Kommenden Montag kann Helga Reiser ihren 76. Geburtstag feiern, ein besonderes Geschenk dazu machte sie sich selbst: In Belgrad, wo nach der EM der Aktiven auch die der Masters (Senioren) stattfand, gelang ihr ein ganz unerwarteter Triumph. Es war ihre vierte EM-Teilnahme, die nötigen Pflichtzeiten hatte sie trotz Krankheit bei der deutschen Meisterschaft locker erreicht. In Belgrad schwamm Helga Reiser dann über 100 Meter Brust in der Altersklasse 75 zum Sieg.
Die Grundlage hatte die seit vielen Jahren immer wieder erfolgreiche Giengenerin dieses Mal mit einer Art Trainingslager im österreichischen St. Johann gelegt. „Dort konnte ich mit anderen Masters schwimmen, das war das i-Tüpfelchen“, berichtet Helga Reiser, deren Träume aber fast schon bei der Anreise zerstört wurden.
Nach 28 Stunden Anreise war auch noch der Koffer weg
Nicht nur, dass sie – zusammen mit zwei weiteren EM-Teilnehmerinnen aus Bad Cannstatt – fast 28 Stunden unterwegs war, zu allem Überfluss war nach der Landung in Belgrad ihr Koffer verschwunden. Doch Helga Reiser ließ sich nicht unterkriegen, beschaffte sich wieder das Nötigste, bekam von den Kolleginnen einen Wettkampf-Badeanzug geliehen und ging voll motiviert ins Wasser.
In ihrer Lieblingsdisziplin 100 Meter Brust blieb die Uhr nach 1:51 Minuten stehen. Damit hatte sie alle Konkurrentinnen hinter sich gelassen, auch die starke Schwimmerin aus England. „Ich war wie im Tunnel“, berichtet Helga Reiser, die schon vorher den Ablauf vom Gang zum Startblock bis zum Anschlag immer gedanklich durchging. Dieses mentale Training half ihr zum Sieg. „Das habe ich mal gelernt, bin auch schon über heiße Kohlen gelaufen“, erzählt die Giengenerin.
Auch über 200 Meter Brust überzeugte sie und holte Rang zwei. Dabei wäre es wohl sogar der zweite Titel gewesen. „Ich habe als Erste angeschlagen, das haben mehrere Beobachter gesagt. Aber die elektronische Messung hat nicht funktioniert, so haben die Kampfrichter von Hand gestoppt und mich auf Platz zwei gesetzt. Aber deshalb streite ich nicht herum“, sagt Helga Reiser und freut sich lieber über die Silbermedaille.
Auch über 200 Meter als Erste angeschlagen?
Es blieb nicht das letzte Edelmetall, auf den von ihr eher ungeliebten Sprintstrecken schlug sie sich ebenfalls gut. Über 50 Meter Brust gab es noch Bronze und über 50 Meter Freistil erreichte sie den guten fünften Rang. „Auf diesen Distanzen war die Konkurrenz noch stärker, da waren ehemalige Olympia-Schwimmerinnen am Start“, so die TSGlerin.
Die Tage in Belgrad konnte sie letztlich genießen, nach der strapaziösen Anreise und dem Kofferschock lief alles glatt. „Die Veranstaltung war gut organisiert, vom Hotel kamen wir in nur zehn Minuten zur Schwimmhalle, allerdings war es extrem heiß“, berichtet Helga Reiser. Bei 38 Grad und großer Schwüle war sie froh, dass die Wettkämpfe in der Halle stattfanden. Geschwommen wurde im Indoor-Pool des historischen Schwimmsportcenters „Milan Muškatirovi“. Wie so oft in den vergangenen Jahren waren besonders viele Masters aus Deutschland mit von der Partie. Fast 600 Mal sprangen DSV-Schwimmerinnen und -Schwimmer ins Wasser.
Sport ist ihr Leben
Letztlich verdankte Helga Reiser den Erfolg ihrer Fitness, mindestens dreimal die Woche geht sie ins Becken, dazu noch einmal Joggen. Und sie gibt selbst Sportkurse – bis zu 18 Stunden in der Woche. „Ich muss mich auch bei meinem Mann Horst bedanken, der mich immer voll unterstützt“, sagt die Sportlerin. Eine Begrüßung am Flughafen inklusive Plakat und Blumen war da Ehrensache.
Und so will die Seniorin weiter schwimmen, als nächste Wettkämpfe stehen die baden-württembergischen Titelkämpfe und die deutsche Kurzbahnmeisterschaft an. „Es macht mir ja Spaß, noch muss ich mich nicht zwingen“, betont Helga Reiser, die das nächste große Ziel schon vor Augen hat: die Weltmeisterschaft 2025.