An einer Schule im badischen Offenburg herrschen an einem Novembertag Angst und Entsetzen. Ein 15-jähriger Schüler wird bei einem Schusswaffenangriff verletzt und stirbt später. Gut acht Monate nach der tödlichen Attacke will das örtliche Landgericht heute das Urteil gegen den mutmaßlichen Schützen bekanntgeben. Dem mittlerweile 16-Jährigen wird der Prozess wegen Mordes und versuchten Mordes unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht.
Auch das Urteil soll einer Gerichtssprecherin zufolge nicht öffentlich verkündet werden. Grund für die Einschränkung ist demnach das Alter des Angeklagten. Der gewaltsame Tod des Schülers in einem Klassenraum der sonderpädagogischen Waldbachschule hatte auch überregional Trauer und Entsetzen ausgelöst.
Der Angeklagte soll am 9. November vergangenen Jahres mit einer Pistole auf den Mitschüler geschossen haben. Das Opfer starb im Krankenhaus. Der Deutsche hatte laut Ermittlungen 41 Schuss Munition dabei. Die Waffe für die Tat habe aus dem Haushalt der Eltern gestammt. Zudem soll der Jugendliche versucht haben, im eigenen Klassenzimmer und danach im Treppenhaus der Schule einen Brandsatz zu zünden, was aber nicht gelungen sei.
Im Falle einer Verurteilung droht ihm nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft eine Jugendstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. In Deutschland sind Jugendliche ab 14 Jahren strafmündig. Der Prozess vor der Jugendkammer des Gerichts läuft seit Mitte April, inklusive der Urteilsverkündung kommen zwölf Verhandlungstage zusammen. Der Jugendliche sitzt nach früheren Angaben in Untersuchungshaft.
Mutmaßlicher Schütze in der Schule überwältigt
Ein Motiv für die Gewalttat war bisher nicht deutlich geworden - in Kreisen war damals von Eifersucht die Rede gewesen. Ein Vater, der sich während des Angriffs zu einem Elterngespräch in der Schule aufhielt, überwältigte den mutmaßlichen Todesschützen und verhinderte damit wohl Schlimmeres. Sabah Tamer Ayoub wurde später für seinen heldenhaften Einsatz ausgezeichnet.
Auch Eltern angeklagt
Inzwischen klagte die Offenburger Staatsanwaltschaft auch die Eltern des mutmaßlichen Schützen an. Ihnen wird laut einer Mitteilung von Monatsmitte fahrlässige Tötung und Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Die von ihrem Sohn verwendete Pistole habe sich unerlaubterweise im Besitz der Eltern befunden und sei nicht ausreichend gesichert worden, sodass der mutmaßliche Schütze auf sie zugreifen konnte - so lautet der Vorwurf der Anklagebehörde. Die Große Strafkammer des Landgerichts muss noch darüber entscheiden, ob sie ein Hauptverfahren eröffnet.
Im Südwesten stieg die Zahl der Gewalttaten an Schulen im vergangenen Jahr an. Laut Innenministerium wurden im vergangenen Jahr 2545 entsprechende Straftaten gegenüber Schülern und Lehrern erfasst - das war im Vorjahresvergleich ein Plus von 13,5 Prozent. Die meisten Straftaten sind Rohheitsdelikte: Rund 52 Prozent entfallen auf vorsätzliche leichte Körperverletzung sowie etwa 16 Prozent auf gefährliche Körperverletzung.