Fußball-Kreisliga

Fair Play: Warum Johannes Bosch vom Gegner für einen Preis vorgeschlagen wurde

Hut ab: Johannes Bosch von der SG Niederstotzingen/Rammingen II nutzte in einem Heimspiel eine unklare Situation nicht aus und verzichtete auf ein sicheres Tor. Warum er sich zunächst einiges anhören durfte, weshalb er sich nicht als Vorbild sieht und wie besonders der gegnerische Torhüter reagierte:

Es wird geschimpft, gefoult und geflucht. Gang und gäbe auf so ziemlich allen Fußballplätzen, natürlich auch im Amateurbereich. Doch das ist nur ein Teil des Fußballkosmos‘, der für Spieler aus den unteren Klassen oft eine große Bedeutung hat. Hier kann man Freundschaften pflegen, Alltagssorgen vergessen oder einfach nur Spaß haben.

Johannes Bosch kennt diesen Kosmos sehr gut, da er seit mehr als zwei Jahrzehnten selbst kickt. Als Heidenheimer einst beim RSV Oggenhausen, nach seinem Umzug vor knapp sechs Jahren nach Niederstotzingen eben dort und seit ihrer Gründung vor einigen Jahren für die SG Niederstotzingen/Rammingen. Während seiner Laufbahn sei er teilweise doch ein „wilder Hund“ gewesen, sagt er nüchtern. Bosch ging teilweise über die Grenze des Erlaubten – und kam um einige Sperren nicht herum. „Früher habe ich mich schneller aufgeregt“, sagt Bosch mit einem Schmunzeln.

Heute, er ist 35 Jahre alt, sei er viel gelassener. Und Bosch hat eine andere Einstellung. Ihm sei es wichtig, jüngeren Spielern bestimmte Werte zu vermitteln. „Ich bin kein richtiges Vorbild“, sagt er bewusst aufgrund seiner bisweilen so gar nicht vorbildhaften Fußballervergangenheit. „Aber ich möchte zeigen, dass es im Fußball nicht nur um Punkte geht. Und auch nicht nur um Spaß. Es geht auch um Fair Play, um das Miteinander.“

Sieht sich nicht als Vorbild, aber möchte besondere Werte im Fußball vermitteln: Johannes Bosch. Foto: Markus Brandhuber

Das zu sagen ist das eine, es vorzuleben sicherlich etwas anderes. Und das auch in der untersten Spielklasse. Mit der zweiten Mannschaft der SG Niederstotzingen/Rammingen (Kreisliga B 4) lag Bosch am 14. Spieltag im Heimspiel gegen die SG Ohmenheim/Dorfmerkingen III bereits 0:2 zurück. Bis Bosch allein vor dem gegnerischen Torwart mit dem Ball am Fuß auftauchte. Der Anschlusstreffer zum 1:2 lag in der Luft. Was sollte denn da noch passieren? Schließlich ist Bosch ein routinierter Kicker. Was er dann aber tat, verblüffte viele auf und neben dem Platz: Bosch schob den Ball bewusst neben das Tor – und vergab die hundertprozentige Torchance.

Bosch beschreibt die betreffende Szene wie folgt: „Ich habe einen Schrei gehört und habe gemerkt, dass alle stehengeblieben sind.“ Während die meisten mit einem Pfiff des Schiedsrichters gerechnet hatten, hatte dieser das Spiel gar nicht unterbrochen, es lief somit weiter. „Der Ball kam dann zu mir. Und ich habe ihn neben das Tor geschoben“, sagt Bosch. Einer seiner Mitspieler war nach einem Zweikampf liegengeblieben. Da der Schiedsrichter aber Vorteil hat laufen lassen, wäre es für Bosch einfach gewesen, den Ball aufs und wahrscheinlich sogar ins Tor zu bringen.

„Es ging alles so schnell. Ich wusste nicht genau, was passiert war. Mir war aber sofort klar, dass ich nicht aufs Tor schießen werde“, sagt der Niederstotzinger, der auf der Sechser-Position im defensiven Mittelfeld aufläuft. Der Ohmenheimer Torhüter habe zu ihm gesagt: „Das ist eine ganz große Sportsaktion. So etwas habe ich noch nie erlebt.“

Kai Braunwarth trainiert die SG Niederstotzingen/Rammingen II. Foto: Fupa

Allerdings fügt Bosch auch an: „Im ersten Moment durfte ich mir einiges anhören.“ So eine gute Chance einfach vergeben. „Ganz ehrlich, erst habe ich gedacht: Warum schießt er den Ball nicht rein?“, räumt Boschs Trainer Kai Braunwarth ein. „Das wäre ja auch nicht verwerflich gewesen. Aber dann war mir klar, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat.“ Was Braunwarth besonders hervorhebt: „Bei einer eigenen 2:0- oder 3:0-Führung so was zu machen ist wahrscheinlich einfacher als bei einem 0:2-Rückstand. Schließlich hätte es dann 1:2 stehen können.“

Und da Fußballer bekanntlich nicht auf den Mund gefallen sind, wurde Bosch auf besondere Weise gelobt. „Es war natürlich viel Spaß dabei. Es wurde zum Beispiel gesagt: Den hättest du eh nicht verwandelt. Deshalb hast du dich für die sichere Variante entschieden“, erzählt der SG-Trainer.

Während Niederstotzingen/Rammingen II das betreffende Spiel mit 0:3 verlor, gab es dennoch ein Nachspiel. Denn der Gegner zeigte sich von Boschs Fair-Play-Geste sehr angetan und schlug ihn, ohne dessen Wissen, für die „Bleib-fair“-Aktion des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) vor. „Ich hätte niemals gedacht, dass es so viel Aufmerksamkeit gibt. Es war nichts Besonderes. Ich habe keinen Menschen gerettet oder so“, sagt Johannes Bosch. Letztlich war er einer von 13 im November gemeldeten Fairplay-Akteuren und schaffte es unter die Top drei.

Monatssieger wurde er zwar nicht. Darum ging es ihm aber auch nicht. „Es ist schön, wenn über so etwas geredet wird. Vielleicht hat es eine Wirkung auf andere.“

Johannes Bosch und der Zeppelin

Johannes Bosch ist Verfahrensmechaniker für Kunststofftechnik für die Luftfahrt. Der 35-Jährige arbeitet für eine Firma, die Teile für Zeppeline herstellt. In dieser Saison kam er elfmal zum Einsatz.

Kai Braunwarth hat das Traineramt bei der SG Niederstotzingen/Rammingen II Mitte September übernommen. Seitdem kam er zwar auf zwei Einsätze, ein Spielertrainer möchte er aber nicht sein, sagt der 35-Jährige, der in Rammingen wohnt.