Liebe Heidenheimer, liebe Voithler, vergangene Woche wurde bekannt, dass Voith Hydro seine Fertigung in Heidenheim und somit die Großturbinenhalle schließen möchte. Eine Entscheidung die für die Belegschaft nur schwer nachvollziehbar und vor allem schwer zu verkraften ist. Zu teuer, zu unproduktiv, zu schlechte Qualität im Vergleich zur Schwesterfertigung in St. Pölten, heißt es. Damit schlichtweg nicht mehr tragbar für den anspruchsvollen und herausfordernden Markt der Wasserkraft.
Betrachtet man als Außenstehender die Konsequenzen dieser Schließung, könnte man meinen: „Alles halb so wild“. 70 Arbeitsplätze sind zwar betroffen, aber es werden ja letztendlich keine Kündigungen ausgesprochen. Jeder bekommt weiterhin Arbeit, also kein Grund zur Aufregung oder Verunsicherung. Doch ist es wirklich so einfach?
Die Großturbinenhalle prägt seit fast 100 Jahren nicht nur das Stadtbild, vielmehr prägt sie maßgeblich die Geschichte von Voith und somit die Geschichte Heidenheims. In der Großturbinenhalle steckt nicht nur irgendeine Fertigung, in ihr stecken 100 Jahre Know-how, unbezahlbares Fachwissen, sich stets entwickelnde Fertigungsprozesse und vor allem Leidenschaft und Hingabe für ein außergewöhnliches Produkt.
Verlässt mal wieder ein Schwertransport das Voith-Gelände, kommt er nicht selten aus der Großturbinenhalle. Beladen mit einem Bauteil, das weit über 100 Tonnen wiegen kann, aber auf den Hundertstelmillimeter genau gefertigt ist. Eine zum Teil hochkomplizierte Arbeit, schwer vorhersehbar und vor allem schwer plan- und kalkulierbar. All dies würde eventuell nicht sofort, aber gewiss mit der Zeit verloren gehen, und das Schlimmste daran: Es würde wahrscheinlich nie mehr zurückkommen. Heidenheim würde einen bedeutenden Teil seiner industriellen Zeitgeschichte und Zukunft verlieren.
Liebe Heidenheimer, zweifelsohne lassen sich die Prozesse in der Fertigung verbessern. Die oben genannten wirtschaftlichen Defizite kommen nicht von irgendwo her, sind aber auch auf das komplizierte Geschäft der Turbinenüberholung zurückzuführen. Doch die Belegschaft ist bereit, für die Großturbinenhalle zu kämpfen. Sie will zeigen, was sie kann, und dass sie es noch besser kann. Dafür benötigt es vor allem Investitionen. Statt dieses unternehmerische, angesichts eines aufstrebenden Marktes aber überschaubare Risiko einzugehen, geht die Geschäftsführung von Voith Hydro den leichteren Weg.
Unter dem Deckmantel einer Zusammenlegung werden zwei Standorte mit unterschiedlichen Voraussetzungen gegeneinander ausgespielt. In diesem internen Wettbewerb zieht die Heidenheimer Fertigung den Kürzeren. Vielmehr könnte man die Kompetenzen beider Standorte bündeln, sich austauschen, Synergien schaffen und somit zwei gesunde und standhafte Fertigungen auf die Beine stellen.
Gesprochen wird nicht von einer Zusammenlegung. Die Fertigung in Heidenheim würde schlichtweg wegfallen. Zur Not würde man als Unternehmen Einbußen in der Produktionskapazität in Kauf nehmen. Dies erscheint in Zeiten der aufstrebenden erneuerbaren Energien und somit auch eines zukunftsträchtigen Marktes in der Wasserkraft als geradezu absurd. Man wolle sich in Heidenheim mehr auf den Service konzentrieren. Doch ohne Fertigung kein Service. Die Zukunft der gesamten Voith-Hydro-Sparte in Heidenheim sehen wir als gefährdet.
Liebe Heidenheimer, liebe Voithler, die Belegschaft aus der Großturbinenhalle will für den Erhalt ihrer Fertigung kämpfen. Für jegliche Unterstützung, für jeden Aufschrei, ist sie sehr dankbar.
Nicolas Domberg, Heidenheim