Ataman: Diskriminierung von Leistungsempfängern verbieten
Wer bei der Wohnungssuche abgelehnt wird, weil er oder sie Sozialleistungen bezieht, soll dagegen künftig klagen können. Das sieht ein Grundlagenpapier zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vor, das die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Auch die Staatsangehörigkeit sollte ihrer Ansicht nach als Diskriminierungsmerkmal in das Gesetz aufgenommen werden. Bislang wird hier lediglich auf die Herkunft abgestellt.
Sie habe ihre Vorschläge am Dienstag an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) geschickt, der federführend für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform zuständig sei, sagte Ataman. Ein Sprecher des Justizministeriums sagte auf Nachfrage, zu der Reform sei man noch in der «Prüfphase». Die Vorschläge der Bundesbeauftragten würden dabei berücksichtigt. Einen konkreten Zeitplan nannte der Sprecher nicht.
Nachweis von Diskriminierung vereinfachen
Wichtig wäre es aus ihrer Sicht auch, die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen in Fällen von Diskriminierung zu verlängern. Bislang haben die Betroffenen dafür zwei Monate Zeit. Ataman schlägt eine Verlängerung auf zwölf Monate vor.
Außerdem will sie den Nachweis von Diskriminierung erleichtern. In ihrem Papier heißt es dazu: «Das Erfordernis, eine Benachteiligung und Indizien nachzuweisen, sollte auf die Glaubhaftmachung herabgesenkt werden, das heißt dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt.»
Kirchenrechtliche Privilegien im Fokus
Ataman sprach sich zudem dafür aus, die kirchenrechtlichen Privilegien aus dem Gleichbehandlungsgesetz zu streichen. Es räumt konfessionellen Arbeitgebern bislang die Möglichkeit der Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung ein. Sie sei «einigermaßen guter Dinge, dass sich da eine Lösung finden wird», sagte Ataman.
Streichen lassen möchte Ataman auch für alle Arbeitgeber die Möglichkeit, Mindest- und Höchstanforderungen an das Alter von Beschäftigten zu stellen. In das Gesetz aufgenommen werden sollte ihrer Meinung nach, dass die Verweigerung angemessener Vorkehrungen dafür, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt ihre Rechte wahrnehmen können, als Benachteiligung gewertet werden.
Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
Ziel des AGG in seiner derzeitigen Form ist es, Benachteiligung «aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen». Die Bundesbeauftragte möchte diesen Katalog um die Merkmale «sozialer Status» und «Staatsangehörigkeit» erweitern. Die Formulierung «aus Gründen der Rasse» sollte durch «aufgrund rassistischer Zuschreibungen» ersetzt werden.
Der Anwendungsbereich sollte aus Sicht von Ataman zudem auf staatliches Handeln des Bundes ausgeweitet werden. Schließlich sei der staatliche Bereich wie die Bundespolizei, Jobcenter und gesetzliche Versicherungen nicht weniger relevant, wenn es um Diskriminierung gehe, als der Rechtsverkehr zwischen Privaten.
Im öffentlichen Dienst des Bundes möchte die Antidiskriminierungsbeauftragte ein «Gebot zur Förderung der Wertschätzung von Vielfalt und Verhinderung und Beseitigung jeder Form von Diskriminierung» verankern. Öffentliche Stellen des Bundes sollten zudem die Möglichkeit erhalten, Diversity-Kompetenz als Qualifikationsanforderung bei der Beurteilung von Eignung und fachlicher Leistung zu berücksichtigen.
Ataman für Einführung eines Verbandsklagerecht
Um die von Diskriminierung Betroffenen zu entlasten, sollte aus Sicht von Ataman ein Verbandsklagerecht eingeführt werden. Außerdem sollten Antidiskriminierungsverbände die Möglichkeit erhalten, in Fällen struktureller Diskriminierung ohne individuelle Betroffenheit zu klagen. Sie sagte, repräsentative Umfragen zeigten, dass die Bevölkerung in Sachen Antidiskriminierung schon weiter sei als die aktuelle Rechtslage. Das sollten Politiker im Hinterkopf haben, die sich jetzt mit der geplanten Reform beschäftigen. Sie würde sich wünschen, dass das AGG nicht als «Verbotsgesetz», sondern als «Chancengesetz» verstanden werde.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: «Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten.»