Migration

Bezahlkarte: Gentges und Landkreise drängen zur Eile

Flüchtlinge sollen einen Teil der staatlichen Unterstützung über eine Bezahlkarte beziehen. Viele Länder und Baden-Württemberg haben sich auf Standards geeinigt. Nur zwei gehen einen eigenen Weg.

Bund und Länder haben die Weichen gestellt, um die Bezahlkarte für Flüchtlinge noch in diesem Jahr bundesweit einzuführen. Während Bayern und Mecklenburg-Vorpommern ein eigenes Modell planen, haben sich Baden-Württemberg und 13 weitere Bundesländer auf ein Vergabeverfahren geeinigt, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Baden-Württembergs Landesjustizministerin Marion Gentges und die Landkreise begrüßten die Einigung am Mittwoch und mahnten zur Eile.

«Mit der Bezahlkarte wollen wir eine Signalwirkung schaffen - gegen irreguläre Migration und finanzielle Transferleistungen in die Herkunftsländer», sagte die CDU-Ministerin in Stuttgart. «Dafür brauchen wir ein funktionsfähiges Modell - und das zeitnah und bundesweit.»

Die niedersächsische Regierung rechnet nach eigenen Angaben noch im Sommer oder Herbst mit der Karte. Mit ihr soll ein Teil der staatlichen Leistungen für Asylbewerber in Deutschland künftig als Guthaben bereitgestellt werden.

Bargeld kann mit der neuen Karte nur bis zu einem gewissen monatlichen Betrag abgehoben werden. Außerdem sind Überziehungen, Karte-zu-Karte-Überweisungen sowie sonstige Überweisungen im In- und Ausland ausgeschlossen. Migranten soll damit unter anderem die Möglichkeit genommen werden, Geld aus deutscher staatlicher Unterstützung ins Herkunftsland an Angehörige und Freunde zu überweisen. Es gehe darum, «Fehlanreize für die Einreise nach Deutschland abzubauen», sagte Gentges der Deutschen Presse-Agentur.

Derzeit seien Familien aus anderen Staaten interessiert, Verwandte - meist junge Männer - auf die weite und gefährliche Reise nach Europa zu schicken, um die Familien im Heimatland mit Transferleistungen finanziell zu unterstützen. Auch seien Herkunftsländer im aktuellen System weniger motiviert, bei Rückführungen zu helfen, da sie ein volkswirtschaftliches Interesse hätten. Zudem verhindert die Bezahlkarte nach Einschätzung des Landkreistags, dass korrupte Schleuserbanden mit den Leistungen bezahlt werden, die eigentlich die Existenz sichern sollten.

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg bezeichnete die Pläne als «Ausdruck aktueller abschreckungspolitischer Tendenzen in der Flüchtlingspolitik». Es sei ein Irrglaube, dass Menschen nur durch die Bezahlkarte seltener zur Flucht gezwungen würden, sagte die Co-Geschäftsführerin des Rates, Anja Bartel. Es gebe zudem keine empirische Grundlage für die These, dass Migranten Geld aus ihren Sozialleistungen in ihre Heimat überwiesen. «Laut Studien des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung leiten angekommene Asylsuchende Geld nur selten weiter», sagte Bartel. «Zu Überweisungen in die Herkunftsländer kommt es erst dann, wenn Menschen hier arbeiten und Geld verdienen.»

Die Bezahlkarte dürfe zudem nicht den Kauf bestimmter Waren oder Dienstleistungen ausschließen, warnte Bartel. «Vorschläge aus anderen Bundesländern, wie den Kauf von Alkohol, Tabak oder Glücksspielen zu verbieten, reproduzieren nicht nur Vorurteile gegenüber Geflüchteten», sagte sie. «Sie verkennen vor allem: Sozialleistungen sind keine Erziehungsmaßnahme.» Bedürftige und auch geflüchtete Menschen müssten eigenverantwortlich wirtschaften können und die Freiheit besitzen, selbst zu entscheiden, was sie wann bräuchten.

Kritik kam aus anderem Grund auch von der AfD-Fraktion im Landtag. Deren migrationspolitischer Sprecher Ruben Rupp hält das kommende System für halbherzig. «Nicht ein Teil der Leistungen muss auf die Bezahlkarten überwiesen werden, sondern sämtliche Leistungen». Auch der Landtag wird sich bei seiner nächsten Plenarsitzung am Donnerstag (09.30 Uhr) erneut mit dem Thema beschäftigen.

Asylbewerber erhalten gesetzlich festgelegte Regelleistungen und darüber hinaus besondere Unterstützung etwa im Fall von Krankheit oder Schwangerschaft. In einigen Kommunen wurden bereits in Modellversuchen Bezahlkarten für Flüchtlinge eingeführt, mit denen sie staatliche Leistungen als Guthaben erhalten, aber nicht mehr als Bargeld. Die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten sich im November 2023 darauf verständigt, dass Asylbewerber in Deutschland mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte bekommen sollen.