Damit der Fachkräftemangel die Energiewende nicht ausbremst, ist aus Sicht von Colette Rückert-Hennen vor allem Flexibilität der Arbeitgeber gefragt. «Man muss sich öffnen», sagte die Personalvorständin des Karlsruher Energieversorgers EnBW der Deutschen Presse-Agentur. «Nur so kann man den Pool größer machen.»
Es gehe beispielsweise darum, flexiblere Arbeitszeiten und hybrides Arbeiten anzubieten. «Nicht jeder will nach Baden-Württemberg ziehen», erklärte Rückert-Hennen. Außerdem müssten eigene Mitarbeitende weiterqualifiziert und mehr Quereinsteiger gewonnen werden. Unternehmen müssten diverser werden, Frauen in Führungspositionen beschäftigen, Barrieren für Menschen mit Beeinträchtigungen abbauen und Fachkräfte aus dem Ausland holen.
«Für einige Themen brauchen wir die Politik», sagte die Managerin etwa mit Blick auf die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. «Aber nicht bei allem.» Trotz Wettbewerbs und Konkurrenz hätten sich Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels zur «Allianz der Chancen» zusammengeschlossen und tauschten gute Beispiele aus.
Ausbildung verändert
Die EnBW als drittgrößter Energieversorger Deutschlands etwa habe vor einigen Jahren die Ausbildung komplett umgekrempelt. Digitalisierung sei in den Mittelpunkt gerückt: So arbeiteten Auszubildende mit 3D-Druck und Roboting oder könnten einen Drohnenführerschein machen.
Als Erfolg verbucht die Vorständin, dass für das beginnende Ausbildungsjahr schon mehr als 80 Prozent der Stellen besetzt seien. Aktuell seien knapp 800 junge Menschen in Ausbildung oder in einem dualen Studium. Auch bilde EnBW über Bedarf aus. «Wir wollen dauerhaft aufstocken», sagte Rückert-Hennen.
Bis 2026 will EnBW konzernweit 9600 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. «Ich denke, das kriegt man hin», sagte sie. Wenngleich der Fachkräftemangel über viele Branchen hinweg der größte Wachstumshemmer sei. «Ich sehe keine Gefahr, aber man muss was tun.»
Mitarbeitende schulen
Vor allem bei der Einstellungspraxis muss sich nach ihrer Überzeugung etwas ändern: «Der Trend geht dahin, nach Skills zu suchen.» Menschen brächten vielfältige Fähigkeiten mit. Auch bei Fachfremden könne man darauf aufbauen und sie schulen. Ein bis zwei Jahre kalkuliert die Managerin für eine solche Weiterentwicklung durchaus ein - je nachdem, wie hochqualifiziert jemand werden muss.
Gleiches gelte für ältere Angestellte. «Mit 50 plus ist man nicht zu alt, da hat man noch 17 Jahre bis zur Rente», machte Rückert-Hennen deutlich. «Das ist ein sehr großer Pool.» Auch wenn sich infolge der Digitalisierung ein Jobprofil ändere, könne man darauf aufbauen.
«Wir werden auch sehen, dass wir die Vergütungssystematik und Benefits umstellen und gegebenenfalls erweitern müssen», sagte die Vorständin. Dabei gehe es nicht mal in erster Linie um mehr Geld, sondern um Fragen nach Urlaub, Sabbaticals und Weiterbildung. «Ich habe nicht den Eindruck, dass da völlig absurde Forderungen kommen.» Gerade auch im Mittelstand gebe es wegweisende Beispiele, sagte Rückert-Hennen: «Da haben viele Firmen schon vor Jahren erkannt, was mit Flexibilität möglich ist.»