranstaltungen von Siggi Schwarz. Bei solch einer lernte Linkert im Lokschuppen Holger Kienle kennen, der damals als Fotograf bei Spielen der Heideköpfe dabei war. „Holger hatte eine Baseballmütze auf, da habe ich ihn gefragt, für wen er fotografiert“, erinnert sich Linkert an die erste Begegnung. Beide kamen ins Gespräch und tauschten Tipps aus.
Linkert führte Kienle bei den Fotofreunden Herbrechtingen ein und umgekehrt machte Kienle bei Linkert Werbung für die Sportfotografie: Die Heidenheim Heideköpfe traten 2009 zu den entscheidenden Spielen um die Deutsche Meisterschaft in Mannheim an. Kalle Linkert durfte den Ausgleich zum 2:2 im vierten Spiel live miterleben und war dann auch beim Sieg im fünften und entscheidenden Spiel dabei. „Ich kannte bis dahin ja keinen Spieler persönlich. Aber wir lagen uns alle in den Armen und haben später im Ballpark die Meisterschaft gefeiert. Das war so ein tolles Gefühl“, beschreibt Linkert „seinen“ ersten Titel mit den Heidenheimer Baseballern.
Kurz darauf ging Karl Heinz Linkert, der einfach nur Kalle (skandinavische Form von Karl) genannt wird, mit 62 in den Ruhestand (als technischer Angestellter im Servicebereich war er für den Maschinenpark bei Gardena verantwortlich). Nach dem frühen Tod seiner Frau Karin im April 2013 widmete Kalle Linkert den Heideköpfen noch mehr Zeit. „Ich wurde da oben richtig super empfangen“, sagt er über deren sportliche Heimat auf dem Schlossberg. Neben tröstenden Worten wurde Linkert in dieser schweren Zeit auch Hilfe seitens der Baseballer angeboten.
Er war immer in der ersten Reihe.
Klaus Eckle, Trainer der Heidenheim Heideköpfe, über den Fotografen Kalle Linkert
Nun war er stets dabei, ob bei Heim- oder Auswärtsspielen. „Er war immer in der ersten Reihe“, umschreibt Klaus Eckle, Manager und Trainer der Heideköpfe in Personalunion. „Kalle ist einfach ein feiner Kerl. Es ist jammerschade, dass er aufhört“, bedauert Eckle. Linkert war bei vielen Erfolgen (und auch Misserfolgen) der Heideköpfe mit der Kamera dabei. Lediglich in der Saison 2019 musste er aufgrund einer Operation an einem Ellenbogen aussetzen. Er richtete aber auch seinen Blick über die Kreisgrenze hinaus und fotografierte bei Spielen der Ulmer Baseballer, als die in der Bundesliga spielten.
„Es war eine insgesamt schöne und tolle Zeit“, sagt Kalle Linkert, dem die Frage „Wieso hörst du auf?“ schon oft gestellt wurde. „Ganz einfach: Es sind rein gesundheitliche Gründe“, sagt der 77-Jährige. So hat er Knie- und Rückenprobleme. Sein rechtes Bein ist seit einem Bandscheibenvorfall 2003 „malad“, wie es Linkert ausdrückt. Die rechte Körperhälfte ist ab dem Knie taub. „Ich laufe einfach nicht mehr rund und brauche immer wieder Ruhepausen. Auch die Stufen im Ballpark bereiten mir Probleme.“ Dazu kommt die Hitze, wenn die Baseballer im Sommer spielen – und es nicht so viel Schatten gibt. „Und mit einer Mütze kann ich einfach nicht fotografieren“, sagt Kalle Linkert.
Er erzählt ohne Wehmut oder gar Verbitterung. Eher mit einer Prise Humor: „Jetzt bist du halt ein alter Sack“, scherzt Linkert über sich selbst. Er sagt aber auch: „15 Jahre sind eine lange Zeit. Und ich habe immer geliefert.“ Schließlich war auch seitens der Heidenheimer Zeitung immer ein gewisser Druck da. Linkerts Fotos von den Heideköpfe-Spielen wurden für die Zeitungsartikel benötigt. „Wobei ich mir den Druck auch selbst gemacht habe. Bilder aussuchen, bearbeiten und wegschicken. Ich habe immer mitentschieden“, fügt er an.
Doch was waren die persönlichen Highlights? Linkerts Beispiel, abseits der Titelgewinne, ist ungewöhnlich. „2015 war ich beim Sieg im vierten Spiel gegen Regensburg dabei. Zum fünften Spiel konnte ich wegen einer Gallenkolik nicht mitkommen. Ich habe mir das Spiel am PC angeschaut.“ Die Heideköpfe gewannen zum zweiten Mal die Deutsche Meisterschaft. Und was tat Linkert? „Ich habe zu Hause geheult. Vor Schmerzen, aber auch vor Freude.“ Einen Tag darauf war er aber beim Empfang im Heidenheimer Rathaus wieder dabei.
Nach dem Gewinn der Meisterschaft 2017 in Bonn schickte er Bilder von seinem I-Pad aus per E-Mail an die HZ-Redaktion. Ein Jahr später mussten sich die Heideköpfe in Bonn geschlagen geben. Auch aufgrund der unfairen Spielweise des Gegners, wie sich Linkert erinnert. So wurde Mitch Nilsson schwer am linken Arm verletzt. Dafür war Linkert bei den Titelgewinnen 2019, 2020 und 2021 dabei.
Zum Abschied bekam Kalle Linkert von den Heideköpfen ein eigenes Trikot überreicht – mit der Rückennummer 77. „So etwas hat nicht jeder“, sagt Linkert gerührt. „Eine besondere Auszeichnung für einen besonderen Menschen. Kalle ist Teil des Vereins und wird das auch immer bleiben“, sagt wiederum Heideköpfe-Trainer Klaus Eckle. „Ich hoffe auch, dass er uns als Zuschauer erhalten bleibt. Dann eben nicht mehr hinter der Linse.“
Das hat Kalle Linkert auch vor. „Ich habe mir einige Spiele im Ballpark angeschaut. Ohne Kamera, ohne Druck. Da hatte ich die Zeit, mich hinzusetzen und mit anderen Fans zu sprechen. Jetzt kann ich’s einfach nur genießen.“
Am Wochenende, 28./29. September, wird er aus der Ferne den Heideköpfen die Daumen drücken. Dann, wenn sie im Finale des Deutschland-Cups bei den Paderborn Untouchables antreten. Das erste Spiel (Best-of-three-Serie) wird am Samstag, 28. September, ausgetragen (16.30 Uhr). Das zweite Spiel am Sonntag ab 12 Uhr. Ein mögliches drittes Spiel im Anschluss.
Kalle Linkert spielte einst gegen Gerd Müller
Die Eltern von Kalle Linkert (sowie von dessen drei Brüdern und einer Schwester) haben nach dem Zweiten Weltkrieg in Brandenburg geheiratet. 1956 wagte die Familie die Flucht aus der ehemaligen DDR und fuhr zunächst mit dem Zug nach Berlin. Als Grund für die Reise nannten die Eltern eine Hochzeit in Karl-Marx-Stadt und hatten ein Kaffeeservice als Beweis dabei. Über mehrere Flüchtlingslager kam Familie Linkert im Frühjahr 1957 zunächst in die Nähe von Frankfurt am Main, im Mai 1957 ging es nach Dillingen, der neuen Heimat.
Beim SSV Dillingen spielte Kalle Linkert Fußball, in der Jugend trat er mehrmals gegen Mannschaften von Gerd Müller (später legendärer Stürmer des FC Bayern München und der deutschen Nationalmannschaft) an. Mit 17 wechselte Kalle Linkert zum FC Gundelfingen, für den er spielte, bis er 20 war. Auch aufgrund der Bundeswehrzeit beendete er dann seine aktive Fußballerlaufbahn.
1968 lernte Kalle Linkert seine spätere Frau Karin kennen, die er 1970 in Dillingen heiratete (zwei Kinder). Er war es gewohnt, als Karl-Heinz zu unterschreiben, in der Geburtsurkunde steht aber Karl Heinz. Also musste er auf den Bindestrich auch im Standesamt verzichten, erinnert sich Kalle Linkert. 1971 zog die Familie nach Giengen, wo Karin Linkert zu arbeiten begann.
Über Andreas Antoniuk lernte Kalle Linkert den Musiker Siggi Schwarz kennen. Antoniuk habe damals zu Schwarz gesagt: „Ich kenne da einen, der macht super Bilder.“ Seit 2004 fotografiert Linkert bei Veranstaltungen mit und von Schwarz. Für die „Heidenheimer Neue Presse“ begann Linkert 2005, bei Kulturveranstaltungen zu fotografieren. Zusammen mit Andreas Antoniuk, der für die Texte zuständig war, bildete er ein Team. Das erste Konzert: Status Quo 2005 in Aalen. Linkert fuhr aber „zweigleisig“ und investierte auch viel Zeit in die Sportfotografie (Heideköpfe). Nun möchte er sich ganz auf die Fotografie für Siggi Schwarz konzentrieren.