Cybercrime

Land bekommt Cybercrime-Zentrum

Die Ermittlungsarbeit soll gebündelt werden. Auch deutlich mehr Stellen für IT-Spezialisten sind geplant. Nur zum Standort gibt es noch Fragen. Wird es Stuttgart oder Karlsruhe?

Land bekommt Cybercrime-Zentrum

Die Ermittlungsarbeit soll gebündelt werden. Auch deutlich mehr Stellen für IT-Spezialisten sind geplant. Nur zum Standort gibt es noch Fragen. Wird es Stuttgart oder Karlsruhe? Von Theo Westermann

Mit deutlich mehr Personal will das baden-württembergische Justizministerium Aktivitäten zur Bekämpfung von Cybercrime-Straftaten bündeln. „Das Leben verlagert sich immer mehr ins Digitale“, begründete Justizministerin Marion Gentges jüngst. Dazu soll ein staatsanwaltschaftliches Cybercrime-Zentrum errichtet und mit neuen Stellen „im mittleren zweistelligen Bereich“ besetzt werden. Auch IT-Forensiker sollen im Team sein. 

Baden-Württemberg folgt damit dem Beispiel der Justiz in Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen, die bereits über Zentrale-Cybercrime-Einheiten verfügen. In Hessen ist diese bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, in NRW bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln und in Bayern bei der Generalstaatsanwaltschaft in Bamberg angesiedelt.

In Baden-Württemberg wurde zwar bereits 2011 eine Zentralstelle für die Bekämpfung von Informations- und Kommunikationskriminalität (ZIK) eingerichtet, die als landesweit zuständiges Kompetenzzentrum dient. Auch gibt es seit 2017 bei den Staatsanwaltschaften Mannheim und Stuttgart jeweils eine Schwerpunkabteilung „Cybercrime“. Deren Aufgabe ist es bisher, herausgehobene Verfahren in den jeweiligen Landesteilen zu bearbeiten. Diese Strukturen werden nun neu geordnet und zusammengeführt.

Wo genau das Cybercrime-Zentrum angesiedelt wird, ist noch nicht geklärt – Karlsruhe und Stuttgart kommen in Frage. Zur Standortfrage und Zuständigkeit teilt das Justizministerium mit: „Diesem Zentrum, das bei einer Generalstaatsanwaltschaft anzusiedeln ist, soll die landesweite Strafverfolgungszuständigkeit bei herausgehobenen, umfangreichen oder (ermittlungs-)technisch besonders anspruchsvollen Verfahren des Cybercrime übertragen werden“.

Vor wenigen Tagen informierte sich auf Einladung von Ministerin Gentges eine Runde von Spitzenvertretern der Justiz bei Kollegen aus Nordrhein-Westfalen. Dort hatten in den vergangenen Monaten spektakuläre Missbrauchsfälle für Schlagzeilen gesorgt, zum Tatkomplex gehörten tausende Nachfolgestraftaten im digitalen Bereich – was die Ermittler des NRW-Cyberzentrums intensiv beschäftigte.  Der Leitende Oberstaatsanwalt und Chef der Einrichtung, Markus Hartmann,  beschrieb den entscheidenden Vorteil einer zentralen Struktur  so: „Wir sind organisatorisch und technisch einfach besser aufgestellt – wir können wenige Minuten nach einer Anzeige bereits reagieren“. Und er betonte: „Wenn wir einen starken Ansprechpartner in Baden-Württemberg bekämen, wäre das auch für uns gut.“

Der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen begrüßte die vorgesehene Umstrukturierung. „Es ist absolut notwendig, eine derartige Zentralisierung herbeizuführen“, sagte er.  Auch Andreas Stenger, Präsident des Landeskriminalamts (LKA), sieht die Pläne mit Interesse. Das LKA ist künftig sozusagen der „Spiegelpartner“ des geplanten Cyberzentrums der Justiz. „In der bisherigen Struktur arbeiten wir gut.“ Aber angesichts steigender Zahlen sei eine ganz andere Zusammenarbeit notwendig. „Eine Professionalisierung tut gut, die aber auch Ressourcen braucht“, mahnte er an.

Einige Zahlen zeigen den Handlungsbedarf: Nach einer Anpassung der Polizeilichen Kriminalstatistik zum Jahresbeginn 2021 weist die Statistik die Delikte der Computerkriminalität und des Computerbetrugs als „Cybercrime“ aus, Straftaten der Allgemeinkriminalität,  die mit Internet oder IT-Systemen begangen werden (etwa Beleidigungen in den sozialen Netzwerken ) gelten als gesonderte Deliktgruppe mit „Tatmittel Internet und/oder IT-Geräte“.

Zahl der Verbrechen steigt

2021 registrierte die Polizei bei Cybercrime 10 744 Fälle, ein Plus von 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Eine besonders deutliche Steigerung gab es dabei im Teilbereich Delikte der Datenveränderung/Sabotage von 63 Prozent auf 326 Fälle.

Beim LKA gibt es seit 2012 eine Abteilung „Cybercrime und Digitale Spuren“. Aufgaben sind Ermittlungen, anlassunabhängige Internetrecherche, Ansprechstelle Kinderpornografie, IT-Beweissicherung, Ermittlungsunterstützung, Telekommunikationsüberwachung und forensische Datenträgeranalyse. In den regionalen Polizeipräsidien gibt es weitere Fachkompetenz. Beim LKA ist zudem seit Ende 2013 die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime  für Behörden, Bürger und Unternehmen eingerichtet, im Jahr 2021 waren es 1867 Kontaktaufnahmen.