Das bayerische Oberammergau ist berühmt für seine Passionsspiele, der kleine Ort Wacken in Schleswig-Holstein für sein Heavy-Metal-Festival und die Bodenseeinsel Mainau für seine Blumenlandschaft. Und Hemsbach im Rhein-Neckar-Kreis? Die 12.000-Einwohner-Stadt ist als «das Dorf, in dem alle steppen» bekannt - zumindest, seit Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim in diesem Jahr in mehreren Fernsehshows so von ihrem Heimatort erzählt hat. Die 37-Jährige hat mit der Stepptanzgruppe Penguin Tappers einen der 14 Weltmeister-Titel geholt.
Michael Wendt, Präsident des TAF (The All Dance Federation of Germany), sagt über die Stepptänzer des TV Hemsbach 1891: «Sie sind bei weitem die erfolgreichste deutsche Gruppe.» Zu den Weltmeister-Titeln kommen laut den Penguin Tappers auch noch 106 Titel bei den Deutschen Meisterschaften.
Absätze knallen auf den Boden
Donnergrollen, das Parkett vibriert unter den Stepptanz-Schritten und Sprüngen der 16 Mädchen. Die acht- bis zwölfjährigen Mädchen üben Schrittkombinationen, Sprünge nach hinten, die Arme ausgebreitet. Die Absätze knallen auf den Boden, die Spitzen wischen darüber. Mike Glenney, kanadischer Stepptanz-Weltmeister, ruft die Kinder zusammen: «One-two-three-four» und schon steppt die Gruppe gemeinsam die neu gelernten Schritte. Erst vorletzte Woche haben die erwachsenen Penguin Tappers in der Formation erneut den Weltmeister-Titel in Prag geholt. Die weltweite Spitze im Stepptanz stammt aus Hemsbach - wie kommt das?
«Da gibt es halt viele Leute, die Stepptanz-verrückt sind, schon seit langen, langen Jahren», sagt Wendt. Die Stepptanz-Abteilung werde sehr professionell geführt. «Von den Kleinsten an bis hin zu den Senioren: Alle sind wie eine große Familie, alle finden das toll, alle halten zusammen, und dann kommt so was.» Da spiele die Größe des Ortes keine Rolle. «Interessant oder wichtig sind die Leute, die das machen, die die Ideen haben - und das umsetzen können.»
In der Formation muss es klingen, als würde nur einer steppen
Beim Weltmeister-Titel 2009 in der Formation war auch Mai Thi Nguyen-Kim dabei. Sie hat mit fünf Jahren mit dem Stepptanz angefangen, wie sie im September in der WDR-Fernsehshow «Kölner Treff» erzählte. Am erfolgreichsten sind die Penguin Tappers beim Formationsstepptanz. «Das ist besonders anspruchsvoll», sagte Nguyen-Kim. «Man muss erstmal sauber steppen. Wenn 24 Leute gleichzeitig steppen, muss sich das ja anhören, als würde nur eine Person steppen. Dann gibt es noch den restlichen Körper, damit kann man auch noch alles Mögliche machen. Das muss auch noch ganz synchron sein.»
Dazu gebe es natürlich noch die Formation, die Bilder. «Wenn sich eine Linie von Menschen so dreht, wie ein Lineal, denkt man, da passiert ja nix. Das ist super schwierig.»
Als Stepptanz-AG am Gymnasium gestartet
Die Penguin Tappers sind 1988 entstanden, als eine Lehrerin am Gymnasium in Hemsbach eine Stepptanz-AG gründete, wie Trainerin Kristina Eckstein erzählt. Eine Profitänzerin als Lehrerin brachte den Verein nach vorne, 2003 gab es die erste Bronze-Medaille bei der Weltmeisterschaft. Mittlerweile gehören zu dem Verein 227 Stepptänzerinnen, fast alles Mädchen und Frauen. Die Altersspanne reicht von fünf bis 58 Jahre. Das Trainerteam besteht aus 30 Personen - alle sind im Verein groß geworden.
Hemsbachs Bürgermeister Jürgen Kirchner steppt zwar selbst nicht, hat die Penguin Tappers allerdings auch schon auf Weltmeisterschaften begleitet, wie er selbst sagt. «Für uns sind die Tappers natürlich ein Aushängeschild, und wir fiebern immer mit.» Seine Sekretärin sei in Prag ebenfalls Weltmeisterin geworden. Am Morgen nach der Rückkehr aus dem Urlaub habe es zur Gratulation einen Blumenstrauß gegeben.
Training fünfmal die Woche
Wendt erklärt den Erfolg der Hemsbacher mit dem Zusammenhalt in der Gruppe und den richtigen Trainern, aber auch mit der Trainingsmoral: Beim Stepptanz gehe es letztlich darum, dass die Technik stimme. «Das ist harte Arbeit, das ist viel trainieren.» Gerade in Sachen Synchronität seien die Penguin Tappers «richtig gut».
Die elfjährige Nele Matz tanzt seit sieben Jahren - derzeit fünfmal die Woche. Ihre Mutter hat als Trainerin mit der Formation den Weltmeister-Titel geholt. Am meisten Spaß mache ihr beim Steppen, die Freunde zu treffen, zu Meisterschaften zu fahren und zu trainieren, sagt die Deutsche Meisterin. Und was fällt ihr am schwersten? «Die Töne immer perfekt rauszubekommen und dann halt auch den Takt zu halten.» So darf beim Shuffle beispielsweise nur das vordere Eisen an den Schuhen zu hören sein, zweimal ein Schleifen und kein knackiges Auftreten.
Und warum glauben die Penguin Tappers selbst, dass sie so erfolgreich sind? «Das ist eine Familie. Man kommt hierhin und fühlt sich wohl», sagt Trainerin Eckstein. Die 38-jährige Lehrerin hat auch nach der Geburt der vierten Tochter das Steppen nicht aufgegeben. «Wenn man das hier erlebt und wenn man hier gewachsen ist, ist man wahnsinnig dankbar und dann will man wieder was zurückgeben.»