Schon mal eine echte Olympia-Medaille in der Hand gehabt? Wer am Sonntag in die Georg-Fink-Halle in Gerstetten gekommen war, hatte die seltene Gelegenheit, hart erkämpftes sportliches Edelmetall anfassen zu dürfen. Jörg Roßkopf brachte gleich vier seiner wertvollsten Trophäen aus aktiver Zeit mit auf die Alb und ließ den begehrten Halsschmuck durch die Reihen gehen: die WM-Goldmedaille von 1989, die Silberne von den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona (jeweils mit Steffen Fetzner im Doppel), die EM-Goldmedaille von 1992 in Stuttgart und die Bronzene der Spiele 1996 in Atlanta. Glänzende Beweise einer glänzenden Karriere.
Der sympathische Titelsammler aus Südhessen wollte damit auch den Tischtennis-Talenten aus Gerstetten und Umgebung nahebringen, dass es sich lohnt, im rasanten Spiel mit dem federleichten Zelluloidball für große Ziele zu kämpfen. Ein Ausnahmesportler mit einem Format wie Timo Boll, der als erfolgreichster deutscher Spieler durch Roßkopfs Trainerschule ging, werde zwar höchstens alle 100 Jahre mal geboren, mutmaßte der Bundestrainer: „Andere Nationalspieler wie Dimitrij Ovtcharov, Benedikt Duda oder auch ich selbst hatten weniger Talent, aber dafür viel Ehrgeiz und die Leidenschaft, aus Fehlern zu lernen.“
Der Nationaltrainer gibt Tipps und macht „ein bisschen Talentsichtung“
Jörg Roßkopf kam als Botschafter seiner Sportart nach Gerstetten und mahnte die 20 Nachwuchsakteure, mit denen er während des Tages an zehn Tischen trainierte, sich nicht von „Zuhause-Sportarten wie Playstation oder Handy“ in die Bequemlichkeit verführen zu lassen: „Bleibt dabei – auch wenn es mal eine Niederlage gibt oder der Freund plötzlich besser geworden ist als man selbst.“
„Bleibt dabei – auch wenn es mal eine Niederlage gibt oder der Freund plötzlich besser geworden als man selbst.“
Jörg Roßkopf verteilte viele wertvolle Ratschläge.
Solche Aktionstage wie in Gerstetten, die von der Sparkassen-Versicherung gesponsert werden, sollen nicht nur als Motivationsschübe für den Nachwuchs dienen, sie seien auch „ein bisschen Talentsichtung und ein bisschen Trainerschulung“, erklärte Roßkopf, während er den 20 Akteuren im Alter zwischen 8 und 18 Jahren gleichzeitig Anweisungen und Tipps gab. „Ein paar haben schon ein Lob von ihm bekommen“, zeigte sich Paul Danzer erfreut.
Der Aktionstag geht auf einen glücklichen Zufall zurück
Auch für den Tischtennis-Abteilungsleiter des VfL Gerstetten war der Besuch Roßkopfs etwas ganz Besonderes: „So etwas gab’s in Gerstetten noch nie.“ Ein bisschen spielte auch der Zufall eine Rolle, dass dieser Aktionstag zustande kommen konnte. Weil der Sohn von Gerd Eckhardt, seines Zeichens Geschäftsstellenleiter der Sparkassen-Versicherung Heidenheim, in Gerstetten Tischtennis spielt, informierte er Paul Danzer über das Sportförder-Programm seines Arbeitgebers.

Auf die Frage, ob der VfL Gerstetten Interesse an einem solchen Aktionstag mit dem Bundestrainer hätte, musste Danzer nicht lange überlegen. Schnell wurde eine Bewerbung eingereicht – und alsbald gab es auch schon einen Termin. Die anfänglichen Berührungsängste mit dem Welt- und Europameister sowie fünffachen Olympia-Teilnehmer waren am Sonntag schnell verflogen. Roßkopf trat ohne Allüren auf, ließ sich gerne duzen und hatte für jeden ein freundliches Wort. Ein Bundestrainer zum Anfassen.
Erster Besuch in Gerstetten: Doch Roßkopf kennt die Ostalb aus seiner Zeit als Spieler
So geriet der Tag nicht nur für die Akteure an den Tischen, sondern auch für die Trainer zu einer gewinnbringenden Angelegenheit. „Ich habe heute viel mitgenommen“, sprach Paul Danzer für sich und seine Kolleginnen und Kollegen, zu denen auch Bezirkstrainerin Theresa Preston aus Waldhausen gehörte.
10 bis 15 solcher Aktionstage absolviert Roßkopf nach eigenen Angaben im Jahr. Mehr seien nicht drin, denn für den Job als Bundestrainer sei er an rund 200 Tagen gefordert. Der Mann, den seine Sportart rund um den Globus führte, komme als Tischtennis-Botschafter aber sehr gerne auch in ländliche Gegenden. In Gerstetten sei er zwar noch nie gewesen, wohl aber kenne er die Region gut, weil er beispielsweise in Aalen schon internationale Turniere spielte.

Manchmal, wenn er dann von seiner sportlichen Laufbahn berichtet, fühlt ihm der Nachwuchs auch mal auf lustige Weise auf den Zahn. Als er andernorts ebenfalls seine Medaillen zeigte, meinte ein Steppke: „Gerade mal vier Medaillen in 20 Jahren – viel ist das ja nicht.“
„Mir machen solche Aktionstage Spaß“, versichert „Rossi“ glaubhaft. Von seinem Heimatort bei Darmstadt war er am Sonntag um halb sieben in der Früh nach Gerstetten gestartet: Zur Förderung des Tischtennis-Sports scheint ihm kein Weg zu weit…
Vom Medaillensammler zum Nationaltrainer
Jörg Roßkopf wurde im südhessischen Dieburg geboren. Die Liste der internationalen Erfolge des Linkshänders im Tischtennis ist lang. Berühmt wurde er, als er 1989 an der Seite Steffen Fetzners WM-Gold gewann. Er wurde dreimal Europameister (jeweils in Einzel, Doppel und mit der Mannschaft). Mit dem Team gelang ihm zudem eine Vize-Weltmeisterschaft.
Bei Olympischen Spielen holte er als Aktiver Silber (im Doppel) und Bronze (Einzel). Mit 272 Länderspielen ist „Rossi“ deutscher Rekord-Nationalspieler.
Seit 2010 ist er Bundestrainer und wurde mit der deutschen Mannschaft dreimal Vize-Weltmeister, fünfmal Europameister und gewann einmal olympisches Silber und zweimal Bronze. Nächstes Großereignis ist die Weltmeisterschaft im Mai in Katar.