Polizeiaffäre

Kritik am Inspekteur und Vorwürfe gegen Abgeordneten

Wie konnte der inzwischen freigestellte Inspekteur der Polizei eine so steile Karriere hinlegen? Das versucht derzeit ein Untersuchungsausschuss zu klären. Ein Zeuge fühlte sich im Vorfeld unter Druck gesetzt - möglicherweise von einem Ausschussmitglied.

Kritik am Inspekteur und Vorwürfe gegen Abgeordneten

Im Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre hat der ehemalige Chef des inzwischen freigestellten Inspekteurs der Polizei scharfe Kritik an dessen Eignung geübt – und mit einer Äußerung für einen weiteren Zeugen gesorgt: Der CDU-Abgeordnete Christian Gehring, selbst Mitglied des Ausschusses, muss in der nächsten Sitzung als Zeuge aussagen.

Ein herausragender Beamter, leistungswillig, leistungsfähig, besonnen und erfahren: Die Einschätzungen zu dem freigestellten Inspekteur fielen im Ausschuss bislang recht eindeutig aus. Der ehemalige Chef des Beamten zeichnete am Montag nun ein anderes Bild: «Er besaß das fachliche Niveau aus meiner Sicht nicht», sagte der ehemalige Präsident des Landeskriminalamts, Ralf Michelfelder, im Landtag.

Der Inspekteur der Polizei, der sich derzeit vor dem Stuttgarter Landgericht wegen sexueller Nötigung einer jungen Kommissarin verantworten muss, war vor seiner Ernennung zum höchsten Polizeibeamten des Landes der Vizepräsident des Landeskriminalamts und damit Stellvertreter von Michelfelder.

Auf die Position des stellvertretenden LKA-Chefs sei der heutige Inspekteur gegen sein ausdrückliches Veto gekommen, erklärte Michelfelder. Er habe einen anderen Bewerber für deutlich besser geeignet gehalten und das auch im Protokoll der Besetzungskonferenz festhalten lassen. «Ich sah diese Entscheidung als Sicherheitsrisiko», sagte Michelfelder. Aus seiner Sicht habe der aktuell freigestellte Inspekteur keine ausreichende operative Erfahrung für die stellvertretende Leitung des LKA gehabt.

Als stellvertretenden Chef des LKA habe er den Beamten als «unsicher» und «lustlos» erlebt. Auch mit dessen Leistungen sei er nicht zufrieden gewesen. «Jeden wichtigen Vorgang, der über seinen Tisch ging, musste ich nochmals überprüfen und korrigieren», sagte Michelfelder. Auch habe er sich darüber geärgert, dass sein Vize ständig am Handy gewesen sei, viel telefoniert und Textnachrichten versandt habe.

Im Vorfeld der Ernennung seines ehemaligen Stellvertreters zum Inspekteur der Polizei sei er zudem nicht um eine Einschätzung gebeten worden. Der heute 50-Jährige war im November 2020 zum ranghöchsten Polizisten in Baden-Württemberg ernannt worden – und hatte im Vorfeld eine Spitzenbewertung mit der Höchstnote 5,0 erhalten. Erstellt hatte die Beurteilung der damalige Inspekteur der Polizei.

«Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, warum man mich nicht gefragt hat», sagte Michelfelder. Er halte es für «äußerst fragwürdig», dass der damalige Inspekteur die Leistungen des Mannes bewertet habe, ohne mit ihm als seinem damaligen direkten Vorgesetzten gesprochen zu haben. «Ich kann mir das nur so erklären, dass man meine Antwort vorausgesehen hat und sie nicht hören wollte.» Er selbst hätte die Spitzennote «garantiert nicht» gegeben.

Michelfelder berichtete zudem, dass er nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Eindruck hatte, es habe gezielte Hinweise an die Presse zu vermeintlichen Verfehlungen in seiner Zeit als Präsident des LKA gegeben. «Ich kann mir das nur damit erklären, dass es offenkundig darum ging, mich zu diskreditieren», sagte Michelfelder. In einem Fall sei ihm gesagt worden, dass die falschen Anschuldigungen aus der CDU-Fraktion gestreut worden seien. Konkret nannte er den Namen von Christian Gehring, selbst Mitglied des Ausschusses. Der CDU-Politiker muss nun in der nächsten Sitzung des Gremiums als Zeuge aussagen. Das beschloss der Ausschuss auf Antrag der SPD.

Ob Gehring weiter Mitglied des Ausschusses bleiben kann, ist fraglich. Im entsprechenden Gesetz heißt es: «Ein Mitglied des Landtags, das an den zu untersuchenden Sachverhalten persönlich und unmittelbar beteiligt ist, darf dem Untersuchungsausschuss nicht angehören.» Die Obfrau der CDU, Christiane Staab, sagte, die rechtlichen Fragen müssten nun geklärt werden. «Es bleibt abzuwarten, wie sich der Sachverhalt aus Sicht des Zeugen Gehring darstellt», sagte Staab.

Der Obmann der SPD-Fraktion sagte, die Vorwürfe hätten eine «Dimension, die man nicht fassen kann». Julia Goll, Obfrau der FDP hielt Michelfelders Eindrücke für glaubhaft. «Ich weiß nicht, wie es war, aber Herr Michelfelder ist nicht zart besaitet und wird einiges gewohnt sein», sagte sie. Der Ausschuss müsse den Vorwürfen unbedingt nachgehen. Der AfD-Abgeordnete Daniel Lindenschmid sprach von einer «fast schon kriminellen Dimension».

Der Inspekteur der Polizei soll im November 2021 eine junge Polizeibeamtin sexuell belästigt haben. Er ist inzwischen freigestellt und muss sich derzeit wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob er als ranghöchster Polizist des Landes seine Machtstellung als Vorgesetzter missbrauchte, um die Kommissarin zu sexuellen Gefälligkeiten zu drängen.

Der Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit sexueller Belästigung in Landesbehörden, der Beförderungspraxis bei der Polizei und der Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Thomas Strobl (CDU).