Einen sportlichen Sieger hatte das Topspiel zwischen dem Tabellenvierten und dem Spitzenreiter: Türkspor Heidenheim setzte sich mit 2:1 bei der SG Königsbronn/Oberkochen durch und bleibt weiterhin Tabellenführer der Fußball-Kreisliga A3. Allerdings gerät das Sportliche durch turbulente Minuten nach dem Schlusspfiff in den Hintergrund. Zunächst bejubelte Türkspor Heidenheim den Sieg. Doch dann schlugen die Emotionen um. Gästefans und -spieler gerieten mit Anhängern der Gastgeber aneinander. Und das mitten auf dem Platz.
Mersad Haskovic berichtet von einer aufgeheizten Stimmung nach Spielende. „Es ist viel von Zuschauern ausgegangen, manche Spieler haben aber auch ihren Beitrag dazu geleistet“, sagt der Trainer der SG Königsbronn/Oberkochen Richtung Türkspor Heidenheim. Auch ein Feuerzeug sei Richtung der SG geflogen. „Ich bin seit 20 Jahren aktiv in diesem Bereich tätig. Aber so ein Verhalten geht gar nicht und hat auf einem Fußballplatz nichts verloren“, sagt der 36-Jährige deutlich, der ein hohes Aggressionslevel wahrgenommen hat.
Auch das Spiel an sich sei phasenweise hitzig gewesen. Die meiste Schärfe sei von Außen, von Anhängern und Betreuern von Türkspor Heidenheim, reingebracht worden, sagt Haskovic. Auch ein Gästespieler habe es mit Provokationen „auf die Spitze getrieben“, so der SG-Coach. Bereits während des Spiels gab es eine längere Unterbrechung in der 65. Minute. Der Schiedsrichter holte die Kapitäne beider Mannschaften zu sich, um die Situation zu beruhigen. Ähnlich war es bereits im Rückspiel der vergangenen Saison im März am Kunstrasenplatz am Fischerweg der Fall gewesen.
Auch deswegen ging die Begegnung ungewöhnlich lang: Nach einem 0:1-Rückstand gelang Türkspor Heidenheim in der zweiten Minute der Nachspielzeit (Eigentor) erst der Ausgleich, dann erzielte Amir Werner knapp sechs Minuten später das 2:1. Bei beiden Toren seien Türkspor-Anhänger aufs Spielfeld gerannt, sagt Mersad Haskovic. „Meiner Meinung nach hat das nichts mit Fußball zu tun.“
Wir reden mit ihnen, da wir wissen, dass so ein Verhalten der Mannschaft und dem Verein schadet. Es ist ein Negativpunkt, den wir abstellen müssen.
Semih Köksal, Trainer von Türkspor Heidenheim, über einige Fans
Weiter ging's nach Spielende mit den Rudelbildungen. „Es gab Handgreiflichkeiten auf beiden Seiten“, sagt Semih Köksal zu den tumultartigen Szenen. Der Türkspor-Trainer betont: „So etwas gehört nicht zum Fußball dazu und hat auf dem Sportplatz nichts verloren.“ Er wisse, dass es kein schönes Bild sei, einige Türkspor-Anhänger seien aber besonders emotional. „Wir reden mit ihnen, da wir wissen, dass so ein Verhalten der Mannschaft und dem Verein schadet. Es ist ein Negativpunkt, den wir abstellen müssen.“
Köksal äußert die Vermutung, dass womöglich der Spielverlauf zu der aufgeheizten Stimmung beigetragen habe: Türkspor Heidenheim kassierte zehn gelbe Karten, zudem sah ein bereits ausgewechselter Spieler die gelb-rote Karte. Der Schiedsrichter habe oft gegen die Gäste entschieden, für Kleinigkeiten habe es gelbe Karten gegeben. „Ich möchte nicht alles auf den Schiedsrichter schieben. Aber es hatte einen kleinen Beigeschmack“, so der Türkspor-Trainer, der anfügt: „Wir haben trotzdem gewonnen, da gab es wohl die ein oder andere Siegergeste, die als Provokation aufgefasst wurde.“ Das eine habe wohl zum anderen geführt. Köksal fügt an: „Vielleicht hätten wir uns anders verhalten sollen. Aber über einen Sieg freut man sich nun einmal. Das ist nur menschlich.“ Allerdings griffen auch viele Türkspor-Verantwortliche und auch -Spieler schlichtend ein.
Dennoch würden die Geschehnisse nach Spielende bei Türkspor Heidenheim aufgearbeitet. „Es gab Sachen, die mir nicht gefallen haben“, betont Köksal. Womöglich müssen ein oder zwei Spieler mit Sanktionen rechnen. Und der Türkspor-Coach betont: „Wir akzeptieren nicht, dass Zuschauer aufs Spielfeld rennen.“ Für das Rückspiel kündigt Köksal im Hinblick auf die besonders emotionalen Fans an: „Speziell für dieses Spiel werden wir uns etwas überlegen. Vielleicht stellen wir Leute ab, die sie beruhigen sollen. In keinem Fall darf so etwas noch einmal passieren.“
Befremdlich findet es Köksal allerdings, dass Richtung Türkspor Heidenheim die Beleidigung „Batschaken“ (Begriff aus dem 19. Jahrhundert/Menschen, die auf dem Balkan leben) gefallen sein soll. „Vor dem Hintergrund kann ich mich über den Sieg auch nicht freuen“, so der Trainer.
Mersad Haskovic, der gegenüber dem Schiedsrichter äußerte, dass dieser keinen Mut gehabt habe, seine Linie durchzuziehen, und dafür wiederum Gelb sah, blickt ebenfalls bereits Richtung Rückspiel: Der Trainer der SG Königsbronn/Oberkochen kann sich durchaus vorstellen, dass es unter Ausschluss von Zuschauern ausgetragen wird. „Ich weiß auch, dass Emotionen zum Fußball dazugehören. Aber man muss sich doch trotzdem unter Kontrolle haben“, so der 36-Jährige.
Nach Stellungnahmen beider Mannschaften wird womöglich das Sportgericht des Fußballbezirks Ostwürttemberg tätig. Es ist durchaus möglich, dass Geldstrafen verhängt werden. Womöglich könnte auch eine verschärfte Platzaufsicht für die nächsten Spiele beschlossen werden.
Ein Unentschieden wäre verdient gewesen
Sportlich betrachtet hätte die Partie zwischen der SG Königsbronn/Oberkochen und Türkspor Heidenheim keinen Sieger verdient gehabt. „Wenn das Spiel 1:1 ausgeht, ist es vollkommen in Ordnung“, sagt SG-Trainer Mersad Haskovic. Ähnlich sieht es Semih Köksal: „Ein Unentschieden wäre gerecht gewesen. Es war ein glücklicher Sieg für uns“, so der Türkspor-Coach.