Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und weiterführenden Schulen stellen der Landesregierung in der Bildungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus. Wie aus einer Umfrage der Gewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) hervorgeht, gaben Grundschullehrkräfte dem Land im Schnitt die Note 4,5. Lehrkräfte an Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen gaben eine 4,7. «Die Politik verspielt ihren letzten Kredit bei den Lehrerinnen und Lehrern - das Ergebnis ist ein geradezu ernüchterndes Zeugnis», sagte VBE-Chef Gerhard Brand bei der Vorstellung der Umfrage am Montag in Stuttgart.
Als Grund für die Unzufriedenheit unter den Lehrkräften nannte Brand unter anderem eine hohe Arbeitsbelastung. «Die Lehrkräfte beklagen, dass ihnen zu viele Zusatzaufgaben aufgebürdet werden und dass sie mit Bürokratie zu kämpfen haben», sagte Brand. Der Umfrage zufolge gaben an den Grundschulen rund 98 Prozent der Befragten an, eine hohe oder eher hohe Arbeitsbelastung zu verspüren. An den weiterführenden Schulen waren es sogar 99 Prozent. «Man muss keine Glaskugel haben, um zu sehen, dass Ausfälle bei einer zu hohen Arbeitsbelastung vorprogrammiert sind und diese kompensiert werden müssen», sagte Brand. Das sei ein Teufelskreis, denn das führe für die verbleibenden Lehrkräfte zu Mehrarbeit.
Als weitere Gründe für die Belastung nannten die Befragten an den Grundschulen die große Heterogenität in den Klassen und zusätzliche Förderprogramme des Kultusministeriums. An den weiterführenden Schulen gaben die Lehrkräfte Disziplinschwierigkeiten als derzeit größte Belastung an.
Trotz der schlechten Noten und der als hoch empfundenen Arbeitsbelastung übt der Umfrage zufolge die Mehrheit der Lehrkräfte ihren Job gerne aus. Unter den Grundschullehrkräften gaben das gut drei Viertel an, unter den Sekundarlehrkräften gut zwei Drittel.
Kultusministerin Theresa Schopper sagte: «Eine wichtige Botschaft ist, dass eine überwältigende Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf gerne ausübt.» Man wisse, dass aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen auch in den Schulen aufschlagen würden. «Schule ist nun mal ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklung», sagte die Grünen-Politikerin. Man verwende enorme Energie darauf, die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte trotz des Fachkräftemangels stetig zu verbessern.
Die SPD im Landtag forderte von der Landesregierung unter anderem eine angemessene Krankheitsreserve. «Grün-Schwarz darf die Signale aus der Lehrerschaft nicht länger überhören», sagte die bildungspolitische Sprecherin Katrin Steinhülb-Joos. Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern betonte, Kultusministerin Schopper müsse sich angesichts der Ergebnisse nicht wundern, wenn viele Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf vorzeitig aufgeben würden. Die AfD nannte die Ergebnisse einen «umgehenden Rücktrittsgrund» für die Kultusministerin.
Für die Erhebung hatte die Gewerkschaft rund 1700 Grundschullehrkräfte und 1400 Lehrkräfte der Sekundarstufe 1 vom 19. bis 23. Februar befragt. Weil alle Schulen angeschrieben worden seien und es keine Zufallsauswahl gegeben habe, sei die Umfrage nicht repräsentativ, sagte VBE-Chef Brand. Dafür sei die Quote an Rückmeldungen sehr hoch. In Baden-Württemberg unterrichten laut Statistischem Landesamt gut 60.000 Lehrkräfte an Grundschulen sowie an Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen.