Escape from Alcatraz: Timo Olp aus Nattheim startete erfolgreich in San Francisco
Einatmen, ausatmen. Wo ist die Brücke? Einatmen, ausatmen. Die Brücke liegt rechts. Einatmen, ausatmen. Einmal die Golden Gate Bridge sehen. Den Blick auf eine der berühmtesten Brücken der Welt, die am Eingang zur Bucht von San Francisco steht, genießen. Für viele Touristen ein Traumziel. Auch für Timo Olp, allerdings auf eine ganz besondere Weise. Der 43-Jährige sucht das Abenteuer – und hat es in der Meeresbucht des Pazifischen Ozeans gefunden. Typische Tourisachen zu machen ist eben nicht sein Ding. Deswegen trotzt er der starken Strömung.
Und das im Rahmen von „Escape from Alcatraz“ (Flucht von Alcatraz). Wer jetzt an den Film mit dem Schauspieler Clint Eastwood denkt, liegt nicht richtig. Es ist eine Triathlon-Sportveranstaltung in und um die Bucht von San Francisco. Die Teilnahme daran ist für den ehrgeizigen Timo Olp der vorläufige Höhepunkt seiner Sportlerlaufbahn.
Geboren wurde er in Heidenheim, aufgewachsen ist Olp in Nattheim. Ja, er hat einst geraucht. Doch die Zeiten liegen längst hinter ihm. Mit Chipstüte auf der Couch sitzen und einen Film schauen? Nicht mit ihm! Timo Olp sucht die Herausforderung. Dabei begann er mit Ballsportarten: Tischtennis und Tennis bei der TSG Nattheim. Wie erfolgreich er gewesen ist? „Ich war ein ganz guter Trainingsspieler“, drückt sich Olp diplomatisch aus. Aber: Schon da stand er bis zu acht Stunden am Tag auf dem Tennisplatz, ehe er 2002 damit ganz aufhörte.
Und dann zog es ihn auf die Straße. Eine relativ unscheinbare Begebenheit pikste seinen Ehrgeiz. Die Tochter einer Cousine hatte sich 2010 für die zehn Kilometer beim Heidenheimer Stadtlauf angemeldet. „Schaff‘ ich das auch?“, dachte sich Olp. „Damals ist der Groschen gefallen, dass ich das packen will“, erinnert er sich. Aber er wollte mehr. Bei einer Trainingseinheit lief er von Nattheim nach Heidenheim, wieder zurück und vier Runden im „Dorf“, wie er erzählt. „Ich kam hechelnd zu Hause an und dachte mir: Was hast du gemacht? Du bist einen Halbmarathon gelaufen. Nur für dich.“ Das nächste Ziel, die nächste Stufe, wenn man so will, war also erreicht.
2012 lernte Timo Olp seine Frau Kristina kennen. Sie kommt aus Hessen und 2014 entschied sich das Paar nach Herborn (nördlich von Frankfurt am Main) zu ziehen. Wie verträgt sich das Schwäbische mit dem Hessischen? „Ich sag’ mal so: Wenn die platt sprechen, verstehen wie Schwaben gar nichts mehr“, sagt Timo Olp und lacht.
Auch in seiner neuen Wahlheimat brauchte er einen sportlichen Ausgleich. Also lief er bis zu 25 Kilometer. Doch bei Olp ratterte es schon wieder im Kopf: Marathon! Und erneut gab es einen Stupser von außen. „Eine Freundin meiner Frau ist beim Frankfurt-Marathon (42,195 Kilometer) mitgelaufen. Ich habe ihre Urkunde gesehen und habe mir gedacht: Das schaffst du auch!“, erzählt Timo Olp. In der Tat, 2015 war es soweit, nach knapp vier Stunden war er im Ziel.
Von nun an suchte er sich besondere Ziele: Hauptstädte wie Wien, Berlin, Warschau oder Paris. Da Timo Olp nach Plan trainierte, waren neben Laufen auch Schwimmen und Radfahren dabei. Bei einem Besuch im heimatlichen Nattheim kam nach einer Trainingseinheit eine weitere sportliche Erleuchtung. Beim Laufen auf der Waldstrecke im Tal kam mir der Gedanke: „Jetzt warst du heute Fahrradfahren und beim Schwimmen – jetzt bist du laufen. Das ist doch ein Triathlon?“ Und so war die neue Idee geboren.
Also meldete er sich 2017 für seinen ersten Triathlon am Edersee in Hessen, dem drittgrößten Stausee in Deutschland, an. „Damals hatte ich noch gar kein gutes Rennrad. Aber ich hatte gewusst: Ich will diesen Weg gehen“, erinnert sich Olp. Das Rennrad besorgte er sich in einem Fahrradgeschäft in Heidenheim. Und absolvierte seinen ersten Triathlon über die Olympische Distanz (1500 Meter Schwimmen, 40 Kilometer Fahrrad fahren und zehn Kilometer Laufen). Doch nicht nur das, im selben Jahr ging Timo Olp bei der Challenge Paguera auf Mallorca über die Mitteldistanz (1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und ein Halbmarathon) an den Start.
Doch zuvor holte sich Olp Nachhilfe im Schwimmen. „Das sah damals nicht so gut aus“, sagt er. Aufgrund eines Tipps schaute er in Ulm in einem Geschäft für Triathleten vorbei. Der Ladeninhaber trägt einen großen Namen: Daniel Unger war 2007 Triathlon-Weltmeister auf der Kurzdistanz (auch Olympische Distanz genannt). Olp erkannte Unger zunächst nicht, war im Nachhinein aber umso erstaunter, als er dessen Schwimmkurse im Ulmer Schwimmbad Bad Blau besuchte. „Zuvor schwamm ich nur dienstags in Nattheim“, sagt Olp, der auch weiterhin regelmäßig in seiner Heimatgemeinde zu Besuch ist. In innerhalb von vier Monaten schaffte er es 2000 Meter am Stück zu kraulen.
Somit war Timo Olp bereit für seine Triathlons. Doch er ließ es sich auch nicht nehmen – schwimmbegeistert wie er jetzt war – 2018 den Bodensee zu queren. Die Frau, die ihn dazu animierte, hatte er bei den Schwimmkursen von Daniel Unger kennengelernt.
Zudem gab es 2018 ein weiteres Aha-Erlebnis: Zusammen mit seiner Frau Kristina besuchte Timo Olp auch Alcatraz, eine Felsinsel in der Bucht von San Francisco knapp zwei Kilometer vor dem Festland, die auch als Gefängnisinsel bekannt wurde. Olp schaute aufs Festland und dachte sich: Das muss doch zu schaffen sein. Also informierte er sich darüber, ob es dort vielleicht eine Schwimmveranstaltung gibt. Gibt es! Den Triathlon „Escape from Alcatraz“ (2400 Meter Schwimmen, 29 Kilometer Radfahren und 13 Kilometer Laufen).
Kristina Olp überraschte ihren Mann und ergatterte für ihn einen Startplatz. Die Plätze werden per Losverfahren vergeben, bei der zweiten Ziehung hatte sie Glück und schenkte Timo Olp den Start zu dessen 40. Geburtstag. „Nur zehn Prozent der rund 2000 Startplätze werden an Ausländer verteilt. Die Chance daran teilnehmen zu dürfen ist also nicht besonders groß“, erklärt Timo Olp.
Aufgrund der Coronavirus-Pandemie schob Olp seine Startberechtigung auf das Jahr 2022. Doch ein Jahr zuvor bekam er große Rückenprobleme. Es drohte eine Absage seines Starts. Dank eines Attests konnte er seine Teilnahme an „Escape from Alcatraz“ allerdings um ein weiteres Jahr nach hinten legen, ehe es 2023 endlich so weit war. „Ich habe alles dafür getan, um fit zu werden. Ohne Beschwerden wäre ich sicherlich doppelt so fit gewesen. Aber ich war einfach nur froh, endlich an diesem großartigen Event teilnehmen zu können.“
Das Besondere: Gestartet wird beim Kult-Triathlon von einem Schaufelrad-Schiff aus ins 13,7 Grad kalte Wasser. Timo Olp hatte einen Plan, geriet aber in eine Gruppe, die das erste Ziel falsch anvisierte. „Wir wurden von der Strömung weggedrückt. Mit einem Armzug bin ich nur den halben Weg vorangekommen“, beschreibt Olp. Natürlich machte er sich so seine Gedanken. „Eigentlich hast du jetzt schon kein Bock mehr“, erwischte er sich selbst beim Grübeln. „Klar, es gibt immer wieder die Frage: Warum tue ich mir das an oder Was mache ich hier eigentlich? Auch in gewissen Momenten im Training“, räumt Olp ein, fügt aber an: „Solche Trainingseinheiten sind wichtig. Nur dann geht man gestärkt raus.“
Viele Athleten mussten in der Bucht von San Francisco aufgeben. Er habe dagegen durchgezogen. „Wie ein Irrer“, gesteht Olp. Ein Vorteil: Er hat in der Regel keine Uhr dabei. „Sonst hätte ich gesehen, dass das Schwimmen aus dem Ruder läuft“, sagt er. Aus angedachten 40 Minuten wurde knapp eine Stunde.
Doch er schafft es schließlich aus eigener Kraft an den Strand – und startete danach eine Aufholjagd. „Es war eine saugeile Radstrecke. Und bei den Sand Laddern (Sandstufen) haben sich einige gewundert, wo ich die Kraft noch herhabe“, sagt der Betriebsleiter einer Metallbaufirma. Mit dabei: Sein Markenzeichen, das Hang Loose, ein Handzeichen der Freude, Gelassenheit und der Lockerheit. Auf ein Victory-Zeichen habe er ganz bewusst verzichtet. Stattdessen streckte er des Öfteren parallel drei Finder der anderen Hand – dafür, dass er drei Jahre auf „seine“ Flucht von Alcatraz warten musste.
Im Ziel sei er fast zu Tränen gerührt gewesen, doch letztlich habe die pure Freude überwogen. Trotz Rückenproblemen im Vorfeld bekam er die begehrte Finisher-Medaille überreicht. Und nun? Jetzt reicht`s aber auch mal, oder? Olp winkt ab. Denn er hat weitere Pläne. „Vielleicht musste das Schwimmen schiefgehen, damit der Ehrgeiz ganz groß wird. Am Tag danach stand für mich fest: Ich werde mich dafür noch einmal bewerben“, sagt Olp, der 2023 einer von 16 Deutschen bei „Escape from Alcatraz“ gewesen ist, wie er nachschiebt.
Und seine Frau macht das auch mit? Mehr noch. „Ich habe sie wohl angefixt“, scherzt Timo Olp. Kristina Olp unterstützt ihren Mann nämlich nicht nur, sondern lief zuletzt bei der Triathlon-Weltmeisterschaft in Hamburg mit. Damit weiß sie auch, was auf ihren Mann demnächst zukommen wird. Timo Olp möchte nämlich erneut bei der Challenge Paguera auf Mallorca im Oktober teilnehmen. Dafür wird er bis zu 15 Stunden in der Woche trainieren.
Dabei ist seine Körpergröße von 1,68 Metern eher ein Nachteil. Timo Olp atmet ein und aus. Und sagt: „Die Länge beim Schwimmen und Laufen fehlt einfach, beim Radfahren habe ich nicht so die Nachteile. Aber ich kann immer eine Schippe drauflegen. Und ich liebe den Kampf gegen den inneren Schweinehund.“
Timo Olp auf Instagram
Auf Instagram hat Timo Olp viele weitere Bilder veröffentlicht. Zu finden ist er als „sportfreund11“.