Die „Tartan Army“ bei der Fußball-EM

So erklärt Pfarrer Michael Williamson aus Schnaitheim die gute Laune der Schottland-Fans

Schnaitheims ehemaliger Pfarrer Michael Williamson hat schottische Wurzeln. Weil er die Schotten kennt, überrascht es ihn auch nicht, dass Fußballfans aus seinem Heimatland Niederlagen leicht wegstecken können.

Bei Fußballspielen in deutschen Stadien kann es ganz schön laut werden. Das gilt auch für die Europameisterschaft, zu der Fangruppen aus ganz Europa angereist sind. Sie bringen ihre eigenen Lieder mit und begleiten diese auch schon mal auf der Trommel. Ein Instrument aber sticht in diesem Sommer aus dem üblichen Lärm heraus: der Dudelsack.

Die „Tartan Army“, wie die Unterstützer der schottischen Nationalmannschaft oft genannt werden, hat viele der Instrumente im Gepäck und durfte diese, mit hochoffizieller Erlaubnis der Uefa, auch zum Eröffnungsspiel der Europameisterschaft mit in die Allianz-Arena bringen. Auch außerhalb des Stadions fallen die mitgereisten Schotten auf, ob durch Kilts oder durch die fast unzerstörbare gute Laune.

Michael Williamson ist beim Fußballgucken neutral

Warum sie trotz Misserfolgen nicht kleinzukriegen sind, kann Michael Williamson erklären. Der Sohn eines schottischen Vaters und einer deutschen Mutter hat einen Teil seiner Kindheit in Schottland verbracht, dazu die letzten Schuljahre. Studiert hat Williamson in Edinburgh, Jahre später wurde er dann Pfarrer in Schnaitheim. Seit 2021 ist er im Ruhestand. Aufgrund seiner Lebensgeschichte erscheint es nur logisch, dass er bei der Europameisterschaft die Spiele der deutschen und schottischen Nationalmannschaften verfolgt. Für eine Lieblingsmannschaft kann er sich aber nicht entscheiden. „Bei mir ist es nicht so, dass ich unbedingt will, dass die eine oder andere Mannschaft gewinnt“, sagt Williamson, „ich schaue die Spiele relativ entspannt an.“

Früher rief der Dudelsack zur Schlacht, heute ruft er zum Fußballspiel. Eibner/Roger Buerke

Er weiß aber, dass viele Schotten das Turnier sehr emotional verfolgen: „Das spielt eine große Rolle, weil es schon lange her ist, dass die schottische Fußballmannschaft sich für ein Turnier qualifiziert hat. Da ist die Freude dann besonders groß und auch, dass das in Deutschland stattfindet, ist ein Pluspunkt“, so Williamson. Es gebe viele Schotten, die ohnehin gerne nach Deutschland kommen würden.

Dort werden die Gäste überall gerne und freundlich empfangen. Warum das so ist? „Weil die Schotten einfach viel Freude an der Sache haben“, vermutet Williamson. Das drücke auch das Motto „No Scotland, No Party“ aus. „Die meisten wollen einfach eine schöne Zeit hier verbringen und wissen, dass Schottland keine großen Chancen hat, besonders weit zu kommen. Aber das spielt eine untergeordnete Rolle“, sagt Williamson.

„Die Fans unterstützen einander und natürlich auch die Mannschaft. Das hat man auch beim Eröffnungsspiel gemerkt, selbst als es schon 3:0 für Deutschland stand. Andere Fans hätten ihre Mannschaft vielleicht ausgebuht oder mit Pfiffen begleitet, und was machen die Schotten? Die stimmen die Nationalhymne an, das fand ich schon eindrucksvoll“, so Williamson.

Michael Williamson lebt seit 40 Jahren in Deutschland. Große Teile seiner Kindheit und Jugend verbrachte er in Schottland. Williamson

Die Treue der Fans zur Mannschaft ist unabhängig vom Ergebnis stark

Dazu kommt eine spezielle Widerstandsfähigkeit, die Williamson näher beschreibt: „Die Schotten geben nicht so schnell auf und die Treue zur Mannschaft ist stark, unabhängig vom Ergebnis. Wenn die Fans sehen, dass die Mannschaft sich Mühe gibt, ist das die Hauptsache und das Ergebnis wird dann hingenommen, egal in welche Richtung es ausfällt.“

Das gilt natürlich nicht nur für die mitgereisten Fans, sondern auch für jene, die die Europameisterschaft von zu Hause aus verfolgen. Auch dort bringen die Spiele laut Williamson Menschen zusammen: „Die Leute verabreden sich und verbringen einen schönen Abend miteinander, so ähnlich wie hier auch. Public Viewing Areas sind nicht so stark verbreitet, aber in den Pubs wird auf jeden Fall auch vor großer Leinwand geschaut.“

Wie viele Spiele die schottische Nationalmannschaft bei dieser Europameisterschaft noch bestreiten darf, bleibt abzuwarten. Williamson geht davon aus, dass Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien das Turnier „unter sich ausmachen“ werden. Eine oft als Titelkandidat gehandelte Mannschaft fehlt bei dieser Auflistung. Williamson beteuert, er habe sie nicht absichtlich weggelassen. „Die Schotten würden sagen: ‚Hauptsache nicht England!' Aber ich wohne ja schon seit 40 Jahren in Deutschland und bin da nicht so parteiisch.“

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