Krankenhäuser

Stillstand bei Klinikreform: Lauterbach und seine Probleme

Bund und Länder wollen die Krankenhauslandschaft völlig umbauen, stehen dabei aber noch vor einem Berg an Problemen. Bei ihrer Konferenz am Bodensee bewegen sie sich keinen Deut aufeinander zu. Der Bundesgesundheitsminister warnt vor einem Scheitern.

Stillstand bei Klinikreform: Lauterbach und seine Probleme

Die Zeit drängt, viele Kliniken stehen vor dem Aus – dennoch haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern ihre Differenzen zur Klinikreform bei einer zweitägigen Konferenz am Bodensee nicht ausräumen können. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach am Donnerstag von nicht weniger als «sechs verbleibenden großen Problemen», bei denen man sich in Friedrichshafen nicht habe aufeinander zubewegen können. Der SPD-Politiker nannte etwa die Forderung des Bundes nach mehr Transparenz für den Patienten, was die Qualität der Kliniken angehe – und gegen die sich die Länder sperrten.

Auch bei der Gestaltung der sogenannten Leistungsgruppen liegt man noch meilenweit auseinander. Sie zielen darauf, statt grober Beschreibungen wie «Innere Medizin» eine Zuordnung nach exakter gefassten Gruppen vorzunehmen und entsprechend zu vergüten – und damit auch die Qualität der Versorgung an den Kliniken sicherzustellen. Die Länder glaubten, der Bund wolle über die Gestaltung der Leistungsgruppen die Kontrolle der Krankenhausplanung an sich ziehen, sagte der Bundesminister.

Mehrfach war bei der Pressekonferenz von «Misstrauen» die Rede. «Wir müssen Vertrauen entwickeln in die gegenseitigen Positionen, sonst wird die Reform scheitern», sagte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).

Bei der Klinikreform geht es um einen grundlegenden Umbau der Krankenhauslandschaft in Deutschland, um Spezialisierung und Konzentration. Nicht jede Klinik soll mehr alle medizinischen Leistungen anbieten. Dabei sollen auch Krankenhäuser geschlossen werden. Geplant ist auch eine partielle Abkehr vom Fallpauschalen-Prinzip. Das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle soll geändert werden, um die Krankenhäuser von wirtschaftlichem Druck zu befreien. Um nicht auf immer mehr Fälle angewiesen zu sein, sollen Kliniken einen größeren Vergütungsanteil allein schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen.

Das Gesetz soll den Plänen nach am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Am Montag steht noch ein Treffen der Gesundheitsminister mit den Bundestagsfraktionen in Berlin an. Lauterbach sagte, er bleibe zwar zuversichtlich, dass man dort ein Ergebnis erzielen werde – aber sicher sei das nicht. Man befinde sich nun an einem Scheidepunkt, ob man die Reform überhaupt wolle oder nicht, warnte der Bundesminister. Nur mit ihr lasse sich ein systematisches Krankenhaussterben in Deutschland abwenden.

Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha, hatte vor der Konferenz gesagt, dass man in Friedrichshafen zu einer Verständigung kommen müsse. Danach sagte der Grünen-Politiker, man habe die Punkte nun deutlicher identifiziert, die man mit den Fraktionen noch klären müsse. Lucha nannte als Beispiel die sogenannte Vorhaltefinanzierung: Die Länder pochen auf eine Überbrückungsfinanzierung vom Bund, damit wirtschaftlich darbende Krankenhäuser nicht noch vor dem Greifen der Reform pleitegehen. «Systemrelevante Kliniken dürfen nicht vor der Reform in die Knie gehen», sagte Konferenzgastgeber Lucha.

Melanie Schlotzhauer, SPD-Gesundheitssenatorin aus Hamburg und Sprecherin der SPD-geführten Länder, machte am Donnerstag deutlich, dass eine Einigung am Bodensee noch vor dem Treffen mit den Fraktionen von vornherein unmöglich gewesen wäre – «weil wesentliche Partner nicht am Tisch sitzen».

Umstritten ist zwischen Bund und Ländern auch, welche Daten über die Qualität der Kliniken den Patientinnen und Patienten wie schnell zur Verfügung gestellt werden sollen. Lauterbach will diese Daten so schnell wie möglich veröffentlichen – noch bevor die Reform trägt. Er sprach von zwei verschiedenen Vorstellungen von Geschwindigkeiten von Bund und Ländern.

Es sei nicht akzeptabel für den Bund, mit der Transparenz zu warten bis die Reform greife, sagte der SPD-Politiker – und nannte das Jahr 2027. «In diesen drei Jahren werden 1,5 Millionen Bundesbürger an Krebs erkranken», sagte er. Die müssten wissen, wie oft an einer Klinik Krebs behandelt werde, ob es Fachärzte für Onkologie gebe, wie viel Pflegepersonal vorhanden und wie hoch die Komplikationsrate sei.

Lauterbach räumte ein, dass dadurch manche wirtschaftlich bereits in Not geratene Klinik den «ein oder anderen Krebspatienten» auch noch verlieren werde. Es sei aber ethisch «überhaupt nicht tragbar», dass Krebspatienten noch behandelt würden, nur damit eine Klinik in der Übergangsphase überlebe. Die Daten müssten den Bürgern so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden.

Die Länder fürchten, dass das den Ruf mancher Kliniken schädigen und sie wirtschaftlich ruinieren könne. Die Hamburger Ressortchefin Schlotzhauer sagte, die Daten dürften nicht noch vor der Umsetzung der Reform veröffentlicht werden und müssten von den Ländern validiert werden. Es gebe zudem bereits Informationsportale.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, dass bislang Patienten alle Daten aus unterschiedlichen Quellen der jeweiligen Klinik zusammentragen müssten. Zur Behandlungsqualität gebe es oft keine transparenten Angaben. Die Anzahl der Operationen und das vorhandene Personal würden zu wenig über die Qualität der Klinik aussagen. Auch die Patientenklientel spiele etwa eine Rolle. Behandlungen etwa von Hochbetagten oder Risikopatienten seien meist komplizierter und aufwändiger.

Der bayerische Gesundheitsminister Holetschek zeigte sich enttäuscht, dass man in manchen Punkten noch so weit auseinanderliege. Auch für die Menschen auf dem Land brauche es optimale Versorgungsstrukturen, sie dürften nicht allein gelassen werden. Er glaube zudem, dass es noch große Verwerfungen geben werde zwischen den Fraktionen und den Ländern.