Berlin ist nicht in allen Bereichen wuchtiger als der Landkreis Heidenheim. Zumindest nicht im Handball. Die beiden Schnaitheimer Patrick Chaudhari und Fabian Paul haben in der Bundeshauptstadt eine Wohngemeinschaft gegründet, zum Handballspielen sind sie bislang aber noch nicht so recht gekommen. „In Heidenheim ist Handball mehr als ein Hobby, es ist ein Teil des Lebens. Handball ist Heimat. In Berlin ist es nicht so. Es ist eine schnelllebige Stadt, in der man viel sehen und erleben kann. Da gibt der Sport nicht die Freizeit vor“, sagt Paul, der Spieler der TSG Schnaitheim war und auch eine Zeit lang die Frauenmannschaft trainierte, über seine Eindrücke.
Zudem herrscht Harzverbot, was dem Spiel viel Tempo nimmt, so der 32-Jährige. „Es fehlt dadurch einfach das Wow.“ Auch verfügten die Hallen teilweise über keine Tribünen. „Man spielt vor nur wenigen Zuschauern“, bedauert Paul, der früher jeden Tag mit Handball zu tun hatte und beim Stadtderby Anfang Februar zwischen dem HSB und der TSG Schnaitheim auf Heimatbesuch kurz das Gefühl vergangener Tage erleben durfte.
Wo ist man mehr gefordert, als vor Menschen Witze zu erzählen?
Fabian Paul
Fabian Paul fehlt also etwas. Etwas, was dieses „Wow“ auslöst – und ihm auch den geliebten und von ihm vermissten Adrenalinkick verschafft. „Ich mag Situationen, in denen ich gefordert bin. Wie es der Fall gewesen ist, als ich Spieler oder Trainer war“, betont Paul. „Ich mag diesen Druck, er ist etwas Positives für mich.“ Den Kick bekommt der Wahl-Berliner zwar nicht mehr durch Handball. Dafür hat die Stadt aber andere Möglichkeiten zu bieten. „In Berlin kann man sehr gut seine kreative Seite ausleben. Schreiben, zeichnen, malen“, freut sich Paul, der die Handballbühne gegen eine andere Bühne eingetauscht hat: Paul hat sich für Stand-up-Comedy entschieden. „Wo ist man mehr gefordert, als vor Menschen Witze zu erzählen?“, fragt er. „Das kann unangenehm, aber auch erhellend sein.“
Viele Menschen halten sich selbst für witzig. Das weiß auch Fabian Paul. Er aber geht nicht naiv einfach auf eine Bühne und redet drauflos. „Man muss ein Programm erarbeiten, es kommt aber auch viel auf die richtige Technik und das richtige Timing an“, erklärt er und zieht einen Vergleich mit „seiner“ Sportart: „Es ähnelt einem Spiel im Handball. Auch da versucht man, das große Ganze leicht aussehen zu lassen. Die harte Trainingsarbeit, die im Hintergrund abläuft, sollte man nicht erkennen.“ Bei einem Witz könne man viel falsch machen. „Man muss verstehen, wie ein Witz funktioniert. Es ist ein richtiges Handwerk“, betont Paul.
Man muss verstehen, wie ein Witz funktioniert. Es ist ein richtiges Handwerk.
Fabian Paul
Der Schnaitheimer, der unter seinem vollen Namen Fabian Raphael Paul auftritt („deutscher als mit drei Vornamen kann man nicht sein“, wurde er von einem Moderator bei einem Auftritt mal auf den Arm genommen), hat schon seit längerer Zeit einen Ordner auf seinem iPhone mit dem Namen „Programm Leben“. Hier notiert er sich Beobachtungen aus dem Alltag. Kumpel Patrick Chaudhari bekommt als Erster Witze vorgetragen. „Wenn ich genug Material für 15 Minuten habe, werden die Witze rundgeschliffen“, erklärt Paul.
In Berlin könnte man, theoretisch, in verschiedenen kleineren Clubs jeden Abend Stand-up-Comedy machen. Fabian Paul hat schon 20 Auftritte gemeistert. Dabei können sich Künstler auf Zeitfenster bewerben. Angefangen von fünf Minuten, erfolgreichere Stand Upper erhalten auch zwölf Minuten. Paul trat bislang in der Regel vor im Durchschnitt 50 Zuschauern auf. Einmal aber auch in einem Zirkuszelt vor 300 Zuschauern, in dem das Publikum auch in seinem Rücken saß. Auf einem Comedyboot hatte er auch schon eine Nummer – für Touristen – zum ersten Mal auf Englisch. „Das ist eine richtige Challenge“, freut sich der 32-Jährige. „Es ist eine Herausforderung, vielleicht auch unangenehme Situationen zu überstehen.“
Seinen ersten Auftritt hatte Fabian Paul im September 2023 im „Chrysippus“. Darüber, dass es den Club sechs Wochen später nicht mehr gab, kann Paul lachen. „Da habe ich meine erste Chance bekommen. Und es war einer meiner besten Auftritte.“ Der Schnaitheimer trat damals vor 50 Menschen auf – und war „richtig on fire“, wie er sagt (enorm kraftvoll, dynamisch). „Der Clubinhaber meinte, dass es eine der besten ersten Auftritte gewesen ist, die er gesehen hat. Wenn er das sagt, muss es ja etwas bedeuten“, freut sich Paul, der auf Instagram unter fabian.raphael.paul zu finden ist.
Bei seinem zweiten Auftritt hat er dafür aber „gebombt“, wie man in der Sprache der Comedians sagt, wenn ein Auftritt sprichwörtlich in die Hose gegangen ist. „In den letzten Jahren habe ich sehr viele Witze vorgeschrieben und bei diesem Auftritt ein anderes Programm gehabt. Ich bin aber hastig geworden und wollte es irgendwann nur noch hinter mich bringen. Das merken die Zuschauer aber“, sagt Paul. „Aber genau das reizt mich, Prüfungen vor Menschen. Und es gibt keine Hintertür. Aus Niederlagen lernt man auch hier, es ist wie im Sport.“
Warum mache ich den Scheiß eigentlich?
Fabian Paul zu Kumpel Patrick Chaudhari nach einem missglückten Auftritt
Nach diesem misslungenen Auftritt habe er zu Patrick Chaudhari, der als WG-Mitbewohner und Kumpel bei den Auftritten dabei ist: „Warum mache ich den Scheiß eigentlich?“ Auch solche Momente gehörten dazu, so Paul. „Man stellt vielleicht alles infrage, aber man macht weiter. Nach anderen Auftritten bin ich mit einem Adrenalinflash ins Bett gegangen und habe mich wie ein Superstar gefühlt.“
Bei seinem Besuch beim Handballderby zwischen dem HSB und „seiner“ TSG Schnaitheim wurde Paul aber sanft auf den Boden der Tatsachen geholt. Da er einen Kanal auf Instagram zu seinen Comedy-Auftritten pflegt, wurde er in der Heimat damit – auf gut Schwäbisch – konfrontiert. „Klar darf man sich dann einige Kommentare anhören. Wie: Ist man jetzt witzig? Oder: Macht man jetzt Comedy?“, erzählt Paul. „Aber auch das gehört dazu. Es ist doch schön, wenn die Menschen einen erkennen. Wenn man nicht auffällt, ist es so, als wäre man nicht dagewesen“, nimmt Paul die verbalen Seitenhiebe mit Humor.
Auf derselben Bühne wie Kawus Kalantar, der früher mit Felix Lobrecht auf Tour war
Richtige Vorbilder in der Comedyszene habe er nicht, sagt Fabian Paul. „Handball ist ja mein Leben.“ Doch dann nennt er doch einen Namen: Felix Lobrecht (der Stand-up-Comedian, Podcastmoderator und Autor, der schon viele Preise gewonnen hat, lebt in Berlin-Kreuzberg). „Es ist brutal, wie er mit Technik arbeitet“, schwärmt Paul, der an einem Abend auf derselben Bühne gestanden hat, wie Kawus Kalantar. Dieser wiederum war früher mit Felix Lobrecht auf Tour („Stand Up 44“).
Seine berufliche Zukunft sieht Fabian Paul nicht als Comedian. Allerdings kann er sich durchaus vorstellen, auch andere Bühnen zu nutzen. Seine Freundin Sara kommt aus Austin in Texas. „Bislang war noch keine Zeit dafür. Aber eines Tages möchte ich hier auch auf die Bühne. Auf Englisch funktionieren Witze oft sogar noch besser. Dann sind die Pointen glatter.“ Ein guter Stand-Up-Comedian kann eben auf jeder Bühne dieser Welt.
Aus der Zweier- ist eine Dreier-WG geworden
In Berlin haben Patrick Chaudhari und Fabian Paul ihre Zweier-WG auf eine Dreier-WG mit Pauls Freundin Sara erweitert. Seinen nächsten Auftritt hat Fabian Raphael Paul Ende März.
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