Vom Tennisplatz nach Hawaii

Wie sich Wibke Göttken für den Ironman im Oktober qualifiziert hat

Eigentlich kommt Wibke Göttken gar nicht vom Ausdauersport. Mehr durch Zufall hat die Mergelstetterin mit ihrem Mann damit angefangen, an Triathlons teilzunehmen. Jetzt gelang der 49-Jährigen sogar die Qualifikation für den Ironman auf Hawaii. Wie sah ihr Weg dorthin aus?

Wie sich Wibke Göttken für den Ironman im Oktober qualifiziert hat

Während ihres Studiums hat Wibke Göttken oft Tennis gespielt. Und voltigiert. Laufen? Schwimmen? Radfahren? Zählte alles nicht zu ihren Sportarten. Bis sie sich das Kreuzband gerissen hat, operiert werden musste – und ihre bisherigen Hobbies aufgeben musste. “Ich habe mit dem Laufen angefangen, weil das noch ging. Mein erstes Ziel war der Zehn-Kilometer-Lauf in Heidenheim”, erinnert sich Göttken, die gebürtig aus dem Emsland kommt, mittlerweile aber schon seit mehr als zwanzig Jahren mit ihrem Mann Markus Göttken in Mergelstetten lebt. “Ich habe mich mit dem Laufen angefreundet, um überhaupt wieder einen Weg zurück in den Sport zu finden”, sagt Göttken. Nach den zehn Kilometern in Heidenheim habe es dann nicht lang gedauert, bis die Sportlerin auch Lust auf einen Halbmarathon und bald auf einen Marathon bekommen hat. Und dabei sollte es nicht bleiben: Beim Triathlon im schweizerischen Thun hat sich Göttken kürzlich für den Ironman auf Hawaii qualifiziert, der im Oktober stattfindet. Eine außergewöhnliche Leistung, die ihren Ursprung sozusagen im Nachbarhaus hat.

Markus Pfeffer, Mitbegründer der Triathlon-Abteilung des SV Mergelstetten und Nachbar von den Göttkens, habe angefragt, ob Wibke und Markus Göttken nicht Lust hätten, mit in der Abteilung dabei zu sein? “Wir haben es einfach ausprobiert”, erzählt die 49-Jährige. So furchtbar lange liegt diese Entscheidung noch gar nicht zurück, seinen ersten Triathlon bewältigte das Ehepaar 2016 in Lauingen über die olympische Distanz. Das bedeutet: 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer laufen. “Da haben wir erst mal gemerkt, was bei einem Triathlon alles schiefgehen kann. Wir haben unsere Startnummern vergessen und unseren Neo nicht richtig ausgekriegt”, erinnert sich Göttken lachend. Gut für Göttken: Mit ihrer besten Disziplin, dem Laufen, die zu diesem Zeitpunkt auch im Training noch ihren Schwerpunkt darstellte, konnte Göttken viel wettmachen. “Dadurch war ich wahrscheinlich angefixt”, überlegt die Sportlerin. Gleichzeitig habe es ihr aber auch gefallen, sich auf mehr als nur aufs Laufen zu konzentrieren.

Nicht nur auf die Zeit geschaut

Ein entscheidender Unterschied für sie: “Beim Laufen habe ich auf meine Zeit geschaut, wollte immer schneller werden. Manchmal geht es dann nicht mehr besser, was frustrierend sein kann. Beim Triathlon aber habe ich gar nicht so auf die Zeiten geachtet.” Weiterkommen wollte Göttken trotzdem: Auf die olympische Distanz folgte ihre erste Mitteldistanz, die sie in Heidenheims Partnerstadt St. Pölten bestritt. Also: 1,9 Kilometer schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und einen Halbmarathon laufen (21,1 Kilometer).

Die Göttkens mussten langsam aber sicher damit anfangen, doch gezielter zu trainieren. Neben regelmäßigen Laufeinheiten mussten also auch Schwimmeinheiten (“das notwendige Übel”) und lange Radausfahrten am Wochenende sein. Gar nicht so einfach zu stemmen, arbeitet Göttken schließlich als Oberärztin am Klinikum an Heidenheim. Außerdem hat sie Kinder, die Göttken bald für Aussagen wie “Nie im Leben laufe ich einen Marathon” oder “Langdistanz? Das ist doch völlig absurd” aufzogen, weil es ja doch immer anders kam.

Glücklich in Thun: Wibke Göttken nach der Langdistanz in der Schweiz. M. Göttken

Es kam also die Langdistanz: Triathlon in Roth, der Triathlon schlechthin. 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und einen Marathon laufen (42,2 Kilometer). “Der Wettkampf lief super für mich, ich war danach überglücklich”, schwärmt Göttken. Naheliegend also, dass eine zweite Langdistanz folgen würde. Anders als ihr Mann wollte die 49-Jährige aber erst mal ein Jahr Pause machen. Neun Monate intensives Training für die Langdistanz waren ihr in zwei aufeinanderfolgenden Jahren doch zu viel: “Da bleibt viel auf der Strecke.” Göttken blieb also erst mal bei der Mittel- und damit ihrer Lieblingsdistanz, weil man da “auch mal mutig” sein könne, nicht permanent den Gedanken im Hinterkopf habe, dass man es, wie bei der Langdistanz, nur irgendwie ins Ziel schaffen wolle.

Bewusst in den Bergen gequält

Ihre zweite Langdistanz wagte Göttken erst dieses Jahr, im schweizerischen Thun. Ganz bewusst suchte sie sich einen Triathlon aus, bei dem auf dem Rad viele Höhenmeter warten – als kleine und leichte Sportlerin lägen ihr die Berge weit besser als eine flache Strecke. In Thun schließlich ging es nicht mehr nur darum, ins Ziel zu kommen. Es ging ihr auch darum, sich für den Ironman auf Hawaii zu qualifizieren. Um optimal vorbereitet zu sein, schaute sie sich schon vor dem Wettkampf die Begebenheiten vor Ort an, prüfte etwa, ob sie die Radstrecke mit dem Triathlonrad bewältigen könne. “Das hat total die Anspannung rausgenommen. Noch dazu ist die Gegend dort wunderschön”, schildert Göttken.

Das wird eine einmalige Geschichte bleiben.

Wibke Göttken, Triathletin, zum Ironman auf Hawaii

Mit Unterstützung ihres Mannes trat sie ihre zweite Langdistanz an, wohlwissend, dass Thun sehr hart werden würde. Und Thun wurde sogar noch härter, viele Athleten mussten frühzeitig aussteigen. “Auch die Veranstalter haben von einem brutalen Wettkampf gesprochen. Beim Schwimmen hatten wir einen unangenehmen Wellengang, noch dazu hatte es an dem Tag 35 Grad”, erklärt die Sportlerin. Nicht zu vergessen die mentale Komponente: Göttken wusste vorab nicht, wie viele Slots für Hawaii in ihrer Altersklasse vergeben werden. Als sie die ersten beiden Disziplinen hinter sich gebracht hatte, gab ihr Mann Bescheid, dass sie sich momentan auf dem fünften Rang befinde, dass sie dranbleiben müsse. Auf der Laufstrecke noch jemanden zu überholen liegt Göttken, und so schaffte sie es nach knappen zwölf Stunden noch auf Rang vier. Das Gemeine an der Sache: Erst am nächsten Tag bei der Slotvergabe, erst, als ihr Name aufgerufen worden ist, wusste Göttken, dass ihre Platzierung die Qualifikation für Hawaii bedeutete.

Bis zum 14. Oktober muss Göttken im Training jetzt noch mal alles geben. Vor Ort wird sie den Triathlon unter völlig anderen Klimabedingungen antreten. Für Hawaii gebucht hatte sie bereits im Vorfeld alles Nötige, für sie bedeutet die Reise mit ihrem Mann neben dem Wettkampf auch Urlaub. “Ich habe nicht den Ehrgeiz, dort etwas zu erreichen. Mit der Qualifikation habe ich schon alles erreicht”, sagt sie, und betont: “Das wird eine einmalige Geschichte bleiben.” Was wohl ihre Kinder dazu sagen?

Der Ironman auf Hawaii: die WM der Frauen in 2023

Der Begriff “Ironman” bezeichnet nicht generell einen Triathlon, wird mittlerweile aber oft umgangssprachlich für die Langdistanz verwendet. Ironman ist eine geschützte Marke von Triathlon-Wettkämpfen, deren Rechte bei der World Triathlon Corporation liegen, die wiederum ein Tochterunternehmen zweier US-amerikanischer Unternehmen ist. Am 14. Oktober wird auf Hawaii in diesem Jahr die Weltmeisterschaft der Frauen stattfinden. Die Männer werden dort nicht starten, deren WM findet schon im September in Nizza statt. Nächstes Jahr wird es dann genau andersherum sein. Dass Männer und Frauen jetzt getrennt werden, liegt schlicht daran, dass die Auswirkungen auf die Insel und deren Bewohner sowie die logistischen Herausforderungen immer größer geworden sind.