Nach zwei Fluchten von Gefangenen aus dem sogenannten offenen Vollzug wehrt sich das baden-württembergische Justizministerium gegen Vorwürfe und falsche Vergleiche - es bestätigt aber die Vorfälle. Demnach ist unter anderem ein 27-Jähriger in der Nacht zum Heiligabend aus der Außenstelle Kislau der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal entkommen. Es habe zudem in diesem Jahr einen weiteren Fall gegeben, teilte das Ministerium am Freitag der Deutschen Presse-Agentur mit, ohne zunächst Details zu nennen.
«In den Einrichtungen des offenen Vollzugs sieht das Gesetz keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor», hieß es im Ministerium weiter. «Das Risiko der Entweichungen ist in Einrichtungen dieser Vollzugsform immanent.» Zuerst hatten die «Badischen Neuesten Nachrichten» über den Fall von Heiligabend berichtet.
Im offenen Vollzug müssen Gefangene ihre oft kürzere Zeit absitzen, weil sie zum Beispiel Geldstrafen nicht bezahlt haben. Sie arbeiten unter anderem in der landwirtschaftlichen Produktion oder im Hofladen der Außenstelle. Durchschnittlich gab es laut Ministerium im offenen Vollzug in Baden-Württemberg in den vergangenen zwölf Jahren jährlich rund neun Entweichungen, im vergangenen Jahr konnten elf Gefangene entkommen, von denen fünf noch auf der Flucht seien. «Bei ihnen wird nicht vom Vorliegen einer Gefahr für die Bevölkerung ausgegangen und daher auch keine aktive Öffentlichkeitsarbeit betrieben», sagte ein Ministeriumssprecher.
Bereits im vergangenen Jahr hatte sich das Ministerium wegen zwei Häftlingsfluchten scharfer Kritik ausgesetzt gesehen. Einer der beiden war Mitte Dezember bei einem Arztbesuch im Klinikum Ludwigshafen entkommen. Er wurde ebenso wie sein mutmaßlicher Fluchthelfer Ende Dezember festgenommen. Jede Spur fehlt weiter von einem anderen entkommenen Häftling. Der Straftäter aus der JVA Bruchsal war Ende Oktober bei einem bewachten Ausflug an einen Baggersee in Germersheim (Rheinland-Pfalz) geflohen.
«Entweichungen aus dem Strafvollzug scheinen im Land leider zum Trend zu werden», kritisierte Julia Goll, die Strafvollzugsbeauftragte der FDP-Fraktion. Sie kündigte an, sich nach den Sicherheitsvorkehrungen im sogenannten offenen Vollzug zu erkundigen.