Ayleen wollte vor ihrem Tod noch Familie schreiben
Die getötete Schülerin Ayleen aus Baden-Württemberg wollte ihren Angehörigen auf dem Weg nach Hessen noch Nachrichten senden. Sowohl ihrer Mutter als auch ihrem jüngeren Bruder habe die 14-Jährige geschrieben, sie sollten sich keine Sorgen machen, es sei «alles gut», sie sei am nächsten Morgen wieder da, berichteten zwei Polizisten, die als Zeugen am Montag vor dem Landgericht Gießen gehört wurden. Die Nachrichten seien jedoch nicht versandt worden, weil das Handy des Mädchens zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang zum Internet gehabt habe.
Die 14-Jährige soll vor knapp einem Jahr von einem 30-jährigen Mann aus dem Lahn-Dill-Kreis getötet worden sein, der sich unter anderem wegen Mordes, versuchter Vergewaltigung mit Todesfolge und Nötigung vor Gericht verantworten muss. Zu Prozessbeginn hatte der Deutsche angegeben, das Mädchen während eines Streits getötet zu haben – die Ermittler gehen jedoch davon aus, dass die Tat sexuell motiviert war. Ursprünglich sollte am Montag auch die Mutter Ayleens als Zeugin vor Gericht erscheinen, wegen einer Erkrankung soll sie nun jedoch zu einem späteren Zeitpunkt gehört werden.
Die Schülerin und der Angeklagte sollen sich aus dem Internet und über ein Online-Spiel gekannt haben. Laut Anklage hatte der Mann die 14-Jährige am 21. Juli vergangenen Jahres mit seinem Auto in ihrem Heimatort Gottenheim nahe Freiburg abgeholt und sie in ein rund 300 Kilometer entferntes Waldgebiet nahe Langgöns im Landkreis Gießen gebracht. Dort soll er die Schülerin nachts auf eine Bank gedrückt und versucht haben, sie zu vergewaltigen. Schließlich habe er sie erwürgt und die Tote anschließend mit dem Auto zum Teufelsee nahe Echzell im Wetteraukreis gebracht, wo er die Leiche versenkt habe.
Bereits als Jugendlicher war der Angeklagte wegen eines versuchten Sexualdelikts verurteilt worden. Er war für mehrere Jahre in einer Psychiatrie untergebracht und stand bis Anfang 2022 unter Führungsaufsicht, die im Januar vergangenen Jahres jedoch auslief.
Über eine minuziöse Auswertung von Handy- und Geodaten sowie Chatverläufen hatten die Ermittler nicht nur ein genaues Bewegungsprofil des Angeklagten zur Tatzeit erstellt, sondern sich auch ein genaues Bild von dessen Verhalten vor und nach der Tat gemacht. Demnach nahm dessen Kommunikation mit Ayleen nach der ersten Kontaktaufnahme im April stetig zu. Zeitweise seien rund 800 Nachrichten an einem Tag geschrieben worden, wobei der Angeklagte hier deutlich «im Vordergrund» gestanden habe, sagte der Polizeikommissar. Mit der «erdrückenden Anzahl an Nachrichten», die sich stark um sexualisierte Inhalte gedreht haben sollen, sei das Mädchen überfordert gewesen.
Die 14-Jährige, die von ihrem Umfeld als schüchtern und zurückgezogen beschrieben worden sei, habe über den Messenger-Dienst Snapchat auch sexualisierte Inhalte von sich veröffentlicht. In der Kommunikation mit dem Angeklagten habe sie aber Abstand genommen, wenn es um realen Sex gegangen sei, sagte der Polizist. «Es war ganz deutlich, dass sie keinerlei Interesse hat, intim mit dem Angeklagten zu werden.»
Dieser hatte die Tötung des Mädchens vor Gericht gestanden. Während die Ermittler ein sexuelles Motiv der Tat vermuten, gab der Mann in einer von seiner Verteidigung verlesenen Erklärung an, das Mädchen im Streit getötet zu haben. Ganz anders hatte er den Verlauf der Tatnacht vom 21. auf den 22. Juli 2022 anfangs noch in einer polizeilichen Vernehmung angegeben, die vor Gericht gezeigt wurde. Konfrontiert mit den umfangreichen Ermittlungsergebnissen gab er zunächst an, nach der langen Fahrt von Baden-Württemberg nach Hessen habe er sich nach der Abfahrt von der Autobahn zunächst ausruhen müssen. Er habe deshalb zusammen mit Ayleen eine Pause eingelegt an einer Wiese, auf der Pferde gestanden hätten. Das Mädchen habe ohne Sattel reiten wollen, sei vom Pferd gefallen und gestorben.
Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger schilderte die damalige Beschuldigtenvernehmung als «sehr schwierig». Der Mann sei sehr wortkarg gewesen, habe teilweise teilnahmslos und empathiefrei gewirkt und wenig von sich preisgegeben. Bei Anklageerhebung sei die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass der Mann zum Tatzeitpunkt «voll schuldfähig» gewesen sei. Dazu soll im Laufe des Prozesses ein Gutachter seine Expertise abgeben.