Als die Fußballfans auf den Gleisen saßen
Mit dem Freundschaftsspiel gegen den befreundeten Nachbarn 1. FC Heidenheim erinnern die Fußballer des SV Mergelstetten am Sonntag (16 Uhr) an ihre Gründung im Jahr 1920. Es ist also eigentlich schon der 103. Geburtstag, die vor drei Jahren geplanten Feiern fielen aber Corona zum Opfer. In diesen 103 Jahren war bei den Kickern aus Heidenheims südlichem Stadtteil einiges los.
Nachdem der Turnverein Mergelstetten nach dem 1. Weltkrieg 1919 die sportlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten wieder aufgenommen hatte, entdeckten einige Sportler ihre Begeisterung fürs runde Leder, so wurde am 21. Februar 1920 die Fußballabteilung gegründet. Interne Spannungen im Verein führten dazu, dass sich die Fußballabteilung bereits 1922 vom Turnverein trennte und ihre Spiele als “Sportfreunde 1920 Mergelstetten” bestritt. In den Jahren bis 1930 war der Verein sehr erfolgreich, drei Meisterschaften führten die Mannschaft bis in die damalige A-Klasse.
Zum 30. Geburtstag kam der Club
In dieser Zeit waren die Fußballer noch unten im Ort zu Hause, hatten ihren Platz auf einem Grundstück hinter dem Gasthaus Ochsen. Und genau dort fand 1950 anlässlich des 30. Jubiläums ein Freundschaftsspiel gegen den FC Nürnberg statt. Die Franken waren damals noch mit die beste Adresse im deutschen Fußball, der Club hatten schon sieben Mal die Meisterschaft gewonnen (bis heute wurden es neun Titel).
Zuletzt davor im Jahr 1948 und so ziemlich genau mit dieser Truppe – darunter der bekannte Max Morlock, Deutschlands erfolgreichster Torschütze beim WM-Triumph 1954 – kamen die Nürnberger ins Brenztal. Angesichts dessen war das Ergebnis von 1:11 aus Sicht der Mergelstetter noch ehrenhaft.
Von den damaligen Spielern lebt keiner mehr, Hermann Deroni vom SVM kennt aber noch die ganzen Geschichten. Kein Wunder, sein Bruder Karl lief in diesem Spiel für Mergelstetten auf, sein Vater war der Platzwart. “Es war alles sehr freundschaftlich und locker, die Nürnberger kamen mit dem Zug und saßen dann auch noch mit den Mergelstettern zusammen”, berichtet der 72-Jährige, der selbst Club-Fan ist.
Einige Tausend Zuschauer
Die Stimmung war prächtig, ob sich nun 3000, 4000 oder gar 5000 Zuschauer auf dem Platz in der Ortsmitte drängten, lässt sich nicht mehr sagen. Bis heute heißt es, dass die Bahnlinie während des Spiels gesperrt wurde. “Auf jeden Fall war ein Tor direkt der Linie und die Leute saßen auf den Gleisen”, weiß Deroni, der 37 Jahre als Aktiver für Mergelstetten spielte, über 50 Jahre lang verschiedenste Ämter im Verein inne hatte und ist immer noch Mitgliedervertreter sowie Kassenprüfer ist.
In den Jahren nach dem Spektakel gegen Nürnberg setzte in Mergelstetten ein großer Aufschwung ein, dank guter Jugendarbeit schaffte es die Mannschaft in die zweite Amateurliga, damals die zweithöchste Spielklasse für nicht professsionalle Fußballer. Großen Anteil daran hatte der Mergelstetter Lehrer und Vorsitzende Richard Brendel, der auch im Vorstand des SSV Ulm war.
Die Kickers kamen zur Strafe
Anfang der 1970er Jahre erlebte Deroni den Umzug auf die Reutenen und ein weiteres interessantes Freundschaftsspiel mit. “Die Stuttgarter Kickers hatten damals mit der Verpflichtung eines Spielers gegen die Regeln verstoßen und mussten zur Strafe bei einem Amateurverein antreten”, erzählt der Mergelstetter, der beim Spiel gegen die damals in der Regionalliga Süd und kurz darauf in der neu gegründeten 2. Bundesliga zu Werke gingen.
Nun freut sich Deroni auf das Spiel gegen den FCH, für das die Mergelstetter auch viel investiert haben. “Wir sind uns schon der Verantwortung bewusst, das Gute ist, dass bei uns immer alle Abteilungen zusammen helfen”, sagt der SVMler. So wurde vor sechs Wochen ein Organisationsteam gegründet, an die 100 Helfer aus dem gesamten Verein leisteten viele Arbeitsstunden.
Um 14 Uhr ist Einlass
Um 16 Uhr wird die Partie zwischen dem SV Mergelstetten und dem 1. FC Heidenheim am Sonntag angepfiffen, die Anlage öffnet schon zwei Stunden zuvor. Der FCH bringt sein Maskottchen Paule mit, auch Stadionsprecher Peter Barth ist vor Ort. Am Sonntag wird es auf dem Gelände des SVM keine Parkmöglichkeiten geben, die Zufahrt ist gesperrt. Geparkt werden kann an der Voith-Arena. Zudem werden zwei komplett vom Bundesligisten signierte Trikots verlost. Das Wichtigste für die Fans: Nach dem Spiel besteht Gelegenheit, Autogramme zu holen und Selfies zu machen.