Vom olympischen Geist angesteckt: Die märchenhafte Reise der RSG Ugenhof
Es ist neben den Ringen das Symbol der olympischen Spiele und doch so viel mehr. Gemeint ist das olympische Feuer. Es steht unter anderem für die Reinheit. Bei den Special Olympics World Games ist das nicht anders. Am 7. Juni machte sich das „Feuer der Hoffnung“ von Athen aus auf den Weg und kam nach dem Fackellauf über mehrere Stationen in Deutschland zehn Tage später im Berliner Olympiastadion an.
Begleitet vom Jubel von rund 50.000 Zuschauern und 7000 Athletinnen und Athleten wurden die Weltspiele der Special Olympics – der größten inklusiven Sportveranstaltung überhaupt – mit der Entzündung der Flamme eröffnet. In dem rund 600 Köpfe zählenden deutschen Team fand sich auch eine kleine Gruppe aus dem Landkreis Heidenheim. Alisa Hamzic, Lisa Preiß und Christian Stickel von der RSG Ugenhof waren Teil der schwarz-rot-goldenen Reitmannschaft. Beate Bengelmann komplettierte als Cheftrainerin der deutschen Reiterinnen und Reiter das olympische Quartett von der Ostalb.
Rund ein Jahr Vorbereitung für die Weltspiele
Der Weg nach Berlin war aber ein deutlich längerer als bloß die Fahrstrecke von Bolheim bis in die Bundeshauptstadt. „Insgesamt liegt fast ein Jahr hinter uns, voller Planung und viel Arbeit“, sagt Bengelmann. Bei den nationalen Spielen im Vorjahr zeigte das Team der RSG bereits mitreisende Leistungen und überzeugte das Nominierungskomitee.
Nach zwei Vorbereitungslehrgängen gab es eine erste Kostprobe der olympischen Stimmung in Berlin. In einem Rutsch wurden alle 600 Sportlerinnen, Sportler sowie Trainer und Verantwortliche eingekleidet. „Das war der erste Gänsehautmoment“, blickt Bengelmann zurück. Der uniforme Dress hat laut der Steinheimerin aber auch für Verwirrung gesorgt. „Ich musste ganz genau hinschauen, dass ich meine Athleten nicht aus den Augen verliere.“
Viele Änderungen im Training
Beate Bengelmann und ihr Reiter-Trio kamen aber vollzählig zurück auf den Ugenhof und bereiteten sich mit viel Trainingsfleiß auf die Weltspiele vor. Dabei lief einiges ganz anders als zuvor: Da in Berlin auf zugelosten Pferden geritten wurde, mussten die ungewohnten Umstände im Training und in Wettkämpfen simuliert werden. „Befreundete Reitvereine und Pferdebesitzer haben uns da sehr unterstützt, damit wir auf Leihpferden Wettkampfpraxis sammeln konnten“, erzählt Beate Bengelmann.
Und der große Aufwand hat sich gelohnt: Das von Bengelmann betreute deutsche Team räumte gewaltig ab: Neunmal Gold, zweimal Silber und zehnmal Bronze gingen an die deutschen Sportler mit geistigem Handicap.
Basketball-Star: Dirk Nowitzki sorgt für gute Stimmung
Doch bevor es um Medaillen ging, wurde schon einmal vorab gefeiert, bei der Eröffnung der Spiele im Berliner Olympiastadion. „Das Einlaufen war am schönsten“, erinnert sich Lisa Preiß an den emotionalen Moment der Eröffnungsfeier. Bereits bevor die Zeremonie startete, war die Euphorie im deutschen Team nahe dem Höhepunkt. In zwölf Bussen wurden die Sportler geschlossen abgeholt und im Wartebereich des Olympiastadions folgte dann eine große Überraschung.
Da Gastgeberland Deutschland als letzte Delegation in das Stadion einlief, musste die Wartezeit überbrückt werden. Bei dieser Aufgabe half ein ganz Großer des deutschen Sports: der frühere Basketball-Superstar Dirk Nowitzki. Der Fahnenträger bei den Sommerspielen von Peking 2008 hielt die aufgeregten Olympioniken bei Laune. „Es wurde viel getanzt und gesungen“, sagt Beate Bengelmann.
Als es durch den Tunnel in den Innenraum der Arena ging, wurden die Augen der Delegationsmitglieder aber noch ein Stück größer. Nach einer Stadionrunde – bei der auch die RSGler nicht müde wurden, ins Publikum zu winken – folgte ein ereignisreiches Programm. Gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie vielen Größen des Sports bestaunten sie die Verlesung des Eids, das Hissen der Special-Olympics-Fahne und das Entzünden der Flamme.
Lisa Preiß mit dem „Ritt ihres Lebens“ zu Gold
Die kleine Befürchtung, die emotionale Feier könnte die Reiterinnen und Reiter von ihren sportlichen Zielen ablenken, entpuppte sich als gänzlich unberechtigt. Nach den Klassifizierungen – bei denen die Sportlerinnen und Sportler in Leistungsklassen eingeteilt werden – begann die Medaillenjagd gleich am ersten Wettkampftag.
„Sie haben alle tolle Leistungen gezeigt“, sagt Beate Bengelmann, die bei dem Auftritt von Lisa Preiß in der Dressur selbst ins Staunen kam. „Das war der Ritt ihres Lebens, sie hat einfach alles umgesetzt“, sagt die studierte Tierärztin. Der verdiente Lohn: die Goldmedaille zum Auftakt. Mit dem Bronzeritt von Christian Stickel – ebenfalls in der Dressur – wurden die Erwartungen bereits zum Auftakt übertroffen.
RSG mit einmal Gold und viermal Bronze
„Ich war sehr zurückhaltend vor den World Games“, sagt die Trainerin, „Umso größer war die Freude, als es mit den Medaillen geklappt hat.“ Das sportliche Abschneiden perfekt aus RSG-Sicht machten die drei Ugenhofer im abschließenden Geschicklichkeitsreiten. Denn: Die zuvor noch ohne Medaille gebliebene Alisa Hamzic holte wie ihre beiden Teamkollegen vom Bolheimer Reiterhof Bronze. „Sie ist davor zweimal knapp Vierte geworden und hat sich dann mit einem tollen Ritt die Medaille mehr als verdient“, sagt Beate Bengelmann.
Kurios dabei: Bis zur Siegerehrung wusste Hamzic nicht, auf welchem Platz sie gelandet war. „Sie haben mir nichts von der Medaille verraten“, erzählt sie. Und so sprudelten die Emotionen nur so aus ihr heraus, als ihr Name aufgerufen wurde. „Ich konnte es gar nicht glauben und habe mich unglaublich gefreut“, fügt die Medaillengewinnerin hinzu.
Der olympische Geist ist noch nicht verflogen
Und obwohl das Feuer bei der Abschlussfeier wieder gelöscht wurde, werden die Eindrücke und der olympische Geist noch lange nachwirken. „Es waren anstrengende 13 Tage für uns“, sagt Beate Bengelmann, die für den sportlich so erfolgreichen Abschluss des fast einjährigen Weges einen prominenten Vergleich findet. „Für mich war es wie das Sommermärchen bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, einfach märchenhaft“, sagt sie.
Und das Programm geht noch weiter: Mit einer Tour an Ehrungen und Empfängen. Das erste Glas Sekt gab es direkt nach der Rückkehr auf dem Ugenhof. Wenige Tage später empfing der Herbrechtinger Bürgermeister Daniel Vogt die erfolgreichen Sportler seiner Stadt. Dabei ließ er sich von den Erlebnissen des Quartetts erzählen, zudem trugen sich Beate Bengelmann und ihr mit Medaillen dekoriertes Trio in das Goldene Buch der Stadt ein. Die nächsten Unterschriften haben die RSGler bei ihrem Besuch im Heidenheimer Landratsamt gesetzt. Und damit sind sie noch lange nicht allen Einladungen nachgekommen.
Wenn der Trubel sich bald etwas legt, hat Beate Bengelmann noch einen Wunsch: Dass zumindest ein Teil von dem großen Interesse und der Aufmerksamkeit für den Behindertensport noch etwas länger bestehen bleibt.